Gereinigte Gemälderückseite mit auf Keilrahmen und Zahnleiste aufgeschraubter MDF-Platte als Rückseitenschutz (Abb.: Autor)

30. Dezember 2014 / Paul-Bernhard Eipper

Hinter das Bild geschaut #2

Konservieren & Restaurieren

In unserem letzten Beitrag zur Blogserie Genauer hinsehen haben wir davon berichtet was ein Rückseitenanstrich ist und wie dieser das Bild schützt. Zusätzlich werden heutzutage die Rückseiten von Gemälden noch zusätzlich mit einem Rückseitenschutz versehen. Worauf zu achten ist und welche Material sich am besten eignen erfahrt ihr im zweiten Teil von "Hinter das Bild geschaut".

Teil II: Rückseitenschutz

Schon seit Jahrhunderten ist bekannt, dass eine geschützte Gemälderückseite zur Bewahrung des Kunstwerks wesentlich beiträgt. Als Weiterentwicklung zu den bereits vorgestellten Rückseitenanstrichen wurden etwa schon früh Schutzvorrichtungen aus Holz oder Textilien eingesetzt. Ein Rückseitenschutz ist heute in der Gemäldekonservierung „State of the Art“ – er schützt Gemälde vor rückseitigem Lichteinfall und Verstaubung sowie vor mechanischen Beschädigungen. Darüber hinaus ist er ein wichtiger Klimapuffer für das Kunstwerk und kann – je nach verwendeten Materialien – kurzfristige Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit ausgleichen. Aus diesen und weiteren Gründen sollte heute kein Gemälde die Werkstatt ohne einen Rückseitenschutz verlassen.

 

Ein moderner Rückseitenschutz erfüllt folgende Funktionen und Anforderungen:

–        Sein Material ist hygroskopisch (d. h. es bindet Luftfeuchtigkeit) und frei von chemischen Zusätzen und Leimen, die das Gemälde schädigen können.

–        Er verschließt die Rückseite des Gemäldes so dicht, dass die Leinwand beim Transport vor Vibrationen geschützt ist. Gleichzeit schließt er die Rückseite aber nicht hermetisch ab.

–        Der Rückseitenschutz schützt das Gemälde vor Licht und Verstaubung.

–        Er stabilisiert den Keilrahmen und bleibt selbst so stabil, dass er das Werk vor kleinen Stößen schützt.

–        Herstellung und Montage sind einfach und rationell durchführbar.

Ein klimapuffernder Rückseitenschutz ist für jedes Gemälde empfehlenswert. Er bewahrt Leinwandgemälde unter anderem vor irreversiblen Keil- bzw. Spannrahmensprüngen. Diese Schäden werden durch fehlende Klimatisierung der Ausstellungsräume und ungeschützte Hängung der Gemälde vor allem an Außenwänden hervorgerufen und zählen zu den wichtigsten Gründen, warum der Gemälderückseitenschutz unbedingt zu empfehlen ist.

 

Gereinigtes parkettiertes Holztafelgemälde. Die über den Zierrahmen überstehende Parkettierung wird durch Leisten, auf welche eine MDF-Platte aufgeschraubt ist, überbrückt. Diese Variante kann in nicht klimatisierten Räumen sinnvoller sein. Foto: P.-B. Eipper

 

Die Qual der Wahl: Materialien für den Rückseitenschutz

–        Mehrlagiger säurefreier, alterungsbeständiger Museumskarton neigt dazu, sich zu verwerfen und ist nur bedingt in der Lage, Luftfeuchtigkeit zu binden. Ähnliche Materialien wie mehrlagige Wellpappen, Karton-Wabenplatten, kartonbeklebte Kunstharzwabenplatten und Hartfaserplatten sind stabiler und isolieren besser, ihre klimapuffernden Eigenschaften sind aber ebenfalls unzureichend.

–        Weichfaserplatten, die im Nassverfahren mit holzeigenen Stoffen und ohne zusätzliche Leime hergestellt werden, sind besonders feuchtigkeitsspeichernd. Sie neigen jedoch bei Berührung zum Ausfasern und Ausbrechen.

–        Drei- bis fünflagige Masonit-Platten, die ebenfalls mit holzeigenen Stoffen und ohne zusätzliche Leime hergestellt werden, haben ein hohes Eigengewicht, sind deswegen sehr dimensionsstabil und können verzogene Keil- und Spannrahmen wieder in Form bringen. Allerdings binden auch sie nur wenig Luftfeuchtigkeit und werden mit der Zeit sauer, was schädigend wirkt.

