Unbekannter Fotograf, Anton Köle (in der Mitte) posiert mit der Belegschaft seiner Brauerei, 1903, Archiv Museumsverein Judenburg

24. Oktober 2017 / Walter Feldbacher

Landesaufnahme(n): Vergessene Brauereien im Bezirk Murtal – Paulus, Grünhübl, Farrach

Kunst- & Naturvermittlung | Museumseinblicke | Neue Galerie mit BRUSEUM

Im Rahmen des Projekts „Landesaufnahme – Steirische Wirtschaftsgeschichte in Foto-, Film- und Tondokumenten seit 1850“ begaben sich die Multimedialen Sammlungen diesmal im Raum Judenburg auf eine medienhistorische Spurensuche, und zwar nach längst nicht mehr bestehenden Brauereibetrieben. Bei ihren Recherchen wurden sie erfreulicherweise vom Museumsverein Judenburg und den Regionalhistorikern Ingomar Gröbl (Zeltweg) und Philipp Stellnberger (Judenburg) unterstützt.

Seit dem Spätmittelalter besaßen die Judenburger Bürger das Recht, Bier zu brauen und auszuschenken. Eine reale Brauereigerechtsame war seit 1650 auch mit dem Haus Kaserngasse 7 verbunden, das von 1881 bis 1910 der letzten Judenburger Brauerfamilie Paulus gehörte. Franz Paulus (1864–1922) hatte das Brauhaus gemeinsam mit seinem Bruder Eduard käuflich erworben, ab 1899 ist er als Alleineigentümer eingetragen.

Unbekannter Fotograf, Brauerei Gebrüder Paulus mit Restauration, um 1895, Archiv Museumsverein Judenburg

Unbekannter Fotograf, Franz Paulus, Brauereibesitzer in Judenburg, um 1900, Archiv Museumsverein Judenburg

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich allmählich der Weg von Gastwirtschaften mit Braubetrieb zur fabriksmäßigen Biererzeugung abzuzeichnen, das Bierbrauen wurde in der Folge somit weitgehend industrialisiert. Die Brauereien Gebrüder Paulus (Judenburg, Kaserngasse 7), Grünhübl bei Judenburg und Farrach bei Zeltweg zählten jedenfalls um 1900 zu den bedeutendsten Bierbrauereien in der Region.

Doch Fusionen auf dem Brausektor sind nicht nur Erscheinungen unserer Zeit, schon damals wurde heftig um Marktanteile und Liefermengen gewetteifert.

1910 verkaufte Franz Paulus seine altehrwürdige Brauerei in der Kaserngasse schließlich an die Großbrauerei Göss bei Leoben. Der Arbeiterwille vom 29. Juni 1910 meldet, „dass die Brauerei Paulus am 27. Juni ihr letztes Faßl ausgestoßen hat“, und fügt hinzu: „Judenburg besitzt eine zweite Brauerei (Anm.: Brauerei Köle/Grünhübl), welche ebenfalls gegen die Konkurrenz der großen Brauereien zu kämpfen hat.“

In Grünhübl, einst Standort des alten Judenburger Hochgerichtes, ist zwar bereits 1820 eine Brauerei nachgewiesen, die fabriksmäßige Biererzeugung beginnt aber auch hier erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Brauerei- und Realitätenbesitzer Mathias Haberl sen. übernahm die Brauerei Grünhübl von Sebastian Gragger im Jahre 1869, sein Sohn Mathias Haberl jun. gründete mit der Brauereigesellschaft M. Haberl im Jahre 1894 schließlich eine eigene Brauereigesellschaft, die vom Realitätenbesitzer Anton Köle als „Brauerei Grünhübl“ weitergeführt wurde.

Am 25.11.1897 beklagt der Arbeiterwille die Arbeitsbedingungen in der Brauerei des Herrn Köle: „Die Löhne der Brauer im Verhältnis zur Arbeitsdauer spotten der Gerechtigkeit, denn für Sonntagsarbeit und Überstunden wird überhaupt nichts bezahlt. Ebenso ergeht es dem Maschinisten.“

Im August 1910 verkaufte schließlich Anton Köle die Brauerei Grünhübl samt dazugehörender Gastwirtschaft an die Brauerei-Aktiengesellschaft Brüder Reininghaus in Graz. Da einige Monate zuvor die Großbrauerei Göss die Brauerei Paulus übernommen hatte, endete hiermit die seit 1462 bestehende Brautradition in der Stadt Judenburg.

