Peggi

Die älteste Steirerin

Am 12. September 1909 wurde in der Josefinenhöhle bei Peggau das Skelett eines weiblichen Individuums entdeckt. Eine jüngst durchgeführte Datierung beweist, dass das Skelett aus der Zeit zwischen 3630 und 3380 v. Chr. stammt und damit ungefähr 300 Jahre älter ist als die berühmte Gletschermumie „Ötzi“ aus Südtirol. Das bislang älteste in der Steiermark aufgefundene menschlichen Skelett datiert somit in die späte Jungsteinzeit, die auch als Kupferzeit bezeichnet wird. 

Das Skelett ist mittlerweile Teil der Sammlung Geologie & Paläontologie der Abteilung Naturkunde am Universalmuseum Joanneum. Die Anthropologin Silvia Renhart und der Archäologe Daniel Modl, beide Mitarbeiter*innen der Abteilung Archäologie & Münzkabinett am Universalmuseum Joanneum, haben mit modernsten Methoden diesen Altfund untersucht und konnten neue Erkenntnisse hinsichtlich des Sterbealters des weiblichen Individuums, seines Körperbaus, seiner Nähe zu anderen bekannten anthropologischen Funden dieser Epoche und der Behandlung des Leichnams nach dem Tode in Form einer Manipulation am Hinterhauptsloch des Schädels gewinnen. 

Vorderansicht des Schädels aus der Josefinenhöhle,

Ausstellung im Urgeschichtlichen Museum Peggau

25.06.-31.10.2022



113 Jahre nach seiner Auffindung kehrt das Skelett aus der Josefinenhöhle, nach einem Namenswettbewerb „Peggi“ genannt, wieder an seinen Fundort zurück. Als Zusammenarbeit des Universalmuseums Joanneum mit der Marktgemeinde Peggau und der Lurgrottengesellschaft Peggau wird das Skelett der ältesten Steirerin von 25. Juni bis Ende Oktober 2022 im Urgeschichtlichen Museum Peggau bei der Lurgrotte zu sehen sein.

Täglich von 9 - 16 Uhr, erste Führung um 10 Uhr, letzte Führung um 15 Uhr.

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Quelle: UMJ, AArchMK, Fotoarchiv

Die Entdeckung der Josefinenhöhle und des Skeletts


Am 12. September 1909 stieß ein namentlich nicht bekannter Steinbrucharbeiter südöstlich der Lurgrotte bei Peggau beim Abtragen von Schutt auf den Eingang einer tropfsteinreichen Höhle. Sogleich wurden der Grundbesitzer Josef Dirnbacher und der zufällig anwesende Höhlenforscher Adolf Mayer sen. verständigt, die sich durch den geweiteten Eingang zwängten. In der aus einem langgestreckten Raum und zwei Seitengängen bestehenden Höhle konnten Dirnbacher und Mayer mehrere Menschen- und Tierknochen sowie Keramikscherben bergen, die gut sichtbar aus dem teilweise versinterten Lehmboden hervorragten. Bei den Knochen handelte es sich um neun menschliche Knochen, darunter ein Schädel, ein Unterkiefer, zwei Oberarmknochen und zwei Schienbeine, sowie um mehrere Tierknochen, darunter der Unterkiefer eines Braunbären, die Hornzapfen einer Gämse und das Schulterblatt eines Rothirsches.

Noch am selben Tag wurde der Vorstand der geologischen Abteilung am Joanneum in Graz, Vinzenz Hilber, von der Bergung menschlicher Skelettteile unterrichtet, der in den folgenden drei Wochen mit umfangreichen Grabungsarbeiten in der Höhle begann. In den obersten Sedimentschichten der Höhle konnte Hilber neben dem Schädel eines Braunbären auch ein Knochenwerkzeug und Keramikscherben sowie 48 weitere Menschenknochen vom selben Individuum bergen.