–        Stäbchenholzplatten („Tischlerplatten“) sind zwar preisgünstig, aber zu dick und zu schwer.

–        Sperrholzplatten enthalten problematische ausdunstende Kleber, die freies Formaldehyd beinhalten, das zu Ameisensäure oxidieren kann, was wiederum zu Farbveränderungen, Korrosion und Gerbung von Bindemitteln führt.

–        „Kapa-Platten“ (doppellagige Kartons mit einer Zwischenlage aus Polyurethan-Schaum) sind an sich nicht stabil. Die verwendeten Schäume können darüber hinaus schädliche Abbauprodukte bilden. Ihr Vorteil ist allerdings ihr geringes Gewicht, weshalb sie für großformatige Gemälde oft eingesetzt werden.

–        Gipskarton-Platten puffern das Klima besser als Holz, sollten aber ab einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70 % nicht mehr eingesetzt werden. Sie neigen außerdem dazu, an den Kanten auszubrechen und zu stauben. Darüber hinaus haben sie ein hohes Gewicht und sind schwer an den Keilrahmen zu befestigen, was ihre Verwendbarkeit deutlich einschränkt.

–        Mitteldichte, formaldehydarme Faserplatten (MDF-Platten) entsprechen in ihren Fähigkeiten, Feuchtigkeit zu binden, in etwa dem Vollholz. Sie können für einen Gemälderückseitenschutz infrage kommen, wenngleich auch sei nicht absolut ideal sind.

–        Folien- und Stoffhinterspannungen sowie Polycarbonat- und Acrylglasplatten gewährleisten zwar einen Blick auf die Gemälderückseite, sind aber aus klimatischen Gründen nicht geeignet. Auch wenn sie bisweilen zum Einsatz kommen, können sie wichtige Anforderungen nicht erfüllen.

 

Gereinigtes parkettiertes Holztafelgemälde. Die über den Zierrahmen überstehende Parkettierung wird durch Leisten, auf welche eine MDF-Platte aufgeschraubt ist, überbrückt. Diese Variante kann in nicht klimatisierten Räumen sinnvoller sein. Foto: P.-B. Eipper

Die Wahl des Materials ist stark vom zu schützenden Kunstwerk abhängig, auf jeden Fall gilt es jedoch, sich über ausdampfende Schadstoffe bewusst zu sein. Keinesfalls sollte der Rückseitenschutz mit den Objekten direkt in Berührung kommen. Um dies zu gewährleisten, baut man Trennschichten aus Woll- oder Polyesterfilz bzw. aus säurefreier Wellpappe ein. Der fertig gebaute Rückseitenschutz wird schlussendlich auf den Keilrahmen des Gemäldes aufgeschraubt.

 Text: Paul-Bernhard Eipper

 

Kategorie: Konservieren & Restaurieren
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Ein Gedanke zu “Hinter das Bild geschaut #2

  1. Eder Karma

    Hab gute Erfahrungen mit Pappelspertholzplattrn 4 bis 6 mm, über ca 20 Jahre; gibt es da vielleicht Museumsquaöität mit gesenktem Formaldehydanteil. Wurde der Fotmaldehydanteil aus Umweltschutzgründen in der Plattenproduktiom nicht schon gesenkt (E1 Qualität Pressspanplatten) – wer kann das beantworten?

    • Paul-Bernhard Eipper

      Es gibt noch eine MDF Platte der Fa. Medite: die formaldehydarme Variante Medite LF (gemäß Euro Norm MDF 1, entspricht in etwa MDF-TOPAN, UF-verleimt) dar, welche im Gegensatz zur Medite ZF jederzeit abrufbar ist. Allerdings müssen davon immer große Mengen abgenommen werden. Wichtig ist es auch sich vor dem Erwerb von Platten auf Holzbasis, sich über die Menge der aus dem Material ausdünstende Essig- und Ameisensäure zu informieren. Gerade über der Angst vor Formaldehyd wurden die ebenfalls für Kunst- und Kulturgut gefährlichen organischen Carbonsäuren, welche sich nicht nur in natürlichem Holzarten wie Eiche, Pinie und Fichte finden, sondern auch in vielen Sperrholz- und Tischlerplatten, sowie MDF- und HDF-Platten vergessen.

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