22. Juli 2015 / Hannah Lackner

Effekte aus dem Untergrund #Genauerhinsehen

Kunst- & Naturvermittlung | Museumseinblicke | Neue Galerie mit BRUSEUM

Während im letzten Bericht unserer Serie "Genauer Hinsehen" der Fokus auf Gemälde und Zierrahmen als untrennbare Einheit gesetzt war, zeigt unser Chefrestaurator Paul-Bernhard Eipper diesmal faszinierende Aspekte zur Grundierung auf.

 

Die Grundierung von Gemälden hat im Laufe der Geschichte verschiedene Moden durchlaufen. Galt eine sichtbare Grundierung in der Gotik noch als maltechnischer Fehler, wurde dieses Vorgehen in den vergangenen 150 Jahren bewusst und stilbildend eingesetzt.

 

 

Meistens erfüllt sie ihren Zweck unter Farbschichten verborgen: Die Grundierung eines Gemäldes liegt über dem Trägermaterial (Holz, Leinwand, Jute etc.) und unter der darüber aufgetragenen Farbe. Sie glättet den Untergrund, dämpft dessen Textur und verankert die Malschichten auf dem Träger – doch sie muss nicht immer weiß sein!

Die Farbe der Grundierung wurde sehr oft von Künstlern mit Bedacht gewählt: Michelangelo (1475–1564) färbte die Untermalung unterhalb von sogenannten Inkarnatpartien („Fleischfarbe“) mit der Erdfarbe Umbra, barocke Künstler bevorzugten überwiegend satt rötlich eingefärbte Grundierungsmassen. Kühle, grau eingefärbte Grundierungen verliehen klassizistischen Porträts einen vornehm-blassen Hautton. Erst seit 1850, als Leinwände bereits industriell vorgrundiert wurden, dominiert der weiße Kreidegrund.

 

Michelangelo Buonarroti (1475–1564): „Maria mit Jesus- und Johannesknaben (Madonna Manchester)“, unvollendet, um 1497, Tempera/Holz, mit partieller Untermalung bei Inkarnatpartien auf weißer Grundierung (Abb.: National Gallery, London; wikimedia commons).

Michelangelo Buonarroti (1475–1564): „Maria mit Jesus- und Johannesknaben (Madonna Manchester)“, unvollendet, um 1497, Tempera/Holz, mit partieller Untermalung bei Inkarnatpartien auf weißer Grundierung (Abb.: National Gallery, London; wikimedia commons).

Spiel mit Kontrasten

Wird die Grundierung sichtbar „stehengelassen“ – werden auf ihr also keine weiteren Farbschichten aufgetragen – kann dies zum Beispiel Spielraum für die Gestaltung von Lichteffekten geben, wie es etwa die Impressionisten in ihrer Landschaftsmalerei getan haben. Auch Egon Schiele (1890–1918) wählte seine Grundierung mit Bedacht: Magere Kreidegrundschichten erzeugten einen brüchigen Malgrund, den er teilweise stehen ließ. Die Grazer Künstlerin Norbertine Bresslern-Roth (1891–1978) – bekannt für ihre faszinierenden Tierdarstellungen – machte sich die Grundierung zunutze, um ihren Gemälden jene freskoartige Wirkung zu geben, die in den 20er-Jahren modern war.

In der zeitgenössischen Kunst werden oft Acrylgründe eingesetzt und auch gerne als solche stehen gelassen – etwa, um mit dem Kontrast zwischen der matten Acrylgrundierung und glänzenden Ölfarben zu spielen. Dieser „Materialmix“ erschwert allerdings die Erhaltung der Kunstwerke, denn jedes Material reagiert im Laufe der Zeit anders, was zu verschieden ausgeprägten Spannungen und Verschmutzungen etc. führen kann. Das wiederum erschwert Restaurierungsmaßnahmen.

 

 

Unverträglichkeiten

Doch nicht nur der Untergrund einer Malerei prägt die Wirkung eines Werkes, sondern auch sein Überzug – der Firnis. War es noch im Barock üblich, Gemälde mit einem Firnis zu überziehen, der die Oberfläche schützt und den Farben Tiefe verleiht, erweist es sich als fatal, etwa impressionistische Bilder mit stehengelassener Grundierung nachträglich zu firnissen: Diese saugt sich nämlich mit dem Überzugsmaterial voll und vergilbt. Das Resultat einer solchen Maßnahme weicht naturgemäß beträchtlich von der künstlerischen Intention ab.

 

 

Zeitgenössisches Gemälde: auf den empfindlichen Oberflächen ist Schmutz sofort sichtbar: Fingerabdruck; Foto: Paul-Bernhard Eipper

Zeitgenössisches Gemälde: auf den empfindlichen Oberflächen ist Schmutz sofort sichtbar: Fingerabdruck; Foto: Paul-Bernhard Eipper

 

Text: Paul-Bernhard Eipper
Bearbeitung: Hannah Lackner

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