Eingang der Josefinenhöhle bei Peggau, 2021, Foto: UMJ/D. Modl

28. Juni 2022 / Universalmuseum Joanneum

Peggi: Die älteste Steierin

Archäologie und Münzkabinett | Forschung | Museumseinblicke

113 Jahre nach seiner Auffindung kehrt Peggi, das Skelett aus der Josefinenhöhle, wieder an ihren Fundort zurück. Als Zusammenarbeit des Universalmuseums Joanneum mit der Marktgemeinde Peggau und der Lurgrottengesellschaft Peggau ist das Skelett der ältesten Steirerin von 25. Juni bis 31. Oktober 2022 im Urgeschichtlichen Museum Peggau bei der Lurgrotte zu sehen.

Zur Fundgeschichte der Josefinenhöhle bei Peggau

1909 stieß ein Steinbrucharbeiter durch Zufall auf einen Eingang einer tropfsteinreichen Höhle nahe der Lurgrotte bei Peggau. In der aus einem langgestreckten Raum und zwei Seitengängen bestehenden Höhle konnten Grundbesitzer Josef Dirnbacher und Höhlenforscher Adolf Mayer sen. neben Keramikscherben auch mehrere Menschen- und Tierknochen bergen. Bei den neun menschlichen Knochen handelte es sich u. a. um einen Schädel, einen Unterkiefer, zwei Oberarmknochen und zwei Schienbeine. Vinzenz Hilber, Vorstand der geologischen Abteilung am Joanneum in Graz, konnte bei einer umfangreichen Grabung in drei Wochen unter anderem 48 weitere Menschenknochen desselben Individuums bergen.

Das eindeutig weibliche Skelett aus der Josefinenhöhle bei Peggau wurde nach einem Namenswettbewerb „Peggi“ genannt. Eine jüngst durchgeführte Datierung beweist, dass Peggi aus der Zeit zwischen 3630 und 3380 v. Chr. stammt und somit ca. 300 Jahre älter ist als die berühmte Gletschermumie Ötzi aus den Ötztaler Alpen in Südtirol. Das bislang älteste in der Steiermark aufgefundene menschliche Skelett datiert somit in die späte Jungsteinzeit, die auch als Kupferzeit bezeichnet wird.

Gesamtansicht des Skelettes aus der Josefinenhöhle,
Foto: UMJ/D. Modl

Wer war Peggi? Erkenntnisse von Anthropolog*innen und Mediziner*innen

Die Nachricht von der Auffindung dieses urgeschichtlichen Skeletts wurde schon damals innerhalb weniger Wochen durch Zeitungsmeldungen in der ganzen Habsburgermonarchie bekannt. In jüngerer Vergangenheit haben Archäolog*innen, Anthropolog*innen und Mediziner*innen das Skelett genauer untersuchten.

Ein Leben, geprägt durch körperliche Arbeit

Die Anthropologin Silvia Renhart und der Archäologe Daniel Modl, beide Mitarbeiter*innen der Abteilung Archäologie & Münzkabinett am Universalmuseum Joanneum, haben mithilfe modernster Methoden mehr über das menschliche Skelett in Erfahrung bringen können: Das Skelett weist auf eine hohe Robustizität sowie kräftige Muskulatur hin, vor allem am Schädel, Nacken und den Knochen des Schulter- und Oberarmbereiches, was vermuten lässt, dass Peggi häufig schwere Lasten getragen hat. Die Unterschenkelknochen deuten darauf hin, dass sie auch weite Wegstrecken zurückgelegt hat. Hockerfacetten belegen das häufige Verharren in hockender Position.

Am Skelett finden sich zudem zahlreiche Belege für häufig auftretende Mangelernährungsphasen aufgrund von Hungersnöten oder saisonalen Nahrungsmittelengpässen. Ein fast stetiger Mangel an Vitamin C, Mineralstoffen und Eiweiß führten zur Schwächung des Organismus. Daraus resultierte wiederum eine hohe Anfälligkeit für Infektionserkrankungen und Skorbut. Zudem hatte die latente Unterversorgung an essenziellen Nährstoffen Einfluss auf die Körperentwicklung und damit auch auf das Höhenwachstum des Individuums.

