Foto: UMJ/ A. Katz

23. April 2018 / Barbara Steiner

Diskurs? Diskurs! Zur weißen Fahne von TEER

Kunsthaus Graz

Die von TEER verwendeten Symbole (Kreuz, Pentagramm, Hexagramm, Hammer und Sichel, Swastika) sind nicht austauschbar, und schon gar nicht unschuldig, dazu haben sich bestimmte Bedeutungen viel zu sehr ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Jedes Symbol ist auf seine Weise kontaminiert, bei jedem haben sich im Laufe der Zeit bestimmte Bedeutungen (Hakenkreuz überlagert Swastika) in den Vordergrund geschoben und andere überschrieben. Dies hängt aber wesentlich davon ab wer mit welchem persönlichen und kollektiven Hintergrund wie darauf schaut.

In Österreich gehen die Emotionen heute nicht mehr hoch wenn Hammer und Sichel auftauchen, aber in Lettland, Litauen u.a. bis heute. Das kann ich nachvollziehen, wenn man die Brutalität bedenkt, die unter diesem Zeichen stattgefunden hat. Übrigens ist es bemerkenswert, dass Hammer und Sichel immer noch Teil des österreichischen Wappens sind (auch wenn sich die Bedeutungen anders herleiten und mit den drei traditionellen Ständen zu tun haben).

Zum Davidstern:

Das Hexagramm wurde lange von Juden und Nichtjuden verwendet. Zur Zeit der Aufklärung begann der Davidstern (Magen David) Judentum zu repräsentieren so wie das Kreuz für das Christentum steht. Im Nationalsozialismus wandelte man den Magen David ab; er wurde zum „Judenstern“ – dem „Gelben Stern“ und diente zur öffentlichen Kennzeichnung von Juden. Mit der Staatsgründung Israels setzte man den Magen David als Emblem der Nationalflagge Israels ein.

Die Arbeit von TEER handelt wesentlich von der Einverleibung und Kontaminierung von Symbolen, die mit völlig anderen Absichten entstanden sind und über die Jahrtausende/Jahrhunderte/Jahrzehnte in verschiedenen Zusammenhängen verwendet wurden – mitunter durchaus gegenteilig zu ihrer jeweiligen Entstehungsgeschichte. Zusätzlich verbindet die Symbole, dass sie allesamt zu Flaggenemblemen wurden.

Weiße Fahne von TEER

Die Weiße Fahne von TEER wurde nicht 1973 sondern 1987 zum ersten Mal gezeigt. Das war die Zeit in der sich der Zusammenbruch des Ostblocks abzuzeichnen begann, was dann auch das gesamte Weltgefüge verschieben sollte.

Es ist keine Schutzbehauptung, wenn wir (die Kuratorinnen und der Kurator der Ausstellung) auf einen Unterschied zwischen Swastika und Hakenkreuz aufmerksam machen, sondern es ist uns wichtig, dass – bleiben wir bei den Nationalsozialisten –Symbole mitunter absichtsvoll minimal verändert wurden und werden – so schreibt man Bedeutungen fort und gleichzeitig um. „Blanke Wurschtigkeit dem historischen Gehalt jener Symbole gegenüber“ liegt uns allen fern (hier möchte ich auch explizit Wolfgang Temmel mit erwähnen – wir wünschen uns im Gegenteil – eine Reflexion der Indienstnahme dieser Symbole durch bestimmte Gruppen. Und ja, man muss genau genau hinschauen und fragen, aber manchmal bewährt es sich auch seine eigene Wahrnehmung (und seine Reflexe) zu hinterfragen.

Den Vorwurf wir möchten den „Schrecken ‚fester Standpunkte und Ideologien’ hinter uns lassen, kann ich nicht entkräften. Natürlich kann ich jetzt nur für mich sprechen. Feste Standpunkte und Ideologien haben genau zu jenen Desastern geführt, die mit den hier gezeigten Symbolen verbunden sind: zu Kreuzzügen, Arbeits- und Vernichtungslagern, kriegerischen Konflikten, Menschenverachtung, Zerstörung und Tod. Eine ethische Haltung haben, sich verantwortungsvoll gegenüber Mitmenschen zu verhalten, sich sozial engagieren, ja unbedingt, aber wenn fester Standpunkt bedeutet buchstäblich unbeweglich zu werden, Annahmen über andere zu treffen, sich diesen „anderen“ nicht aussetzen zu wollen, Behauptungen in die Welt zu posaunen, Wertschätzung und Höflichkeit vermissen lassen – dann nein. Das erzeugt Verhärtungen und Frontbildungen, und das erscheint mir keine gesellschaftliche Perspektive zu sein.

 

Postskriptum 1:

Ist es nicht ziemlich diskreditierend Künstlern (TEER), die sich engagiert und auch kritisch mit gesellschaftlichen Fragen (ob Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen am öffentlichen und kulturellem Leben oder das Erbe des Nationalsozialismus) befasst haben und befassen (wie Wolfgang Temmel) so salopp, quasi im Darüber huschen, „Trickreichtum“ zu unterstellen?

Postskriptum 2:

Uns läge nichts ferner, und das gilt für die beiden anderen Kuratierenden und mich gleichermaßen, „Diskussionen, Einwand und Kritik mit “Freiheit der Kunst!” oder “Zensur!” abzuwürgen – obwohl die Freiheit der Kunst ein hohes Gut ist, das ich durchaus immer schützen würde.

Und nein, unsere „einzige Verteidigung“ besteht nicht darin zu sagen, „es sei immerhin nicht gesetzlich verboten, was man treibt“, es ist aber ein wichtiger Hinweis, dass die Zurschaustellung von Hakenkreuz und Swastika in dem Fall von einem weitsichtigen Gesetzgeber, im Rahmen der Kunst, die nicht im Verdacht steht rechtes Gedankengut zu verbreiten, erlaubt wurde.

Was mir rätselhaft bleibt: Warum nimmt der Autor vorauseilend an, dass wir als Kunsthaus an „ernstlichen Gesprächen“ nicht interessiert seien? Das Gegenteil ist der Fall. Wird nicht genau mit einer solchen Aussage eine Frontstellung von „uns“ gegen „die“ eröffnet, die der Schreibende uns unterstellt? Der Diskurs findet statt seitdem die Weiße Fahne von TEER vor unserem Haus steht.

Dieser Beitrag ist eine Replik auf einen Text von S. Schmitzer, veröffentlicht hier: http://kulturingraz.mur.at/weisse-fahne-schwarzes-herz-zensur/

Kategorie: Kunsthaus Graz
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