Kumpel der Knappschaft Pölfing-Bergla, 2018/06, Foto: J.J. Kucek/UMJ

9. Juli 2018 / Walter Feldbacher

Landesaufnahme: Glück auf in Pölfing-Brunn! Auf den Spuren der Kumpel

Museum für Geschichte

Das Konzept der Streifzüge im Rahmen des Projekts „Landesaufnahme – Steirische Wirtschaftsgeschichte in Foto-, Film- und Tondokumenten“ mit dem Ansatz, mittels Begehung des öffentlichen Raumes unter Bevölkerungspartizipation zur Wissensgenerierung beizutragen, führte uns diesmal zu den Originalschauplätzen der Bergbautradition im südweststeirischen Pölfing-Brunn. Ein Ort, an dem lokale Geschichte nicht nur zutage tritt, sondern dank der Knappschaft Pölfing-Bergla auch im kollektiven Gedächtnis gespeichert wird.

Auf dem Bahnhofsareal von Pölfing-Brunn durften Bürgermeister Karl Michelitsch, Reinhard Riedmüller, Obmann der Knappschaft Pölfing-Bergla, Walter Feldbacher, Museum für Geschichte/Universalmuseum Joanneum, und Edith Zitz, inspire thinking, über 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßen, ehe Karl-Heinz Sommer von der Knappschaft dem überaus interessierten Publikum, darunter auch der Bezirkshauptmann von Deutschlandsberg Dr. Helmut-Theobald Müller, lebendig und anschaulich Einblick in die Bergbau-, Eisenbahn- und Sozialgeschichte der Region gab. Im Sinne der Nachhaltigkeit wurde auch diese wirtschaftshistorische Spurensuche von Max Wegscheidler, Museum für Geschichte/Universalmuseum Joanneum, fotografisch und audiovisuell festgehalten.

Als am 30. 12. 1975 in Bergla der letzte Hunt gefördert wurde, endete im Wies-Eibiswalder Revier der Kohlebergbau nach 176 Jahren. Die Ära des „braunen Goldes“ hat das Leben der Menschen im Bezirk, insbesondere in der Gemeinde Pölfing-Brunn, maßgeblich geprägt. Vieles hat sich hier seither verändert, einige der im Bergkittel angetretenen Knappen können sich noch gut erinnern, wie es damals war.  Einst fünfgleisig, wird der Bahnhof heute nur mehr eingleisig geführt. Das ehemalige Bahnhofsgebäude wurde in ein Wohnhaus umfunktioniert. Den Haltepunkt für die Züge der GKB nach Graz bzw. Wies-Eibiswald markiert lediglich eine Haltestellentafel.

Seit 1873 fährt hier die Eisenbahn als Flügelbahn zur 1860 eröffneten Strecke Graz–Köflach (Köflacherbahn) von Lieboch über Deutschlandsberg nach Wies (Wieserbahn). 1907 konnte endlich die Sulmtalbahn von Leibnitz nach Pölfing-Brunn eröffnet werden. Sie wurde jedoch 1967 eingestellt, ihre Gleise wurden 1976 abgetragen. Nur noch wenige architektonische Reste weisen auf diese Bahnlinie hin. So blieben die Bahnhofsgebäude in Heimschuh, Fresing und Gleinstätten – heute in Privatbeitz – erhalten. Der Bahndamm sowie kleine Bach- und Wasserdurchlässe sind mancherorts noch zu erkennen. Ein rund 6 km langes Reststück der Sulmtalbahn, von Pölfing-Brunn nach Gleinstätten, wird heute noch bedarfsweise an Werktagen befahren. Zudem führte in Bergbauzeiten von Pölfing-Brunn auch eine Industriebahn nach Schönegg.

Von den einst mächtigen Kohleabbauanlagen, wie dem Hauptschacht in Brunn oder der Kohleverladestation, ist im Ort nichts mehr zu sehen. Wer nicht um die Geschichte von Pölfing-Brunn und seiner Bergbautradition weiß, vermag auch noch vorhandene Anzeichen nur schwer zu deuten.

Um 1797 soll das „Wieser Fölz“ erstmals in Brunn-Schönegg erschürft worden sein. Um 1870 erschloss der böhmische Bergmann Wenzel Radimsky gemeinsam mit seinem Bruder Josef die Glanzkohlegruben in Brunn und baute sie zu einem der modernsten Kohlenbergbaue der Monarchie aus. Es standen zu jener Zeit fünf Schächte mit Teufen von 23 bis 167 Metern in Betrieb.

Ein einschneidendes Ereignis stellte jedenfalls der Einsturz des Hauptschachts am Fronleichnamstag 1897 dar, bei dem der 21-jährige Pumpenwärter Franz Renc, er stammte wie so viele der im Wieser Revier beschäftigten Bergleute aus der ehemaligen Untersteiermark, ums Leben kam. Wäre das Unglück nicht auf einen Feiertag gefallen, hätte es freilich weit mehr Todesopfer gegeben.

Die Ursache lag in der mangelhaften Zimmerung beim Abteufen. Ein geplanter Tiefbauquerschlag zu einer neuen Hauptfördersohle in 192 m Teufe wurde daraufhin verworfen und die Weiterführung der Brunner Schächte infrage gestellt. 1900 hat die GKB die letzte Kohle im Raum Brunn-Schönegg zutage gebracht. In der Zeit der Schönegger Flügelbahn wurden rund 1,5 Millionen Tonnen Kohle transportiert. Mit der Einstellung des Bergbaus in Brunn-Schönegg, mit dem Peter-, Wenzel-, Barbara- und dem Brauchartschacht, wurde auch diese Flügelbahn eingestellt. Weitere bereits aus- und vorgerichtete Abbaufelder blieben unberührt liegen. In Pölfing-Brunn wurde erst wieder 1932 ein Kohlebergbau – in Jagernigg – eröffnet.

