5. Juni 2015 / Theresa Wakonig
„Das Mikroplastik landet wieder direkt in unsere Mägen“
Welche Maßnahmen können auf wirtschaftlicher Ebene getroffen werden, um die Verschmutzung zu verringern?
Ich wäre dafür, dass man Plastiktüten verbietet. Auf jeden Fall die leichten Säcke, die nur einmal gebraucht werden und die besonders gerne herumfliegen. Sind wir doch realistisch: Auch die anderen Plastiktüten werden nicht dauerhaft gebraucht, bis sie zerfallen, sondern ebenfalls nur ein, zwei, vielleicht drei Mal. Wir sollten auch Lebensmittelverpackungen überdenken: Es gibt Dinge, die müssen verpackt sein. Vor allem Flüssigkeiten. Ich verstehe aber nicht, warum eine Bio-Zucchini in einen Plastiksack eingeschweißt werden muss. Auch müsste es in unserer Gesellschaft wieder mehr Vertrauen geben. Wenn man an der offenen Theke vier Äpfel nimmt, sollte es genügen, sie auf die Waage zu legen und das Etikett auf einen Apfel zu kleben, anstatt sie in einen Plastiksack zu geben. Das sind sehr einfache Dinge, wo es nicht so schwer wäre, etwas zu bewegen.
Wie stehen Sie zur Arbeit von NGOs zu dem Thema?
Äußerst positiv. Das sind diejenigen, die das Thema schon lange aufgegriffen haben, die wirklich aufklären, Aktionen machen und Menschen einbinden. Wir haben viel mit dem Nabu in Deutschland gearbeitet. Ich war sehr beeindruckt von dem, was die auf die Beine stellen, auch in welcher Art und Weise sie aufklären und über das Thema kommunizieren. Ich finde diese Offenheit und dieses Aufklärungsangebot toll. Man sollte die Menschen nicht belehren, sodass sie sich gegängelt fühlen. Auch viele andere machen da wirklich wertvolle Arbeit.
Fällt Ihnen ein konkretes Beispiel ein? Eine Kampagne oder eine Aktion?
Die Plastik-Sammeltage zum Beispiel, die in verschiedenen Ländern stattfinden. Ich war bei einer Aktion in Sylt dabei, sie wurde gemeinsam mit der Surfrider Foundation organisiert. Im Internet bekommt man mit, wie Menschen an verschiedenen Stränden der Welt genau das Gleiche tun – nämlich Plastik zu sammeln. Das empfinde ich als ein starkes Zeichen – abgesehen davon, dass die Strände anschließend sauberer sind. Das Mikroplastik-Problem bekommt man so natürlich nicht in den Griff. Aber die größeren Teile sind wenigstens weg.
Kann man Mikroplastik aus dem Abwasser filtern?
Da stellt sich die Frage, ob wir dann überhaupt noch Abwasser durchkriegen, das mit Seife angereichert ist. Mikroplastik ist kleiner als 5 Mikrometer im Durchmesser. Die Filter ließen sich schon noch verbessern. Sowohl in den Haushaltsmaschinen als auch in den Wasseraufbereitungsanlagen. Alles wird man aber nicht auffangen können. Mir wäre es auch wirklich lieber, das Problem von einer anderen Seite anzupacken. Wieso müssen beispielsweise Plastikkügelchen in Peeling-Produkten sein? Das kann man leicht durch natürliche Stoffe ersetzen. Aprikosenkerne essen wir nicht, aber natürlich die Aprikosen. Die Kerne können wir also wunderbar zu Kosmetika verarbeiten. Solche Beispiele gibt es viele. Ich würde einen ganzheitlichen Ansatz sinnvoller finden.
Viele Plastikprodukte enthalten Stoffe, die für die menschliche Gesundheit schädlich sind. Sind diese auf Verpackungen ausreichend gekennzeichnet?