Peggis errechnete Körperhöhe beträgt 147,1 cm – das wirkt für uns zwar recht klein, ist aber für ur- und frühgeschichtliche und speziell auch neolithische Skelettserien im Normalbereich. Es handelt sich hierbei keinesfalls um die vor 100 Jahren postulierte „Zwergwüchsigkeit“ oder dergleichen.

Wie alt wurde Peggi?

Mit Methoden der physischen Anthropologie wurde ermittelt, dass Peggi zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 45 und 55 Jahre alt war. Dieser Befund konnte nun mit neueren Untersuchungstechniken präzisiert werden: Stephanie Ritz-Timme und Nina Sophie Mahlke vom Institut für Gerichtsmedizin der Universität Düsseldorf haben durch die Bestimmung der Pentosidinkonzentration im Dentin eines Zahns Peggis Sterbealter auf exakt 52,8 Jahre festgelegt.

Manipulationsspuren

Eine weitere neue Erkenntnis betrifft den manipulativen Eingriff an Peggis Schädel:
Spuren an der Schädelbasis und an den Halswirbeln weisen definitiv auf einen künstlichen Eingriff zur Öffnung des Schädels hin, wofür ein spitzes, schneidendes Gerät verwendet wurde, vermutlich ein Feuersteinmesser. Die Spuren an den Knochen sprechen für einen Eingriff kurz nach dem Tod der Frau, als das Knochengewebe noch frisch und elastisch war.

Über die Gründe für diesen Eingriff wurden folgende Vermutungen angestellt: Möglicherweise lag der Wunsch nach Gewinnung oder Entfernung des Gehirns der Verstorbenen im Vordergrund, vielleicht aber auch die bewusste Zerlegung des Leichnams für eine partielle Niederlegung – zumal die Originallage des Skelettes in der Höhle heute nicht mehr nachvollzogen werden kann.

Diesen beiden Motiven liegen magisch-rituelle Vorstellungen zugrunde, die dem Schädel eine besondere Bedeutung gaben: Ihm wurden Kraft, Persönlichkeit und Geist zugeordnet.

Resultate aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen sowie Ergebnisse rund um anthropologische und archäologische Funde werden im Laufe des Jahres im „Schild von Steier“, der Zeitschriftenreihe der Abteilung Archäologie & Münzkabinett am Universalmuseum Joanneum, ausführlich publiziert.

Wie sah Peggi aus?

Repräsentationen und lebensnahe Visualisierungen von kulturellen Hinterlassenschaften nehmen vor allem in den historischen Wissenschaften einen hohen Stellenwert ein und sind u. a. wichtige Werkzeuge für die Wissenschaftskommunikation.

Als Kooperation der Marktgemeinde Peggau und des Universalmuseums Joanneum wurde neben einer digitalen 3-D-Rekonstruktion des Gesichts von Peggi auch eine plastische Schädelbüste angefertigt. Hierzu wurde der Schädel vorab am Institut für Bioinformatik/Forensik, Systemische Forensik und Biologie der Hochschule Mittweida/SIT Darmstadt digital rekonstruiert. Ulrike Weinberger stellte anhand dieser Grundlage eine Silikonbüste zu Illustrations- und Ausstellungszwecken für das Urgeschichtliche Museum Peggau her. Ziel war es, ein lebensechtes Gesichtsmodell eines historischen Schädels zu erstellen, dessen Rekonstruktion auf forensisch-wissenschaftlichen Daten und Methoden basiert.

Und so sah Peggi aus:

Gesichtsweichteilrekonstruktion mit ergrautem Haar,
Grafik: Institut für Bioinformatik/Forensik, Systemische Forensik und Biologie, Hochschule Mittweida/SIT Darmstadt – University of Applied Sciences/D. Labudde, S. Becker und J. Rosenfelder

Die plastische Schädelbüste von „Peggi“ im Urgeschichtlichen Museum Peggau,
Foto: Universalmuseum Joanneum / D. Modl

Ausstellungsansicht Peggau,
Foto: Universalmuseum Joanneum / D. Modl

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