Das Grazer Volksblatt vom 1.11.1910 berichtet hierzu:

„Ende unseres Brauhauses: Die Bierbrauerei Köle in Grünhübl, welche von der Firma Brüder Reininghaus in Graz-Steinfeld käuflich erworben wurde, bleibt zwar vorläufig unter der Leitung des früheren Besitzers Herrn Köle in Betrieb, aber bloß bis zum Frühjahr 1911, da sodann die Biererzeugung nach Aufarbeitung der vorhandenen Malz- und Hopfenvorräte gänzlich eingestellt wird.“

Auf dem Areal rund um Schloss Farrach bei Zeltweg wurde im Geist der Gründerzeit in den Jahren 1872 bis 1875 eine neue Großbrauerei errichtet. Auch dabei waren Judenburger Bürger – eine Initiative des Konsortiums der „Ersten Steirischen Brauereigesellschaft Judenburg 1876“ um Johann Grogger – entscheidend beteiligt.

Unbekannter Fotograf, Gründungsmitglieder der „Ersten Steirischen Brauereigesellschaft Judenburg“, 1876, Archiv Museumsverein Judenburg

Postkarte, Verlag Andreas Kreiner (Zeltweg), Brauerei Farrach (Ansicht 1878), um 1900, Archiv Museumsverein Judenburg

Bereits 1879 kam es jedoch zur Versteigerung, bei welcher die Gemeindesparkasse in Graz den Betrieb erwarb und bis 1886 führte. Die weiteren Besitzer waren bis 1891 Leopold Löwy, bis 1897 die „Erste Brauerei & Malzfabrik Actien Gesellschaft“ in Graz. Am 24.11.1897 erwarb die Gösser Brauerei AG unter Max Kober um 335.178 Gulden und 64 Kronen die Brauerei und fusionierte sie mit dem Stammsitz in Göss. Am Standort Farrach wurde der Brauereibetrieb 1908 endgültig eingestellt.

Erwähnt sei, dass auch die Gründung von Zeltwegs ältester Feuerwehr, der Freiwilligen Feuerwehr Farrach, auf die Initiative eines Brauereidirektors zurückgeht. Der Verwalter der Brauerei und Zeltweger Gemeinderat Andreas Ritter von Gallati gründete nämlich am 12.02.1897 die Freiwillige Feuerwehr Farrach und wurde auch zum ersten Hauptmann gewählt. Die Feuerwehr blieb bis zum Jahr 1920 auf dem Schlossgelände stationiert.

Unbekannter Fotograf, Freiwillige Feuerwehr Farrach auf dem Brauereigelände, 1897, Archiv FF Farrach – Repro Gröbl (Zeltweg)

„Bierverteuerung und Bierboykott“

Die Brauerei Farrach ist nicht zuletzt einem Konsumentenboykott erlegen, der als Antwort auf eine Bierpreiserhöhung 1908 ausgerufen worden war. Vielen kleineren Brauereigesellschaften hat diese Bierverteuerung immens geschadet. Seitens der Arbeiterbewegung wurde der Vorwurf laut, dass sich diese von den Großbrauereien dazu verleiten lassen haben. Die Bierpreiserhöhung wurde sogar als willkommenes Mittel gesehen, um die Kleinbrauereien nachhaltig vom Markt zu verdrängen.

Die Wirtshausbesuche gingen tatsächlich rapide zurück, die Stockungen in der Produktion waren enorm, so auch bei den Brauereien Paulus, Grünhübl und Farrach.

Aus allen Landesteilen wird vermeldet, dass vor allem die Arbeiterschaft den Bierboykott streng befolgt und zahlreiche Protestversammlungen abgehalten werden.

Der Arbeiterwille vom 10. Juli 1908 jubelt:

„Mit einer Strammheit wird die Enthaltung vom Bier im ganze Land durchgeführt, daß es eine wahre Freude ist.“

Und es wird noch weiter ausgeführt:

„Über den Rückgang des Bierkonsums wird aus der Brauerei Puntigam berichtet, daß dort täglich um 10.000 Liter Bier weniger ausgestoßen werden als früher. Auch in der Brauerei Reininghaus: Wurden früher bis zu 40 Waggon Bier in die Provinz verschickt, sind es jetzt täglich vier, und von denen kommen noch fast die Hälfte zurück.“

 

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