Leopold Toifl, der wissenschaftliche Leiter im Landeszeughaus führt eine Gruppe Menschen durch einen Wald in Mogerdorf

Exkursion nach Mogersdorf im Burgenland, Foto: Universalmuseum Joanneum/Grabner

13. April 2021 / Bettina Habsburg-Lothringen

„Auch wenn mein aktives Berufsleben am Landeszeughaus Graz jetzt zu Ende geht …“

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Bettina Habsburg-Lothringen im Gespräch mit Leopold Toifl

Lieber Leo, du gehst in ein paar Wochen in Pension. Wie war es damals, als du begonnen hast, am Landeszeughaus zu arbeiten? Und wie lange warst du dann insgesamt am Joanneum tätig?

Angefangen am Landeszeughaus in Graz habe ich mit dem 4. Juli 1987. Dabei hatte es damals gar nicht so ausgesehen, als ob ich jemals in Graz arbeiten würde. Ich lebte damals in Wien und hatte mich an mehreren Orten beworben, darunter auch an der Universität Johannesburg, Südafrika, von der ich sogar eine Zusage hatte. Vier Monate vor der geplanten Abreise erhielt ich die Nachricht, beim Land Steiermark als Historiker einsteigen zu können. Wegen meiner Behinderung auf einem geschützten Arbeitsplatz. Mein Wirkungsfeld wurde das Landeszeughaus, dem damals sechs Restauratoren, zwei Sekretärinnen, ein Registrar sowie der Leiter Dr. Peter Krenn angehörten. Zu meinem Aufgabenbereich gehörte fortan die Erforschung der Geschichte des Hauses und seiner Bestände. Von einer Medienpräsenz konnte man damals nur bedingt sprechen. Vor allem Dr. Krenn unterhielt Kontakte zu Zeitungen und betrieb durch seine Publikationstätigkeit Öffentlichkeitsarbeit. Erst in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts begann ich selbst eine rege Publikationstätigkeit, gepaart mit Ausstellungen und Filmprojekten. Eine eigene Webseite erhielt das Zeughaus damals ebenfalls. Ein Schmankerl aus den Anfangsjahren: Bedingt durch die strengen Regelungen des Landes Steiermark konnte diese Webseite auf den Bürocomputern gar nicht aufgerufen werden, weil es um Waffen und Krieg ging.

Leopold Toifl steht mit einer Gruppe von Menschen im Rahmen einer Führung vor einem Gebäude mit rotem Dach in Varzdin (Kroatien).

Exkursion nach Varazdin in Kroatien, Foto: Universalmuseum Joanneum/D. Assel

Kannst du vielleicht noch einmal näher auf deine Aufgabengebiete eingehen?

Wie gesagt: Meine zentrale Aufgabe bestand seit jeher in der Erforschung der Geschichte des Zeughauses und seiner Bestände. Dafür habe ich im Steiermärkischen Landesarchiv sämtliche für das Zeughaus relevanten Aktenbestände durchforstet: Zeughausakten, Hofkammerakten, Ausgabenbücher, Registraturbücher, Expeditbücher, Exemtbücher. Dazu gesellten sich die im Büro des Landeszeughauses gelagerten Akten, die allerdings nur die Jahre 1922 bis 1968 umfassen. Die Erkenntnisse dieser Forschungen wurden als Regesten aufgeschrieben und in Aktenordnern verwahrt. Von diesen existieren heute 67 Stück mit etwa 21.000 Regesten. 1995 habe ich dann mit der Sichtung der chronologischen Militariareihe begonnen, woraus sich eine vertragliche Kooperation mit dem Steiermärkischen Landesarchiv ergeben hat, die bis heute andauert. Ich durchsuche systematisch die entsprechenden Aktenstücke und gebe sie in eine Datenbank ein. Dabei zutage tretende „Zeughausstücke“ werden laufend den genannten Regesten angegliedert. Aus dieser wissenschaftlichen Grundlagenarbeit entstanden im Laufe der Jahre 87 Publikationen. Ich habe zudem zahlreiche Vorträge auf wissenschaftlichen Tagungen gehalten, an Filmprojekten und Kooperationen mit anderen Museen mitgewirkt.

