Big Wirbel. Zweieinhalb Tage Programm im ganzen Kunsthaus Graz, das sich rund um das Textile dreht.

30. März 2017 / Monika Holzer-Kernbichler

BIG WIRBEL im Kunsthaus Graz

Kunst- & Naturvermittlung | Kunsthaus Graz

Von 21. bis 23. April 2017 findet im Kunsthaus Graz zum ersten Mal der „Big Wirbel“ statt. Er löst einerseits den erfolgreichen, von der Kunstvermittlung im Kunsthaus Graz initiierten „Big Draw Graz“ ab, und andererseits auch den „Wirbel in der Bubble“, das große Kinderfest, das seit vielen Jahren im Kunsthaus Graz stattgefunden hat. Das Erfolgskonzept dieser beiden Veranstaltungen wird mit dem „Big Wirbel“ weiterentwickelt.

Für diese Veränderung gibt es mehrere Gründe: Im Herbst – in dem das internationale Festival „Big Draw“ stattfindet – gibt es in Graz generell ein großes kulturelles Angebot. So große Veranstaltungen für nur einen Tag aufzubauen, ist zudem für alle Beteiligten ein großer Aufwand. Dem Grundgedanken dieser Veranstaltungen wollen wir aber treu bleiben. Es gilt ein Programm aufzustellen, dass Jung und Alt, Familien und “Freaks” gleichermaßen zu involvieren vermag.

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, jedes Jahr ein ganzes Wochenende lang unter dem Motto „Material und Technik” ein anregendes Programm zum Mitmachen, Ausprobieren, Zuschauen, aber auch zum Mitreden zu gestalten.

Das Textile

Herausgekommen sind nun zweieinhalb Tage Programm im ganzen Kunsthaus Graz, das sich 2017 rund um das Textile drehen wird. Unter dem Titel „Strich und Faden” versammeln wir heuer Künstlerinnen und Kreative, Modeschaffende, Wissenschaftler/innen und Handwerkerinnen unter einem Dach.

Das Textile als Material zu wählen, lag mit der Ausstellung von Erwin Wurm im Kunsthaus Graz fast auf der Hand.

Ansicht “Erwin Wurm”, 2017,
Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner, © Bildrecht, Wien 2017

Ansicht “Erwin Wurm”, 2017, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner, © Bildrecht, Wien 2017

Die Motivation, diesem Material so große Aufmerksamkeit zu schenken, reicht aber viel weiter: In der Bildungsarbeit und Kunstvermittlung im Kunsthaus Graz, aber auch in der Neuen Galerie Graz, sind wir im regelmäßigen Kontakt mit Pädagoginnen und Pädagogen, die uns immer häufiger berichten, wie die motorischen Fähigkeiten von Kindern abnehmen.

Es ist keine Seltenheit mehr, dass Kinder keine Masche binden können, mit Scheren nicht gut umgehen können und angesichts solcher Defizite auch Nadel und Faden nicht selbstverständlich in einen logischen Sinnzusammenhang bringen.

Gleichzeitig scheint eine Zusammenlegung von textilem und technischem Werken im Schulunterricht unaufhaltsam zu sein. Statt die motorischen Fähigkeiten zu fördern, wird der Unterricht im kreativen, handwerklichen und auch praktischen Schaffen minimiert. Digitale Medien erobern stattdessen den Unterricht. Warnend wird allerdings auch schon von der „digitalen Demenz“ gesprochen, die immer breitere Kreise zu ziehen scheint und nicht nur die Jüngsten unter uns betrifft.

Vergessen und verlernt werden dabei nicht nur kulturtechnische Fähigkeiten, sondern auch die Tatsache, wie wichtig das konkrete körperliche Tun auch für das Gehirn und seine Entwicklung (in jedem Alter!) ist.

Radfahren kann man nicht mit YouTube lernen. Man muss sich auf das Fahrrad setzen und es so lange üben, bis man es kann. Genauso ist es mit vielen anderen Fähigkeiten. Man muss viele Dinge einfach tun, um sie tatsächlich zu verstehen.

Was hat das nun mit uns im Kunsthaus zu tun?

