28. Juli 2021 / Elisabeth Schlögl
„Als Provenienzforscherin gebe ich ein Stück Familiengeschichte zurück – nicht nur ein Objekt“
Autorinnen: Gabriele Wolf, Elisabeth Schlögl
Bereits 1998 trat in Österreich das Bundesgesetz hinsichtlich der Rückgabe von Kunstgegenständen (Kunstrückgabegesetz) in Kraft, woraufhin umgehend Gesetze bzw. Beschlüsse auf Landesebene folgten. In der Steiermark wurde unter Landeshauptfrau Waltraud Klasnic ein entsprechendes Gesetz verabschiedet (LGBL. Nr. 46/2000), das für Kulturgüter im Eigentum des Landes gilt.
Provenienzforschung widmet sich der Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern und „hat unterschiedliche Dimensionen. Es geht um mehr als um die Beantwortung der Frage nach dem rechtmäßigen Besitz“, veranschaulichte die Referentin Monika Löscher mit zahlreichen Beispielen. Vielfach geht es darum, den Nachkommen ihre Geschichte wieder zurückzugeben. „Ein Durchlauferhitzer, Keramiken, Musikinstrumente oder Bücher ‒ das sind Objekte, die mitten aus der Gesellschaft geraubt wurden in Form von erzwungenen Schenkungen, Enteignungen oder Verkäufen unter tatsächlichem Wert. Der Wert jener Objekte, deren Provenienz erforscht wird, ist nicht das Auswahlkriterium für uns Forscher*innen – auch wenn Provenienzforschung nur dann in den Medien ist, wenn es um große monetäre Werte geht“, bedauerte die Historikerin gleich eingangs.
In regionalen Museen in ganz Österreich ist die Herkunft von Sammlungsobjekten häufig ungeklärt und eine NS-bezogene Provenienzforschung fand bislang kaum statt. Deshalb war Monika Löschers Vortrag umso wichtiger, denn sie gab anhand ausgewählter Beispiele praxisnahe Einblicke in die Provenienzforschung in Österreich. Besonders berührt hat die Geschichte eines Hammerklaviers, das sich seit 1940 in der Sammlung alter Musikinstrumente im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet. Ursprünglich stand es im Wohnzimmer der Familie Gerngross, welche die größten Warenhäuser der Monarchie besaß. Als die Familie das Instrument offiziell verkaufte, wurde der Ankaufspreis jedoch massiv gedrückt. Eine heute in Großbritannien lebende Nachfahrin von Frida Gerngross ‒ diese war unter dem Pseudonym Maria Gardi in der Zwischenkriegszeit als Sängerin bekannt ‒ wurde im Zuge einer Online-Recherche auf diesen Blogbeitrag aufmerksam und bedankte sich bei Monika Löscher für die „Rückgabe ihrer Familiengeschichte“, die ihr selbst nicht mehr bekannt war und für sie von unmessbarem Wert ist. Die Objektgeschichte ist nachzulesen in einem Blogbeitrag von Monika Löscher.
Ein weiteres Beispiel von Provenienzforschung kommt direkt aus der Steiermark. Monika Löscher arbeitet aktuell gemeinsam mit Birgit Johler, Kuratorin des Volkskundemuseums in Graz, daran, ein Provenienzforschungsprojekt im Kammerhofmuseum in Bad Aussee zu initiieren. Im Zuge dessen sollen unter anderem die Trachtenbestände der österreichischen Textil-Großindustriellen Familie Mautner in der Sammlung des Museums erforscht werden.
Neben den Fallbeispielen aus Österreich berichtete Monika Löscher von der vorbildhaften Infrastruktur für Provenienzforschung in Regionalmuseen in Baden-Württemberg, aber auch in Bayern, Hessen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, wo die Forschungsrichtungen einen regelrechten Boom erfahren, was auch mit der dort vorhandenen Förderstruktur zu tun hat. Diese schaut sich das Museumsforum demnächst genauer an und wird darüber berichten.
Die Erfahrungen in Deutschland mit Provenienzforschung in Regionalmuseen zeigen jedenfalls ähnliche Handlungsfelder auf, wie wir sie in der Steiermark bzw. in Österreich bezüglich der allgemeinen Museumsarbeit in Regionalmuseen kennen. Dazu gehört z. B., dass es ein Bewusstsein für die Relevanz von Provenienzforschung erst zu schaffen gilt.
Eine enorme Herausforderung stellt die Betreuung der Museen durch Ehrenamtliche dar, deren Nachfolge und Sammlungsarbeit auf Dauer nicht gewährleistet sind.
Die zunehmend älteren ehrenamtlichen Personen und deren großteils fehlenden Nachfolger*innen sind eine Problemstellung, für die es Lösungen zu finden gilt.
Weitere Problemfelder sind lückenhafte und fehlende Inventare sowie die fehlende flächendeckende Recherchemöglichkeit in Sammlungsdatenbanken.
Als Museumsforum wollen wir uns mit diesen Aufgabenstellungen auseinandersetzen und zumindest für die Steiermark passende Lösungen finden – gerne auch in Form eines gemeinsamen Austauschs mit vergleichbaren Einrichtungen in anderen Bundesländern. Das Interesse der Regionalmuseumsverantwortlichen, die an der Veranstaltung teilgenommen hatten, ist auf jeden Fall groß. Diese Erfahrung hat uns sehr darin bestärkt, dieser Thematik weiter nachzugehen.
Werkstattgespräch: Provenienzforschung in Regionalmuseen – Veranstaltung | Volkskundemuseum (museum-joanneum.at)
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