Foto: UMJ/D. Modl

Ein durch körperliche Arbeit geprägtes Leben


Das eindeutig weibliche Skelett weist auf eine kräftige Muskulatur und hohe Robustizität zu Lebzeiten der Frau hin. So deuten markante Muskelansätze am Oberkörper, vor allem am Schädel und den Knochen des Schulter-/Oberarmbereiches, auf eine athletisch „trainierte“ Nackenmuskulatur infolge des Tragens schwerer Lasten hin.

Auch an den Unterschenkelknochen sind Hinweise auf eine starke körperliche Beanspruchung, u. a. infolge des Zurücklegens weiter Wegstrecken im Laufe ihres Lebens, vorhanden. Zudem belegen sog. Hockerfacetten das häufige Verharren in hockender Position.

Belege für häufig auftretende Mangelernährungsphasen aufgrund von Hungersnöten bzw. saisonalen Nahrungsmittelengpässen sind ebenfalls feststellbar. Zudem hatte die eine latente Unterversorgung an essenziellen Nährstoffen Einfluss auf die Körperentwicklung und damit auch auf das Höhenwachstum der Frau. Die errechnete Körperhöhe von 147,1 cm mutet für heutige Verhältnisse gering an, entspricht aber durchaus der Variationsbreite jungsteinzeitlicher Skelettserien.

Foto: UMJ/D. Modl

Einzigartiger Blick auf Peggis Antlitz mittels Gesichtsweichteilrekonstruktion


Eine Gesichtsweichteilrekonstruktion gewährt einen einzigartigen Blick auf das Antlitz der „ältesten Steirerin“, die als klein, robust und kräftig beschrieben werden kann und in einem für damalige Zeiten hohen Alter von ungefähr 52 Jahren verstarb. 

Mit den Methoden der physischen Anthropologie wurde das Sterbealter des weiblichen Individuums aus der Josefinenhöhle zwischen 45 und 55 Lebensjahre festgestellt und mit einer für prähistorische Funde neuartigen molekularen Altersschätzung gegengeprüft. Dies erfolgte mittels der Bestimmung der Pentosidinkonzentration im Dentin eines Zahns. Mithilfe dieser Methodik, die von den deutschen Forscherinnen Stephanie Ritz-Timme und Nina Sophie Mahlke vom Institut für Gerichtsmedizin der Universität Düsseldorf angewendet wurde und an historischen Knochenerproben sowie in der Forensik rezenter Leichenfunde eingesetzt wird, konnte das Sterbealter auf exakt 52,8 Jahre festgelegt werden

„Die Neuuntersuchung dieses ältesten Skelettes der Steiermark zeigt einerseits, dass man immer wieder Neues – mit und ohne neue Methoden – entdecken kann. So ist es möglich, das anthropologisch neu bemessene Sterbealter mit der neuen molekularen Bestimmungsmethode zu untermauern, einem Menschen aus der Vergangenheit ein Gesicht zu geben und noch dazu neue Erkenntnisse zur Behandlung eines Leichnams nach seinem Tod zu gewinnen.“ (Silvia Renhart) 

„Dieses Projekt ist ein wunderbares Beispiel für die internationale Zusammenarbeit von Expert*innen, die hier großteils unentgeltlich geforscht haben, sowie für die neuen Möglichkeiten, die uns die Naturwissenschaften und virtuelle Rekonstruktionen in der Forschung und Vermittlung eröffnen.“ (Daniel Modl)

Foto: UMJ/D. Modl

Forschungsergebnisse


Die Ergebnisse der anthropologischen und archäologischen Forschungen werden Ende des Jahres im „Schild von Steier“, der Zeitschriftenreihe der Abteilung Archäologie & Münzkabinett am Universalmuseum Joanneum, publiziert.

Foto: UMJ/D. Modl.

25.06.-31.10.2022

Gesichtsweichteilrekonstruktion mit ergrautem Haar,

Peggi: Die älteste Steierin



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Öffnungszeiten


1. November bis 17. Dezember nur mit Führung nach Voranmeldung
April bis Oktober Di-So, Feiertag 10 - 18 Uhr 

Zusätzliche Termine entnehmen Sie bitte dem Kalender.  

 

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