 

Ich finde, einen sehr schönen Einblick in die Breite des Themas und deine Arbeit gibt der Katalog zum Landeszeughaus, den wir 2016 herausgegeben haben. Immerhin der erste Katalog zum Haus und seiner Sammlung seit den 1980er-Jahren! Du hast die Aktenbestände zum Zeughaus angesprochen: Wie leicht oder schwer sind diese eigentlich zugänglich? Ich meine dies zum einen ganz konkret räumlich im Landesarchiv, zum anderen sprachlich und inhaltlich?

In der Zeit vor Corona war der Zugang zum Aktenmaterial des Steiermärkischen Landesarchivs unproblematisch, zumal ich sämtliche Wissenschaftler und Wissenschafterinnen dort gut kenne. Man brauchte die Akten nur zu bestellen und konnte loslegen:

Loslegen? Das sagt sich so einfach.

Immerhin stammen alle Akten aus der Zeit zwischen 1509 und 1889 und sind dementsprechend im Schriftbild der jeweiligen Zeit verfasst. Dazu kommt, dass die meisten Stücke als Konzepte mit vielen Abkürzungen, Einfügungen, Streichungen und Ergänzungen erscheinen. Das zu lesen und vor allem inhaltlich zu verstehen, muss erst einmal gelernt werden und es braucht viel Übung. Der Lohn dafür besteht in Erkenntnissen vor allem zu den im Zeughaus verwahrten Waffen und Rüstungen.

 

Das bedeutet, deine Arbeit bildet die Basis, um die Bestände im Zeughaus überhaupt beschreiben zu können?

Ja genau, erst auf Basis der Forschungsarbeit ist es möglich, die Sammlung zumindest teilweise einwandfrei zuzuordnen. Nur zwei Beispiele: Den Akten ist zu entnehmen, dass der in Deutschfeistritz lebende Büchsenmacher Hans Khommer ein Petschaft mit einem stilisierten Schwan besaß, mit dem er seine Quittungen siegelte. Derselbe Schwan erscheint als Meistermarke auch auf fast allen seinen Gewehren, die also so zweifelsfrei Khommer zugeordnet werden können. Ähnliches gilt für Handwerker, die auf Quittungen ihre Initialen setzen und mit ihnen auch ihre Erzeugnisse markierten. Auf diese Weise kann zum Beispiel die Meistermarke „AK“ auf Steinschlossgewehren dem Ferlacher Büchsenmacher Adam Kullnigg zugeschrieben werden. Die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Die Sichtung der zeughausrelevanten Akten gibt also nicht nur Auskunft drüber, wer wann was zu welchem Preis ins Grazer Zeughaus geliefert hat, sondern bietet oft auch die Möglichkeit, Erzeugnisse einer bestimmten Person zuordnen zu können. Und genau solche Erkenntnisse bringen Leben in die oft grauen Bestände von Massensammlungen, wie das Landeszeughaus eben auch eine ist.

 

Ein letztes großes Projekt im Bereich der Sammlung, das du im vergangenen Jahr begonnen hast, war die weitgehende Inventarisierung der rund 1.200 Steinschlossgewehre. Taugt auch dieses als Beispiel für die notwendige Verbindung von Aktenstudium mit konkreter Anschauung der Objekte?

Wer schriftliche Quellen zu einem Thema nicht kennt, tut sich schwer. Es ist aber nicht damit getan, kurzfristig ins Archiv zu gehen und zu einem bestimmten Thema zu forschen. Erst die Durchsicht und Dokumentation sehr vieler zeitgenössischer Schriftstücke führt zum Ziel. Was hilft es beispielsweise zu wissen, dass Steinschlossgewehre im Grazer Zeughaus erstmals am 3. Juli 1685 genannt werden, wenn dann bei genauerer Untersuchung solcher Waffen Läufe auftauchen, die das Suhler Beschauzeichen tragen und in diese Zeit also gar nicht passen? Wenn nun aber aus den Zeughausakten bekannt ist, dass zwischen 1610 und 1624 aus Suhl / Thüringen mehr als 1.000 Läufe für Luntenschlossgewehre nach Graz gebracht worden sind, kann eine genauere Zuordnung getroffen werden.

Und gleichzeitig wird klar, dass die Grazer Steinschlossgewehre zum Großteil Flickwerk sind.

Nur allzu oft wurden ältere Läufe mit neuen Steinschlössern und neuen Schäften versehen. Erst zwischen 1710 und 1737 lieferten Adam Kullnigg und Johannes Kullnigg komplette Steinschlossgewehre, was Vergleiche von Nennungen im Aktenmaterial sowie von Meistermarken beweisen.

