22. Dezember 2015 / Elisabeth Kure

Von der Kunst des Schreibens

Kunst- & Naturvermittlung | Kunsthaus Graz

In eine Welt voller Buchstaben, Wörter und Sätze führte neulich ein Workshop mit Schreibtrainerin Christina Boigner im Kunsthaus Graz: Von den ausgestellten Kunstwerken angeregt, haben die begeisterten Teilnehmer/innen verschiedene Konzepte und Methoden des kreativen Schreibens kennengelernt – und gleich ausprobiert!

Der schmale Grat zwischen Original und Plagiat war dabei ebenso ein Thema wie die Vielfalt von Inspirationsquellen und der Stellenwert von Literatur und bildender Kunst in einer Welt voll oberflächlichem Konsum.

Beim Schreibworkshop im Kunsthaus Graz wurde nicht nur theoretisiert sondern auch gleich praktiziert! Foto: UMJ/R. Buchgraber

Beim Schreibworkshop im Kunsthaus Graz wurde nicht nur theoretisiert sondern auch gleich praktiziert!
Foto: UMJ/R. Buchgraber

Die Resultate dieses Workshops können sich sehen lassen und wir freuen uns, drei literarische Kostproben präsentieren zu dürfen:

Centrum

von Barbara Ratzenböck

Oh Wunderwerk der Wissenschaft.
Der Treibstoff des Alltags, komprimiert in einer Kapsel.
Mensch, was willst du mehr?
Deine Gesundheit, sie liegt in deiner Hand, zwischen Daumen und Zeigefinger.
Fühlst du dich besser?
Oh Wunderwerk der Wissenschaft.
Oh Wunder dieser Zeit. Vitamine ohne Ende, von A bis Zink.
Ist alles da da da?
Macht das Leben bunt, kapselkonzentriert, zellengestärkt.
Tanzt du schon am Regenbogen?
Oh Wunderwerk der Wissenschaft.
Oh Wunder des Labors.
Kein Tag zu schwer, keine Woche zu hoch.
Ist alles im Lot?
Sei zentriert, konzentriert, absorbiert.
Spielst du auf Sieg?
Oh Wunderwerk der Wissenschaft.
Oh Wunder der Chemie.
Macht alle Winter zu Augusten, dreimal Mal täglich.

Ode

von Gabriele Petrovic-Wagner

Zahnpastatube,
Versprechen der Frische,
der Makellosigkeit,
dein Inhalt schneeweiß
und cremig wie
köstliches Dessert
entwindest du dich
der duftenden Minze verpflichtet
O Reinheit,
O Makellosigkeit
schimmernden Schmelz
verheißend
von menschlicher Weisheit
erschaffen
uns allen zum Nutzen und Frommen
in solch edlem, schlanken Gehäus !

ShanghWAS?

von Susanne Obrietan

Welches Teufelchen hat mich geritten, mich für einen Schreibworkshop anzumelden? Vermutlich dasselbe, das mich in eine Quizshow, live und vor Publikum, gelotst hat. Augen zu und durch. Die Momente, in denen ich versucht habe nicht verrückt zu sein, waren die schlimmsten fünf Minuten meines Lebens. Oder so ähnlich.
Und so finde ich mich in einem Shanghaier Supermarkt wieder. Mitten in Graz wohlgemerkt. ShanghART. Der Alien im Friendly Alien. Ein Supermarkt als Installation. Als Kunstobjekt. Von Xu Zhen.
Leere Verpackungen. Da findet sich die Schachtel einer seinerzeitigen Überdosis Ferrero Rocher, dieser nougatgeschwängerten Schokolade-Nuss-Bombe. Dieses Kunstwerk kann man erwerben. Eine leere Pralinenschachtel um wohlfeile € 98,-. Absolut kalorienfrei, trotzdem gehaltvoll.
Ketchupflaschen, Coladosen, Pringles-Röhren, Scheuermilch und Heftpflaster. Und die Packungen von diesen sonderbaren Strips, mit denen man sich Mitesser von den Nasenflügeln ziehen kann. Warum gibt es keine Kondompackungen?
Ohne mein teuflisches Verrücktsein wäre ich mit meiner Kamera hier, statt mit Papier und Feder. Eine völlig neue Perspektive. Ich fühle mich ein wenig amputiert ohne meine Kamera. So viele Objekte graben sich geradezu in mein Gehirn. Ich muss mit Worten fotografieren. Und dennoch, die Kamera würde nur das Gebinde einfangen. Die Leere kann ich mit Worten hinzufügen. Mit Worten fotografieren. Leere greifbar machen. Ein paar Stunden später habe ich gelernt, was ich intuitiv bereits empfunden habe.
Und wieder diese Fragen. Worauf habe ich mich bloß eingelassen? Das Schreibfieber hat mich bereits vollends erfasst. Und wie heißt eigentlich Supermarkt auf Chinesisch? Welches Chinesisch spricht man überhaupt in Shanghai? Mandarin, Kantonesich oder eine Wu-Varietät? Und warum findet sich in diesem Supermarkt keine Kondompackung? Manchmal reißen mich meine Assoziationsketten tief in den Abgrund. Einmal die Nummer Neunundsechzig bitte! Das ist doch Chicken Kung Pao?
Ich habe mich eingelassen. Die Leere ist so voller Inhalte. Und die Ketchupflasche ist es, die mich geradezu drängt, eine Ode an ihren ehemaligen Untermieter zu schreiben.
Und ich werde mich wieder einlassen. Ich werde fotografieren. Mit Worten und mit Bildern.

 

Foto: UMJ/R. Buchgraber

Foto: UMJ/R. Buchgraber

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Foto: UMJ/R. Buchgraber

 

Foto: UMJ/R. Buchgraber

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Foto: UMJ/R. Buchgraber

Foto: UMJ/R. Buchgraber

Foto: UMJ/R. Buchgraber

Foto: UMJ/R. Buchgraber

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Kategorie: Kunst- & Naturvermittlung | Kunsthaus Graz
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