Foto: UMJ/ A. Katz

17. April 2018 / Barbara Steiner

Kreuz, Pentagramm, Hexagramm, Hammer und Sichel, Swastika. Zur „Weißen Fahne“ von TEER

Kunsthaus Graz

1987 tauchte die Weiße Fahne von TEER (Wolfgang Temmel und Fedo Ertl) zum ersten Mal auf: eine Woche lang wurden fünf der bekanntesten Macht repräsentierenden Zeichen (Pentagramm, Kreuz, Halbmond, Swastika, Hammer und Sichel) auf ein weißes, an einer Fahnenstange befestigtes Tuch auf dem Schlossbergplatz projiziert. 31 Jahre später reaktivierte TEER diese Arbeit anlässlich der Ausstellung Glaube Liebe Hoffnung vor dem Kunsthaus.

Was darf die Kunst?

Mit dem Abzeichengesetz 1960 (offiziell: Bundesgesetz vom 5. April 1960, mit dem bestimmte Abzeichen verboten werden) wurde in Österreich tatsächlich das öffentliche Zurschaustellen von Abzeichen, Uniformen oder Uniformteilen verbotener Organisationen unter Strafe gestellt. Das Gesetz wurde vor allem eingeführt, um nationalsozialistische Propaganda  in der Öffentlichkeit zu unterbinden.

Doch es gibt mit gutem Grund Ausnahmebestimmungen, wenn die Zeichen in einem Zusammenhang auftauchen, der objektiv den Nationalsozialismus nicht befürwortet und sich eindeutig gegen das Ideengut der betreffenden verbotenen Organisation richtet.

Dies ist bei TEER der Fall: Wolfgang Temmel und Fedo Ertl haben sich wiederholt kritisch mit dem Erbe des Nationalsozialismus in Graz und dessen machtvollen Verstrickungen, auch mit der katholischen Kirche, auseinandergesetzt.

Es handelt sich um ein Kunstwerk, das sich kritisch ​mit Symbolen der Macht befasst. Dies wird deutlich, wenn man den Gesamtzusammenhang berücksichtigt – der Arbeit selbst, aber auch des Aufstellungsortes, den Kontext der Ausstellung und des Kunsthauses.

Foto: Renate Buchgraber

Symbole der Macht

Auch wenn sich bestimmte Bedeutungen dieser Symbole mit der Zeit in den Vordergrund geschoben haben – wie etwa das Hakenkreuz für Nationalsozialismus, der Halbmond für den Islam oder Hammer und Sichel für den Kommunismus – sind die jahrhundertealten Zeichen mehrfach aufgeladen.

Zwei Beispiele:

  • In der frühchristlichen Ikonografie ein Zeichen für die fünf Wunden Christi, ist das Pentagramm auch ein magisches Zeichen zur Abwehr des Bösen, ein Symbol der Freimaurer und Teil vieler Nationalflaggen. Das umgekehrte Pentagramm wird mit Satanismus in Verbindung gebracht.
  • Die Swastika ist ein Kreuz mit vier etwa gleich langen, einheitlich abgewinkelten Armen. Im Hinduismus, Jainismus und Buddhismus wird die Swastika bis heute als religiöses Glückssymbol verwendet. Im Deutschen nannte man das heraldische Zeichen, das der Swastika ähnelt, seit dem 18. Jahrhundert „Hakenkreuz“. In seiner antisemitischen und rassistischen Umdeutung machten die Nationalsozialisten ein nach rechts gewinkeltes und 45 Grad geneigtes Hakenkreuz 1920 zum Kennzeichen der NSDAP und 1935 zum zentralen Bestandteil der Flagge des Deutschen Reiches.

Das von TEER gezeigte Symbol ist eine Swastika und kein Hakenkreuz.

Gemeinsam ist allen auf das weiße Tuch projizierten Symbolen: Sie fanden oder finden sich auf Nationalflaggen wieder. Die Symbole werden bei TEER überblendet. Auf diese Weise wird die weiße Fahne, ein Schutz- und Warnzeichen, aber auch Symbol der Kapitulation vor dem Feind, zum Träger verschiedener sich ausschließender, aber auch durchaus komplizenhafter Aufladungen.

Im Kontext der Ausstellung Glaube Liebe Hoffnung steht die inhaltliche Aufladung und Instrumentalisierung der Symbole durch verschiedene machtvolle Gruppen im Vordergrund. Der dünne Stoff der weißen Fahne und die Projektion lassen die Symbole geisterhaft oder spukähnlich wirken.

Die Geister der Vergangenheit fordern immer wieder aufs Neue heraus. Insofern ist es wichtig, dass diese Symbole gezeigt werden – um zu sensibilisieren und sofort auf ihren potenziellen Missbrauch reagieren zu können. Die Reaktionen zeigen: es funktioniert.

Kategorie: Kunsthaus Graz
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