Raum 2, Mittelalter: Darstellung zur Marienverehrung, rechts „Admonter Madonna“

15. September 2012 / Ulrich Becker

Sieben Jahre Alte Galerie in Schloss Eggenberg

Alte Galerie

Als am 15.09.2005, genau vor sieben Jahren, die neue Schausammlung der Alten Galerie in Schloss Eggenberg eröffnet wurde, waren die Erwartungen gewaltig. Umso erfreulicher war das Ergebnis, das der steirischen Öffentlichkeit präsentiert werden konnte. Die Steiermark hatte „ihre“ Altmeistersammlung nicht nur einfach wiedergewonnen, sondern in völlig neuer Form zurückerhalten. Sie bot nun ein umfassendes Kunsterlebnis, wie es zuvor nicht vorstellbar war.

Das Übersiedlungsprojekt wurde von lebhaften, ja leidenschaftlichen Kontroversen begleitet. Kein Wunder: Ein angestammtes Haus verlässt man nicht leichten Herzens, mögen die Defizite auch noch so gravierend sein. So wurde u.a. befürchtet, der Bestand werde nicht in angemessenem Umfang gezeigt werden.
Die Erfahrung hat gelehrt, dass diese vielfach geäußerten Bedenken grundlos waren. Zwar wurde der vor 2005 gezeigte Bestand nicht 1:1 übernommen – was im Übrigen kein Museum tut, das sich neu orientiert. Dafür hat im Gegenzug eine eindrucksvolle Reihe von „Reaktivierungen“ kaum bekannter Depotbestände bzw. in museumsfremden Büros „vergrabener Schätze“ die Schausammlung spürbar aufgewertet. Wer hätte je gedacht, dass in einem Gerichtsbüro ein Hauptwerk des flämischen Caravaggismus hing oder ein anderes Dienstzimmer in der Grazer Burg ein überaus reizvolles Bild eines deutschen „Kleinmeisters“ der Aufklärungsepoche enthielt?

Raum 4, Mittelalter: Darstellungen der Kindheit Christi: sog. “Betnuß” (Adam Dircksz, Antwerpen, um 1520, Leihgabe Thyssen Bornemisza Collections)

Leihgaben für andere Joanneums-Häuser

Andere Objekte wiederum, für die der neue Ort keinen Raum mehr bot, haben in der Folgezeit als Leihgaben Eingang in andere Abteilungen des Joanneums gefunden, wo sie nun kontextgerecht präsentiert werden können, seien es monumentale Skulpturen, große Altarbilder, Porträts oder die für den Barock so typischen, in Serie gemalten Ausstattungsbilder. Und wer gibt, bekommt auch: Hier sei allein die Neue Galerie Graz erwähnt, die mit schönen Leihgaben die Eggenberger Schausammlung um wichtige Akzente bereichert hat: In einem so großen und komplexen Haus wie dem Joanneum macht sich abteilungsübergreifendes Denken und Handeln bezahlt.

Hinzu kam ein besonderer Glücksfall: 16 eigens ausgewählte, kostbare Dauerleihgaben der Thyssen Bornemisza Collections trugen von Anfang an dazu bei, das Panorama abzurunden. Sie sind noch heute Perlen der Ausstellung und fügen sich passgenau in das neue Konzept.

Raum 6, Mittelalter: Darstellungen der Passion Christi, rechts Beweinungsgruppe, Werkstatt Tilmann Riemenschneider (Leihgabe Thyssen Bornemisza Collections)

Die Alte Galerie in Eggenberg: Eine Erfolgsgeschichte

So darf im Rückblick mit Fug und Recht gesagt werden, dass die Alte Galerie am neuen Ort eine Erfolgsgeschichte für das gesamte Joanneum darstellt. So etwas geht nicht ohne Umdenken: Die Präsentation folgt nun nicht mehr einer rein chronologisch aufgefassten Kunstgeschichte. Sie ist vielmehr nach Themenkreisen gegliedert, die der allgemeinen Orientierung wegen eine chronologische Grundlinie erkennen lassen.

In 21 Räumen wird dem Publikum nichts Geringeres als ein Konzentrat von 500 Jahren österreichischer und europäischer Malerei von ca. 1250 bis 1800, also vom Hochmittelalter bis zum Ausgang des Barockzeitalters geboten. Zuvor wäre dies zu keiner Zeit möglich gewesen. Im Vergleich zur Ausgangssituation im Altbau hat die Raumfolge im 1. Obergeschoss von Schloss Eggenberg, die dem typisch barocken Schema der „Enfilade“ folgt, die Einteilung in leicht fasslich und eingängig erklärte Themenkreise sichtlich erleichtert.

Wie Perlen an der Schnur reihen sich Räume unterschiedlicher Größe aneinander. Das hat sich als äußerst besucherfreundlich erwiesen und schützt vor einem Hauptrisiko vieler Ausstellungen: Überfrachtung bzw. Überforderung. Indem Raum- und Objekterlebnis mit elementaren Informationen in Form von Raumtexten verbunden wurden, konnte dem zentralen Bedürfnis entsprochen werden, Grundsätzliches zu erfahren. So wurde die Gefahr umschifft, sich in reinen Fachdiskursen zu verlieren oder umgekehrt – was noch schlimmer ist – ins Banale abzugleiten.