Die Knappschaft Pölfing-Bergla hat nicht nur die Geschichte im Wieser Bergrevier umfassend dokumentiert, sondern auch für die hier verunglückten Kumpel eine würdige Gedenkstätte errichtet.

Nach einer Begehung der Halde – eines künstlich aufgeworfenen Hügels, der aus dem ausgeräumten, wertlosen Material (taubes Gestein) besteht –, führte unser Streifzug weiter zum mittlerweile versiegelten Eingang des Hauptstollens sowie zur sogenannten „Kolonie“.

Diese Arbeitersiedlung ließ Bergdirektor Wenzel Radimsky in den Jahren 1871 bis 1873 für die Bergleute und ihre Familien zwischen den beiden Dörfern Pölfing und Brunn in unmittelbarer Nähe zu den Schachtanlagen nach englischem Vorbild erbauen. In jeder Häuserreihe sind fünf oder sieben Koloniehäuser kompakt zusammengeschlossen, jedes Haus verfügt über eine Fläche von 71,5 m². Die Häuser lassen sich in drei Kategorien unterteilen: Typ A für ledige Arbeiter (26 Häuser), Typ B für verheiratete Arbeiter ohne Kinder (35 Häuser) und Typ C für Arbeiterfamilien mit Kindern (67 Häuser). Jedes Haus verfügte über eine Holzablage und einen Abort im Außenbereich. Zwischen den Häuserreihen errichteten die Bewohner Schrebergärten und Hütten.

Die „Kolonie“ blieb fast 80 Jahre im Eigentum der Bergbauunternehmen, heute befinden sich die Wohneinheiten in Privateigentum. Trotz Modernisierung und baulichen Veränderungen ist der ursprüngliche Charakter der Siedlung gut erhalten geblieben.

Streifzug durch die „Arbeiterkolonie“ in Pölfing-Brunn, 2018/06, Foto: J.J. Kucek/Universalmuseum Joanneum

In einem der Arbeiterhäuser wurde auch eine provisorische Schule eingerichtet, in welcher die Kinder der Arbeiter unentgeltlich unterrichtet wurden, auch die Schulbücher waren gratis. 1876 erfolgte der Bau einer größeren „Werksschule“, die anfänglich nur Arbeiterkinder besuchen durften. Im Keller der Volksschule Pölfing-Brunn befindet sich heute ein nachgebauter Schaustollen.

Abschließend führte der Streifzug noch einmal hinaus zu den Originalschauplätzen lokaler Bergbaugeschichte. Ein bergmännisch als „Mundloch“ bezeichneter Stolleneingang an der Tagesoberfläche sowie ein „Glanzkohleausbiss“, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch ein Stück Kohle mit nach Hause nehmen konnten, waren unsere nächsten Ziele, ehe die Veranstaltung bei einem nahen Gehöft ihren gemütlichen Ausklang fand.

Von den Bergmännern konnten wir dabei noch einige interessante Details zur Bergmannstradition erfahren und so manche persönliche Anekdote wurde erzählt, wenngleich die Bergmannssprache uns immer wieder vor große Herausforderungen stellte. So meint der Knappe nicht notwendigerweise das meteorologische Wetter, wenn er vom „Wetter“ spricht. Er kann dabei auch sämtliche im Grubengebäude befindliche Gase – in erster Linie Luft – meinen.

Auch die Verehrung der heiligen Barbara als ihre Schutzpatronin wird von der Knappschaft Pölfing-Bergla hochgehalten. Der an Symbolik reiche Bergkittel weist insgesamt 29 Knöpfe auf, da Barbara von Nikomedien im 3. Jahrhundert der Legende nach im Alter von 29 Jahren von ihrem Vater enthauptet worden ist. Die obersten drei Knöpfe werden stets offen getragen, da sie sich für ihren Turm, in dem Barbara gefangen gehalten wurde, bezugnehmend auf die Heilige Dreifaltigkeit drei Fenster gewünscht haben soll. Erstaunt mussten die Pölfinger Knappen bei einem Besuch in Slowenien feststellen, dass dort auf den Bergkitteln nur 28 Knöpfe zu finden sind. Augenzwinkernd bekamen sie zur Antwort, dass ihre heilige Barbara wohl nur 28 Jahre alt wurde.

Woher die Bergmannsweisheit kommt, dass Frauen im Berg Unglück bringen sollen, stellt die Knappen in Anbetracht einer Schutzpatronin und der Tatsache, dass auch viele Stollen weibliche Namen tragen, selbst vor ein Rätsel.

Die älteren Knappen können sich auch noch gut an die im Bergbau eingesetzten Grubenpferde erinnern, die nur am Sonntag ans Tageslicht kamen. Schmunzelnd glauben sie auch zu wissen, warum es meist unmöglich war, den ganzen Monatslohn nach Hause zu bringen: Gegenüber der Auszahlungsstelle befand sich nämlich ein Wirtshaus.

 

Quelle: Erich Wozonig, Pölfing-Brunn – Ortsgeschichte, 1984, Bildungs- und Kulturverein Pölfing-Brunn (Hrsg.)

Kategorie: Museum für Geschichte
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Ein Gedanke zu “Landesaufnahme: Glück auf in Pölfing-Brunn! Auf den Spuren der Kumpel

  1. Bruno Seebacher

    Sehr interessant und historisch wertvoll!
    Brun Seebacher

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