Nun ja, ich verstehe unsere Aufgabe hier als eine, die gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigt und zur Diskussion stellt. Zeitgenössische Kunst ist dabei die zentrale Schnittstelle. Als ich mit dem Team der Kunstvermittlung in die Diskussion um unser neues Veranstaltungsformat ging, war relativ rasch klar, dass wir nicht nur das Praktische thematisieren wollen, sondern auch eine theoretische Reflexionsebene einziehen wollen. Damit haben wir nun fast ein kleines Festival geschaffen.

BIG WIRBEL – Ein “kleines” Festival

Das Programm von „Big Wirbel. Strich und Faden“, lädt dazu ein, Neues rund ums Textile in Kunst, Mode und Gesellschaft zu entdecken. Wir starten deshalb schon am Freitag um 17 Uhr mit Kurzvorträgen und Diskussionen rund um die Frage „Was ziehe ich an?“ Mode, Kunst und globale Produktionsbedingungen stehen dabei im Zentrum. Am Samstagabend setzen wir diesen kritischen Nachdenkprozess fort, wenn wir mit dem „UniKino“ gemeinsam zum Filmabend einladen, um uns die sehenswerte Doku The True Cost anzusehen und anschließend mit dem renommierten Grazer Ethiker Univ.-Prof. Dr. Kurt Remele darüber zu diskutieren.

The True Cost, © Bullfrog Communities

Foto: Universalmuseum Joanneum / W. Deutsch

Was bedeutet es, wenn T-Shirts, Hosen etc. nur mehr kurzlebige Wegwerfware sind, Wäschekästen übergehen und kaum etwas mehrfach angezogen wird – weil es ein modisches No-go ist oder weil das Teil oft auch gar nicht mehr viel länger hält?

Bekleidung ist billig geworden und wird deshalb bei Mängeln auch meist gleich entsorgt. Mit einem fair bezahlten Preis hat sie auch ihre Wertschätzung verloren. Allerdings bleibt für das Flicken, Stopfen oder Reparieren in einem schnell getakteten Arbeitsleben keine Zeit mehr. Die Gesetze der Ökonomie sind global verschränkte und für viele Bereiche und Gegenden folgenreiche. Ein Leben mit raschlebigen Produkten erzeugt allerdings nicht nur Unmengen von Müll, sondern auch Abhängigkeiten.

Zum Mitmachen

Unser Programm zum Mitmachen zeigt im Erdgeschoss Gegenströmungen auf. Kleine, lokale Betriebe präsentieren sich und zeigen, wie man selbst tätig werden kann. Schüler/innen der Modeschule demonstrieren die vielen Arbeitsschritte, die notwendig sind, um von einer zweidimensionalen Idee zu einem tragbaren Kleidungsstück zu kommen. In der Garderobe wollen wir gemeinsam mit dem Modezirkus unsere Kästen räumen und zum Kleidertauschen anstelle von Wegwerfen anregen.

Foto: Kunstvermittlung, Universalmuseum Joanneum/ Kunsthaus Graz

Modezirkus, Foto: Elisa Teichtmeister

Das Künstlerische darf an so einem Tag allerdings auch nicht zu kurz kommen. In der Needle werden deshalb Kunstprojekte vorgestellt, die beweisen, dass man mit Schere, Nadel, Faden und Nähmaschine auch Dinge erschaffen kann, die völlig neue Welten eröffnen oder es ermöglichen, diese anders zu sehen. Bei der Programmgestaltung war es uns aber auch von Anfang an wichtig, dass auch Kinder auf ihre Rechnung kommen –  für sie gibt es einen eigenen Programmpunkt im Space03.

Also: Mitmachen, Mitdenken und Mitreden ist erbeten!

Videos zur Einstimmung

Zur Einstimmung besuchen wir nun alle Teilnehmenden und bitten sie zum kurzen Interview. Die dabei entstanden kurzen Videos zeigen wir alle hier auf diesem Blog. “Klappe, die Erste” ist der Hutmacherin Karin Krahl-Wichmann von der Hutmanufaktur KEPKA gewidmet.

Foto: KEPKA

Gibt es Fragen?

Dann melden Sie sich bei uns unter info-kh@museum-joanneum.at

Infos

www.bigwirbel.at

Kategorie: Kunst- & Naturvermittlung | Kunsthaus Graz
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