 

Was waren die größten Herausforderungen in deiner Arbeit? Was hat dich über die Jahrzehnte motiviert und angetrieben?

Die wohl größte Herausforderung war es, angesichts der Tausenden zu inventarisierenden Objekte im Zeughaus den Überblick nicht zu verlieren und daran nicht zu verzweifeln. Geholfen hat dabei sicherlich die Zweiteilung meiner Arbeit: auf der einen Seite die Spurensuche im Landesarchiv, auf der anderen Seite die Forschung an den konkreten dreidimensionalen Stücken im Zeughaus. Die Hoffnung, ja Gewissheit, im Archiv Hinweise zu finden, die dann am Originalobjekt ebenfalls nachgewiesen werden können, spornt an. Und sie führte in der Vergangenheit oft genug dazu, die Waffen und Rüstungen des Zeughauses besser verstehen und neu bewerten zu können.

Gruppe von Menschen auf der Straße blickt auf eine von der Sohne bestrahlte Stadt.

Exkursion nach Ptuj in Slowenien, Foto: Universalmuseum Joanneum/D. Assel

Wir haben uns als Abteilung in den letzten Jahren stark auf die Regionen bezogen und Kontakt zu den Akteur*innen aus lokalen Museen, Initiativen und Vereinen gesucht. Für das Landeszeughaus hast vorwiegend du diesen Part übernommen: Du hast zahlreiche Exkursionen in die Steiermark, aber auch nach Slowenien, Kroatien und Bosnien geplant und durchgeführt, um Interessierten zu zeigen, wo sich die Geschichte zugetragen hat. Diese teilweise mehrtägigen Fahrten sind sehr gut angenommen worden. Es gibt mittlerweile einen richtigen Fanclub! Was ist für dich persönlich der Wert einer solchen Geschichtsbetrachtung vor Ort? Was bereitet dir daran Freude?

Es ist ein Unterschied, in Geschichtsbüchern oder handschriftlichen Quellen zu diversen Themen zu recherchieren oder am Schauplatz historischer Ereignisse auf Spurensuche zu gehen. Das hat sich mehrfach gezeigt, als Dr. Diether Kramer den Aufbau einer Grazer Stadtarchäologie forcierte und ich die Gelegenheit bekam, daran mitzuwirken. Es ist schon interessant, bei Grabungen freigelegte Fundamente mit archivalischen Plänen und historischen Beschreibungen zu vergleichen und beides zu einem neuen Bild zusammenzuführen. Sich bei einem Symposium mit einer Schlacht und all ihren Facetten zu befassen, ist sicher spannend. Dann aber direkt auf dem historischen Schlachtfeld zu stehen und die Ereignisse vor dem Hintergrund der topografischen Gegebenheiten nachzuvollziehen, bringt eine andere Nähe zu einer längst vergangenen Zeit. Besonders spannend und lohnend wird die Sache dann, wenn die Möglichkeit besteht, dies zusammen mit einem interessierten Publikum zu tun. Dass sich im Laufe der letzten Jahre ein regelrechtes Exkursionsprogramm zu historischen Schauplätzen ergeben hat, scheint mir ein Beweis dafür zu sein, dass das allgemeine Interesse an Geschichte noch nicht verloren gegangen ist. Und ein solches Interesse durch bescheidene Beiträge aufrecht erhalten zu helfen, ist sicher ein Anreiz für mich.

 

Wenn man sich sein ganzes Arbeitsleben einem Thema gewidmet hat: Kann man sich da einfach davon lösen? Was hast du in deiner Pension vor? Abgesehen davon, dass du mit uns im Rahmen der STEIERMARK SCHAU einige Landpartien unternehmen wirst?

Ich habe mich persönlich nie für überaus wichtig und unentbehrlich gehalten und so fällt es mir nicht besonders schwer, loszulassen.

Es gibt sicher andere Personen, die für das Zeughaus mehr geleistet haben als ich. Und es wird in Zukunft hoffentlich wieder solche geben.

Als ich 2005 zum Korrespondenten der Historischen Landeskommission und 2011 zu deren ordentlichen Mitglied auf Lebenszeit bestellt wurde, hat mich das in meinen Forschungszielen bestärkt. Auch wenn mein aktives Berufsleben am Landeszeughaus jetzt zu Ende geht, bleibt der Forschungsauftrag seitens der Landeskommission doch bestehen. Und den möchte ich erfüllen.

 

 Gut für uns! Herzlichen Dank für das Gespräch!

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