17. April 2018 / Barbara Steiner
Glaube Liebe Hoffnung ist eröffnet
Nicht sexy?
Almuth Spiegler schrieb in der Tageszeitung „Die Presse“ vom 14.4., dass eine solche Großkooperation in Wien – etwa zwischen Albertina, Kunsthalle und Diözesanmuseum – undenkbar wäre, und vermutlich hat sie recht. In Graz kann man auf fruchtbare Traditionen zurückgreifen. Der in den 1960er-Jahren herrschende liberale Geist und die gesellschaftliche Aufbruchsstimmung veränderten auch die Institution Kirche. Man denke nur an die Aktivitäten der katholischen Hochschulgemeinde und die Gründung des Kulturzentrums bei den Minoriten 1975. Der Dialog zwischen Kunst und Religion hat sich sich bis in die Gegenwart fortgesetzt.
Mir war wichtig, dass sich das Kunsthaus als größte Institution für zeitgenössische Kunst in Graz in diesen Diskurs einklinkt, denn tatsächlich spielt die Auseinandersetzung mit Religion, zumal mit christlicher, heute im institutionellen Feld eine eher untergeordnete Rolle, oder wie Spiegler sagt:
„Es soll tatsächlich Themen geben, die sexyer zu erzählen sind als Kirchengeschichte.“
Mich interessierte es, einen kritischen Diskurs zu initiieren, ohne „Kirchenbashing“ oder „Kirchenpropaganda“ zu betreiben.
Brücken schlagen
Katrin Bucher Trantow, Johannes Rauchenberger und mir ging es darum, zwischen verschiedenen Weltanschauungen, weltlichen und kirchlichen Sphären, Populär- und Hochkultur sowie zeitgenössischer Kunst und alter Kunst zu vermitteln, nicht etwa um Unterschiede – die es sehr wohl gibt –, zu nivellieren, sondern um spannende Nachbarschaften zu erzeugen und einen Diskurs über das Trennende, aber vor allem Gemeinsame zu eröffnen.
Genauso wichtig war es, neben den inhaltlichen, räumlichen und ästhetischen Überlegungen generationsübergreifend zu arbeiten und das Verhältnis zwischen lokalen und international tätigen Künstlerinnen und Künstlern auszuloten.
Die jüngste Künstlerin, Anna Baranowski, ist 1983 geboren, der älteste lebende Künstler in der Schau, Hermann Nitsch, 1938. Die Ausstellung zeigt Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die heute in der Steiermark leben – in Graz, Semriach, Frauenberg, St. Georgen an der Stiefing, Seite an Seite mit jenen, die in Wien, Prinzendorf, Berlin, Warschau, Paris, Brüssel, Antwerpen, Gent, New York oder Mexico-Stadt ihren Lebensmittelpunkt haben.
14 Kunstwerke wurden neu, vor Ort produziert, in Zusammenarbeit mit einer beeindruckenden Vielzahl von Menschen aus Graz und Umgebung. Die Künstler/innen arbeiteten in den Abteilungen des Joanneums in und mit den Sammlungen: Ich nenne hier exemplarisch die großartigen Zeichnungen von Guillaume Bruère, die er in der Alten Galerie angefertigt hatte, und Karol Radziszewskis enge Zusammenarbeit mit dem Volkskundemuseum. Wir freuen uns aber natürlich ebenso über die hochkarätigen Leihgaben aus den hauseigenen Sammlungen, neben den bereits genannten auch viele aus der Neuen Galerie Graz.
In der Ausstellung finden sich sehr unterschiedliche, nicht immer vereinbare Sichtweisen auf Religion, Glauben und die Institution Kirche. Es geht um Formen der Liebe, um Wunder, Barmherzigkeit, Hingabe, aber auch um Opfer, Schmerz, Macht, Ohnmacht und Machtmissbrauch.
Kurz gesprochen: Die Ausstellung zeigt eine tastende, perspektivenreiche Annäherung an Glauben, Religion und Kirche heute – mit einer gewissen Sympathie, aber ohne Konflikte zu scheuen.
Mehr zum Thema von Barbara Steiner:
Pentagramm, Kreuz, Halbmond, Swastika, Hammer und Sichel, Davidstern. Zur „Weißen Fahne“ von TEER
800 Jahre Diözese Graz-Seckau im Kunsthaus Graz
Schlagworte: Logbuch Barbara Steiner