11. Dezember 2012 / Astrid Aschacher
Lernen mit Bildtafeln
Unterrichtstafeln für einen Erzherzog, Lateinisches Titelblatt
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Es handelt sich dabei um ein Konvolut von kommentierten Bildtafeln, die für die Ausbildung der Erzherzöge erstellt wurden. Ihr Autor war Philipp von Rottenberg, der seit 1758 als Studienleiter bei Erzherzog Ferdinand tätig war. Er schuf mit den vermutlich um 1760 entstanden Grazer Tafeln, die in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien (ÖNB) ein später datiertes und aufwendiger gestaltetes Pendant besitzen, ein beachtliches Werk, dessen Bedeutung dem Autor selbst wohl bewusst war. So schreibt er im Kodizill zu seinem Testament:
…mit dem Troste gehalten, daß nach meinem Todte zugleich aller eitle Missgunst verschwinden, und sich die ächte Gestalt dieses Werkes dereinst in noch hellerem Lichte zeigen werde.“
Dieser Satz war für die Urheberin des Projekts, Marlies Raffler, die Initialzündung zur Bearbeitung dieser Quelle. Sie war bereits in den 1980er-Jahren von Grete Klingenstein in einem Seminar auf die große Bedeutung der Lehrtafeln aufmerksam gemacht worden. Jedoch sollte es noch bis in die 2000er-Jahre dauern, bis sich die Gelegenheit ergab, die Unterrichtstafeln näher zu erforschen. 2009 schließlich schloss sich auf Betreiben der Forscherin eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen, um dieses rare Material zu bearbeiten und es in Form einer wissenschaftlichen Edition für weitere Untersuchungen zugänglich zu machen. Darüber hinausgehend wurden die Tafeln exemplarisch analysiert.
Unterrichtstafeln für einen Erzherzog, Der wahre Glaube |
Der Weg ins Joanneum
Wie die Unterrichtstafeln in den Besitz des Universalmuseum Joanneums gelangt sind, war eine der vielen spannenden Fragen, mit denen sich die Recherchen beschäftigten. Die ursprüngliche, aus der niedrigen Inventarnummer „st.st. Joanneum 10“ fälschlich abgeleitete Vermutung, dass die Tafeln aus dem Privatbesitz Erzherzog Johanns in die von ihm neu begründete Bildungseinrichtung Joanneum gekommen wären, erwies sich als falsche Fährte und konnte anhand des Testaments Philipp von Rottenbergs auch schlüssig wiederlegt werden. Nach diesem wurden die Tafeln Philipps Bruder Christoph vermacht, über den sie dann wohl nach Graz und über noch ungeklärte Wege in den Besitz der Familie Hingenau gelangten, welche diesen unterrichtsgeschichtlichen Schatz 1864 schließlich dem Joanneum überließ.
Die Analyse der Tafeln
Nicht weniger faszinierend als ihre Reise ins Joanneum erwies sich die Beschäftigung mit den Tafeln selbst. Ihre Analyse ergab für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts wichtige Einsichten „in die dauerhafte Ordnung in der dinglichen Welt“, in die Entwicklung eines Fächerkanons sowie in die Ordnung, Hierarchisierung und Präsentation von Wissen im Spannungsfeld von Religion und Wissenschaften. Die Problematik liegt vor allem in der Dichte und Komplexität der Information, welche die detaillierten und mit Rocaillen umrahmten Bilder und Spruchbänder bieten.
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Die Publikation
Die Ergebnisse der Forschung liegen nun in Form eines Sammelbandes vor, dessen Beiträge sich mit den historischen, biografischen, quellenkundlichen, religionsgeschichtlichen und kunsthistorischen Hintergründen genauso beschäftigen wie mit der Erziehung von Prinzen allgemein, der Geschichte einzelner Fächer, mit Fragen der didaktischen Aufbereitung und Alterstauglichkeit des Lehrstoffes sowie mit der Auswahl der Fächer, der Gewichtung von Charakterbildung, der religiösen Erziehung und dem Allgemeinwissen.
Publikation in der Reihe Joannea |
Derzeit ist eine Auswahl von zehn Unterrichtstafeln im Museum im Pais zu sehen.
Veranstaltungstipp
Der Schüler Ferdinand. Unterrichtstafeln für die „jüngeren“ Erzherzöge aus den Sammlungen des Joanneums
Präsentation mit Vorträgen der Herausgeberinnen, 13.12.2012, 19:00 Uhr, Museum im Palais, Sackstraße 16, 8010 Graz
Fotos: UMJ / N. Lackner
Schlagworte: Kulturhistorische Sammlung | Maria Theresia | Sammlungsobjekte