16. Mai 2016 / Marion Kirbis
Wir sind da! Teil 2
Etwas in Bronze zu gießen heißt sich erinnern
Die bronzenen Porträtbüsten der Könige und Königinnen in Palastanlagen und Schreinen sind Teil einer ausgeprägten Erinnerungskultur. Der Gießvorgang der Köpfe lässt gewissermaßen die Zeit erstarren und gibt den Geschichten der Menschen eine fassbare Form. Sie erhalten die Verstorbenen dauerhaft präsent und dienen, ähnlich wie die gemalten Ahnengalerien in europäischen Herrscherhäusern, dem Gedenken an sie. Besonders deutlich wird die Bedeutung der Büsten in der im Königreich Benin gesprochenen Edo-Sprache. Das Wort „erinnern“ wird nämlich wörtlich mit „in Bronze gießen“ übersetzt.
Ogiamien hat diese Form des Erinnerns und Gedenkens an Verstorbene vom Sockel der Herrscherhäuser geholt und sie in seine neue Heimat Graz und die Lebensrealität hier lebender nigerianischer Landsleute transferiert. Bei seinem Projekt Agony of the Beloved geht es nicht um Könige und Königinnen, sondern um die Erinnerung an einfache Menschen. Menschen wie Sofia, Lucky und Kennedy, die vor geraumer Zeit aus Nigeria emigriert sind und in Graz eine neue Heimat gefunden haben, wo ihr Leben schließlich zu Ende ging. Ogiamien erinnert mit Büsten dieser drei Leute nicht nur an ihre Körper, sondern setzt ihren Erfahrungen, Hoffnungen, Träumen und Schicksalen ein Denkmal.
Mit Sofias, Luckys und Kennedys Gedenkbüsten ritualisiert Ogiamien den Tod einfacher Menschen auf die gleiche Art wie den eines Königs. In diesem Demokratisierungs- und Öffnungsprozess ist nicht mehr der Stand eines Menschen dafür verantwortlich, ob man sich an ihn erinnert. Ogiamien gibt seinen Landsleuten mit seiner Kunst die verdiente Würde als Individuen in einem sozialen Zusammenhang zurück und weist sie durch den rituellen Kontext der Bronzebüsten als bedeutsam aus.
Die rituelle Bekundung „Yaruya“ erhält mit Ogiamiens Arbeit eine neue Bedeutung. Sie wird zum hörbaren Zeichen derer, die nach Österreich gekommen und als Tote hier geblieben sind und zeugt von der Suche nach einer Identität zwischen zwei Kulturen.
OHA: Yaruya. Der Bildhauer Samson Ogiamien zwischen afrikanischer Tradition und europäischer Realität
Laufzeit: 05.05.–02.06.2016
Im Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz
Eintritt frei!
Schlagworte: Offenes Haus | Open House