Nein. Deshalb haben wir den Teil „Materialkunde – Kunststoffe“ in der Ausstellung gemacht. Das Problem ist: Man sieht auf Verpackungen dieses Dreieck mit Pfeilen. Darin steht eine Zahl und vielleicht noch eine Abkürzung, die den Kunststoff definiert. Wer von uns versteht das? Dann muss man noch nachlesen, welche Zusatzstoffe die Produkte enthalten können und wie sie sich beim Recycling verhalten. Problematisch sind auf jeden Fall jene Kunststoffe, die Zusatzstoffe wie Phthalate (Anm. d. Autorin: Weichmacher) oder Bisphenol A, kurz BPA, enthalten. Beide Stoffe sind hormonell wirksam. Sie wirken sich somit auf die Reproduktion aus und sind sehr schädlich, vor allem für Babys und Kinder. Ein Computerkabel zum Beispiel, das mit einem Weichmacher behandelt ist, dunstet laufend Schadstoffe in Ihre Wohnumgebung aus. Das kann doch bitteschön nicht gesund sein! Auf Produkten ist häufig gekennzeichnet, dass sie phthlalatfrei oder BPA-frei sind; da lohnt es sich, darauf zu achten und auch zwei Euro mehr auszugeben, um diesen Stoffen aus dem Weg zu gehen. Das andere Problem ist natürlich jenes Mikroplastik, das durch die Nahrungskette wieder bei uns ankommt. Dem aus dem Weg zu gehen, ist wirklich sehr schwer. Wir kennen das ja: Kaum weicht man einem Problem aus, stolpert man in ein anderes hinein. Auf dem Mikroplastik reichern sich die Schadstoffe kumulativ an – so ein Körnchen wird auf Dauer immer giftiger.
Glauben Sie, dass sich in den nächsten Jahren in Europa etwas ändern wird, dass das Problembewusstsein zunimmt?
Wir haben 2010 mit der Arbeit an der Ausstellung begonnen. Insofern habe ich das Phänomen in den letzten fünf Jahren mit größerer Aufmerksamkeit verfolgt. Es gibt viel darüber in der Presse, es gibt regelmäßig Berichte und aufrüttelnde Filme, das erreicht dann eine immer größere Öffentlichkeit. Auch die Ausstellung hat viele Menschen erreicht, nach neuesten Statistiken waren es 270.000 Besucherinnen und Besucher. Ich hoffe, dass das auf Dauer etwas bewegt.
Welcher Teil der Ausstellung gefällt Ihnen am besten?
Die zentrale Installation – der Plastikmüllberg – ist genial, weil sie uns emotional packt. Bei vielen Besucherinnen und Besuchern hat sie die Entdeckerlust geweckt, sich anzuschauen, was da überhaupt drinnen ist. Das ist sicher ein gelungener Auftakt. Auch die Aspekte, was in und mit den Meeren passiert, sind essenziell für die Ausstellung. Normalerweise sind Ausstellungen an dieser Stelle zu Ende. Die Besucherinnen und Besucher sind dann im besten Fall sehr beeindruckt, haben aber keine Ahnung, wie sie zur Lösung des Problems beitragen können. Deshalb finde ich auch jene Bereiche der Ausstellung so wichtig, welche den Menschen Möglichkeiten zum Handeln in die Hand geben.
Angeli Sachs ist Leiterin des Studiengangs „Master of Arts in Art Education“ und der Vertiefung „ausstellen & vermitteln“ an der Zürcher Hochschule der Künste sowie Kuratorin am Museum für Gestaltung Zürich. Sie hat Kunstgeschichte, Germanistik und Soziologie an den Universitäten von Augsburg und Frankfurt am Main studiert.
Schlagworte: Interview
hrsc
hier eine kleine Stoff- und Hyperlinksammlung zu dieser unangenehmen Problematik : http://sensiblochamaeleon.blogspot.de/2015/07/mikroplastik.html
Maria
Ich denke auch, dass es nicht darum geht, bessere Filter zu installieren sondern Mikroplastik in Kosmetikprodukten zu verbieten.
Es gibt so viele einfache Möglichkeiten Plastik zu vermeiden, ohne dass die Lebensqualität oder die der Lebensmittel darunter leidet – im Gegenteil!
lg
Maria