Grabungsfläche

12. November 2021 / Melanie Theresa Weidacher

Lehrgrabung am Schöckl 2021

Forschung | Museumseinblicke

Auch dieses Jahr begaben sich die Archäolog:innen vom Institut für Antike der Universität Graz unter der Leitung von Dr. Manfred Lehner und Mag. Robert Pritz wieder auf den Schöckl und setzten ihre Forschungen am Höhenheiligtum auf dem Ostgipfel fort. Die diesjährige Grabungskampagne widmete sie sich einer scheinbaren „Doline“, welche in der Antike als Kultstätte genutzt wurde. Wenn auch einige Fragen beantwortet wurden, so kamen wieder neue auf, die es nun zu klären gilt.

Lehrgrabung am Schöckl 2021

Bereits seit 2015 erforscht das Institut für Antike der Universität Graz das römische Höhenheiligtum am Ostgipfel des Schöckl. In den letzten Jahren war ein Sakralgebäude mit Wandmalereien am markantesten Punkt des Grazer Hausberges Mittelpunkt der Untersuchungen. Heuer rückte nun wieder eine wenige Meter westlich gelegene „Doline“ in das Zentrum der Forschungen, deren Nutzung als Kultstätte bereits durch eine Lehrgrabung 2017 direkt südlich der heurigen Grabung nachgewiesen werden konnte. Die Funddichte nahm schon damals in Richtung der Vertiefung stark zu. Da viele dieser Funde überwiegend einen weiblichen Charakter haben, wie etwa Glasarmreife, Haarnadeln oder Ringe, ist davon auszugehen, dass dieser Weiheplatz besonders für Frauen und Mädchen eine wichtige Rolle gespielt haben muss.

Rätselhafte „Doline“

Die leitende Frage zur Untersuchung der scheinbaren „Doline“ selbst war, ob nicht nur im Außenbereich Opfergaben dargebracht wurden, sondern diese auch hineingeworfen wurden. Dabei galt es zunächst erst einmal, die jüngeren Schichten mühsam aus der Vertiefung zu heben. Bis ca. 3,5 m befand sich eine rezente steinige Verfüllung, in der auch immer wieder Müll zum Vorschein kam. Diese Verfüllung dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach im Rahmen des Baus des sich südlich befindenden Sendemastes entstanden sein. Erst danach kam eine deutlich interessantere Schicht mit vielen Keramikfragmenten eines Topfes, welche zum Teil Brandspuren aufweisen – allerdings datieren diese eindeutig in das 13. Jh. n. Chr. und werfen neue Fragen über den historischen Verlauf des Bereichs auf.

Von besonderer Bedeutung sind Abarbeitungsspuren vor und in der Vertiefung, die deutlich machten, dass es sich nicht um eine natürliche Doline handelt, sondern vielmehr um einen Schacht, der zumindest teilweise künstlich erweitert wurde. Im südöstlichen Bereich kam nach knapp über 4,5 m der Felsboden zum Vorschein, dieser scheint aber nach Nordwesten noch tiefer zu ziehen. Aus Sicherheitsgründen konnte der Verlauf mit dem vorhandenen Grabungsequipment noch nicht weiterverfolgt werden, weshalb auch die eingangs erwähnte Frage vorerst ungeklärt bleibt. Möglicherweise wurde der Schacht im Laufe der Jahrhunderte von Schatzsuchern auch komplett ausgeräumt, denn im Umfeld finden sich immer wieder Störungen, welche vermutlich durch Raubgräber aufgekommen sind. Eine massive Störung befindet sich beispielsweise südwestlich der Vertiefung, direkt neben dem fundintensiven Bereich, wo aller Ansicht nach auch der Zugang gewesen sein muss.

Unerwartete Mauer

Auf der Suche nach einer Schichtgrenze im östlichen Bereich der Vertiefung tauchte in der dritten Grabungswoche plötzlich das Fundament einer kurzen Mauer auf, welche auf den ersten Blick dort nichts verloren hatte. Sie verläuft von Westen nach Osten und wurde nur punktuell mit Mörtel fixiert. Allen Anschein nach dürfte sie nicht zu einem Gebäude gehören, sondern ist als Böschungsmauer zu definieren, welche die südliche Planierschicht daran hintern sollte, nach Norden abzurutschen.

Sensationelle Funde

Neben den beeindruckenden Befunden beteiligen sich auch jede Menge Einzelfunde am großen Erfolg der heurigen Grabungskampagne. Besonders herausragend sind dabei Bruchstücke von unterlebensgroßen Marmorstatuen, welche sich über die gesamte Grabungsfläche verteilt waren und vereinzelt auch zusammenpassen. Dabei gilt es noch zu klären, wer dargestellt wurde und auch, wo die Statue(n) stand(en). Zudem stellt sich die Frage, ob sie womöglich auch einmal Teil der Verfüllung waren und dann ausgeräumt wurden oder bereits in der Antike als Planierschicht genutzt wurden.

Zudem kamen erneut auch Teile von Pfeifentonstatuetten zutage, welche meist zu einer dea nutrix, einer auf einem Korbsessel sitzenden Muttergottheit mit einem oder mehreren Kindern im Arm, gehören und als Votivgaben dargebracht wurden. Ein Kopffragment aus dem Bereich der Böschungsmauer dürfte zudem Jupiter darstellen. An weiterer Keramik sind besonders mehrere Fragmente einer Terra Sigillata mit feiner weißer Barbotineverzierung sowie von Öllämpchen hervorzuheben.

Die diesjährigen Münzfunde weisen gemeinsam mit den Schmuck- und Keramikfunden auf einen intensiven Nutzungszeitraum im späten 3. sowie frühen 4. Jh. n. Chr. hin und stimmen somit mit dem bisherigen Datierungsvorschlag überein.

Ein besonderes Fundstück stellt ein fast vollständig erhaltener dreiringiger Glasarmreif dar, dessen Fragmente allerdings in einem relativ fundleeren Bereich nordöstlich des Schachtes entdeckt wurden. Zwar dürfte er dort bewusst deponiert worden sein, jedoch befindet sich der Hauptkultbereich aufgrund der enormen Funddichte südlich bzw. südwestlich des Schachtes.

Dort waren neben den meisten Münzen vor allem auch einige Fingerringe, Ohrringe, Anhänger, Haarnadeln, weitere Fragmente von Glasarmreifen und etliche Glasperlen.

Da diese in der Erde meist schwer zu erkennen sind und natürlich so viele Perlen wie möglich gefunden werden sollten, arbeitete das Team heuer mit zwei Sieben. Dabei kamen nicht nur weit über tausend Perlen zum Vorschein, sondern auch überwiegend kleinere Metallfunde, wie z. B. der Verschluss der Perlenketten oder der eine oder andere Lunula-Anhänger.

Kategorie: Forschung | Museumseinblicke
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