15. März 2013 / Martin Unruh
Wie kommt das Steinkitz ins Aquarium?
Wie kommt das Steinkitz ins Aquarium?
Nicht nur das Naturkundemuseum hat ein neues, moderneres Gesicht erhalten, auch hinter den Kulissen in den Präparationswerkstätten hat sich in den letzten Jahren vieles getan. Neben der Restaurierung und Erhaltung von historischen Präparaten stand die Präparation von neuen Objekten für die Ausstellung im Mittelpunkt.
Um die im Titel gestellte Frage zu beantworten, muss man wissen, dass heutzutage keine „Stopfpräparate“ mehr hergestellt, sondern neue Techniken angewendet, erprobt und weiter entwickelt werden – immer mit dem Ziel, dem Original möglichst nahe zu kommen und eine Langzeitkonservierung zu gewährleisten.
Eine dieser Techniken ist die Tränkung von biologischen Objekten mit Polyethylenglykol (PEG). Diese Methode wird in der anatomischen, zoologischen und archäologischen Konservierung genutzt. In der zoologischen Präparation wird PEG mit einem Molekulargewicht von 1.500 in drei verschiedenen Lösungskonzentrationen verwendet. Dazu wird PEG 1500, welches bei 20°C eine wachsartige Festigkeit – ähnlich einer Kerze – besitzt, im Wärmeschrank eingeschmolzen. Mit dieser Schmelze werden drei Bäder angesetzt: PEG 1500 + Wasser im Verhältnis 1:1, 1,5:1 und 2:1.
Präparation des Steinkitzes
Das weibliche Kitz stammt aus dem Nachzuchtprogramm des Alpenzoos Innsbruck, dort ist es im Alter von 2 Tagen von einem Felsen abgestürzt und verendet. Zwischenzeitlich in Innsbruck eingefroren und in der Präparationswerkstatt in Graz angekommen, wurden die Daten des Tieres erfasst (Wiegen, Vermessen, Geschlechts- und Altersbestimmung, Klärung der Todesursache, zeichnerische und fotografische Dokumentation sowie digitale Erfassung).
Als erster präparatorischer Schritt musste das Steinkitz in der gewünschten Haltung montiert werden. Dazu wurde der Tierkörper auf einer Hartschaumplatte mit Nadeln und Draht in Stellung gebracht und durch Injektionen von dreiprozentiger Formalinlösung fixiert. Die Fixierung ist der wichtigste Arbeitsschritt und erlaubt keine Fehler, da die Härtung des Gewebes durch Formalin spätere Stellungskorrekturen kaum noch möglich macht. Sämtliche Details wie Nase, Ohren, Augenlider, Muskulatur etc. – im Fall des Steinkitzes konnte auch die Nabelschnur erhalten werden – wurden ausgearbeitet, indem mit sehr dünnen Kanülen Formalinlösung injiziert und die Stellen von außen mit konzentrierter Formalinlösung eingepinselt wurden. Gerbung und Fixierung waren erreicht.
Anschließend wurde das Kitz für mehrere Wochen komplett in der dreiprozentigen Formalinlösung (im Aquarium) konserviert, danach die inneren Organe entfernt, die Körperhöhle mit Gips gefüllt und Glasaugen eingesetzt. In den nachfolgenden PEG-Bädern verblieb es jeweils für 3 Monate. Während dieses Tränkungsprozesses soll möglichst viel Gewebewasser im Präparat verdrängt und durch PEG ersetzt werden, deshalb verwendet man die Bäder in aufsteigender Lösungskonzentration.
Nach jedem Bad wurde das Kitz kurz abgespült und getrocknet, um so eine Verschleppung des PEG in die nächsthöhere Stufe zu minimieren.
Nach erfolgter Durchtränkung wurde das Objekt der letzten Stufe entnommen und luftdicht verpackt, um überschüssiges PEG ablaufen zu lassen. Dann waren einige Tage Lagerung in der Gefriertruhe bzw. im Kühlschrank hilfreich, um das PEG erstarren zu lassen und ein Auslaufen aus eventuell vorhandenen Einstichstellen der Kanülen zu verhindern.
Das Präparat wurde danach erneut kurz abgebraust, mit Druckluft grob getrocknet und kurz in Aceton geschwenkt, um Wasser und PEG aus dem Haarkleid zu entfernen.< Das anschließende Einbetten des Präparates in Kartoffelstärke diente dazu, um weitere Reste von Wasser und PEG aus dem Fell zu lösen; durch anschließendes Ausklopfen der Kartoffelstärke und das Ausblasen der Haare mit schwacher Druckluft erreicht man ein Aufstellen der Wollhaare. Ein natürliches Volumen kann auf diese Weise erhalten werden – im Unterschied zu einer durch Gerbung konservierten Haut, welche beim Trocknungsprozess 10 bis 15 % ihres Volumens verliert. [caption id="" align="aligncenter" width="320"] Einbetten des Präparates: Das Steinkitz wird mit Kartoffelstärke komplett ummantelt, um PEG und Wasser aus dem Fell zu entfernen., Foto: UMJ[/caption]
Das (fast) fertige Präparat wurde erneut auf einer Unterlage festgesteckt und sehr langsam und schonend getrocknet. Am besten geschieht dies möglichst kühl und mit nicht zu geringer Luftfeuchtigkeit in einem Kühlschrank. Der langsame Trocknungsvorgang ist wichtig, um Schrumpfungen hintan zu halten.
Während der Endtrocknung härtet das PEG im Inneren des Präparates aus und stabilisiert das Objektvolumen. Der Vorgang des Einbettens in Kartoffelstärke, des Ausklopfens und Ausblasens mit Druckluft erfolgte während der nachfolgenden Tage mehrmals.
Der letzte Arbeitsschritt ist das „Finishen“ des Objekts: Augenlider wurden nachmodelliert, nackte Hautpartien an Lippen, Nase, Ohren und Augen koloriert. Auf einem Felsen montiert wartet das fertiggestellte Habituspräparat nun darauf, ausgestellt zu werden.
Alles klar? Dann nichts wie hin ins Naturkundemuseum.
Öffnungszeiten: Di–So 10-17 Uhr
Schlagworte: Studienzentrum Naturkunde