Raum 7, Mittelalter: Heiligenverehrung im Spätmittelalter, Tafelbild um 1500
 

Die Eggenberger Räume waren 2004, gewissermaßen im „Rohzustand“, in der Mehrzahl sehr schlicht gehalten. Eingriffe waren aus Gründen des Denkmalschutzes tabu, daher erhielten sie substanzschonende Raumschalen. Mithilfe wechselnder, bewusst stimmungssuggestiver Wandfarben und einer pointierten Lichtregie sollten ausschließlich die Kunstwerke zu ihrem Recht kommen.

So hat in den ersten 7 Räumen die Kunst des Mittelalters ihren Auftritt, und zwar anhand einschlägiger Themen aus der christlichen Ikonografie. Sie laden dazu ein, die hauseigenen „Highlights“ kennenzulernen. In ihrem Wert reichen die lebhaft bemalten Heiligenfiguren und Tafelbilder, die zumeist aus der Region stammen, weit über die Grenzen der Steiermark hinaus und zeigen so die europäische Dimension der Sammlung auf. Der Fokus fällt damit auch auf die Anfänge des modernen Museums, also auf die Zeit Erzherzog Johanns, als in vielen Gegenden Europas für das stark bedrohte mittelalterliche Kulturerbe besondere Sorge getragen wurde.

Raum 7 A, Neuzeit: ehem. Audienzsaal, Abschnitt Porträts, links Dosso Dossi, Ercole II. d’Este als Herkules mit Pygmäen
Raum 9, Neuzeit: Kunst der Gegenreformation, Altarbilder des Grazer Hofmalers Giovanni Pietro de Pomis
 

Schlüsselwerke als Orientierungshilfe

Die auch in der Alten Galerie erlebbare Vielfalt sakraler wie profaner Themen bzw. Gattungen, wie sie die Kunst aus Renaissance und Barock hervorgebracht hat, stellte eine Herausforderung besonderer Art dar. Welche Schwerpunkte nimmt man, was zeigt man, was nicht? Schlüsselwerke der Sammlung gaben schließlich die Orientierung für die pro Raum vorgesehenen Exponate vor.

Hauptkriterium war nicht primär die gemeinsame Entstehungszeit, sondern die inhaltliche Ausrichtung, um vor allem für das Publikum eine sinnvolle, plausible Einheit zu erzielen. Und Schlüsselwerke (die natürlich auch die Leihwünsche externer, selbst großer Häuser stimulieren) gibt es im Hause einige, sodass sich immer Fixpunkte finden ließen. Das Zentrum des Rundgangs markiert der ehemalige Audienzsaal, wo anhand ausgewählter Werke zentrale Gattungen der neuzeitlichen Malerei vorgestellt werden.

Zugleich erhalten die Besucherinnen und Besucher eine grundlegende historische Einführung in die ganze Epoche. Ohne Konzessionen kein Museum: Durch Raumteiler wurde das notwendige Quantum an Hängefläche erzielt, ohne die eindrucksvolle Gesamtwirkung des schlichten Saales wesentlich zu schmälern.

Raum 9, Neuzeit: Kunst der Gegenreformation, links Porträt Erzherzog Ferdinand, Regent von Innerösterreich (später Kaiser Ferdinand II., reg. 1619-1637)

Dass sich rund um solche Glanzpunkte auch Lücken auftun, also die eigenen Bestände nicht jeden Wunsch erfüllen können, ist nicht zu vermeiden. Aber das ist mehr als verzeihlich, wenn nur der Eigenbestand genügend Qualität bietet – und das ist keine Frage, wenn man sich einer ganzen Phalanx höchst gewichtiger Namen gegenübersieht, die auch einem großen Haus alle Ehre machen: Lucas Cranach d.Ä., Frans Floris, Bartholomäus Spranger, Jan und Pieter Brueghel, Johann Michael Rottmayr, Johann Georg Platzer, Martin Johann Schmidt, Angelika Kauffmann. Umso besser, wenn sich dann das eine oder andere Objekt hinzugesellen lässt, auch wenn es nicht unbedingt internationale Klasse hat, aber dafür höchst reizvolle Akzente setzt, die man nicht unbedingt erwartet. Eines aber wäre unverzeihlich: Langeweile bei mangelnder Ausstellungsqualität.

 

Raum 14, Neuzeit: Krieg als Thema der Kunst im 17.Jahrhundert, Gefechtsbilder
Raum 15, Neuzeit: Spätbarocke Bilderkabinette, österreichische Kabinettbilder des 18. Jahrhunderts

Diese beiden Risiken sind jedenfalls glücklich vermieden worden. Immer wieder ruft die Sammlung in ihrer aktuellen Form bei vielen Besucherinnen und Besuchern aus dem In- und Ausland Erstaunen und Bewunderung hervor, nicht zuletzt bei solchen, die aus bedeutenden Museumsstädten wie Wien oder München anreisen.

Projektleitung: Barbara Kaiser
Inhaltliches Konzept: Ulrich Becker
Gestaltung: Eva Marko
Technische Leitung: Thomas Goldberger

Kategorie: Alte Galerie
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