Leszek und Agnieszka in ihrem Büro. Foto: Elisabeth Schlögl

17. Mai 2017 / Elisabeth Schlögl

Blog aus Łódź Nr. 3: Interview mit Agnieszka Wojciechowska-Sej und Leszek Karczewski

Kunsthaus Graz

Anknüpfend an meinem letzten Blogbeitrag aus Łódź, folgt heute eine Kurzfassung der Interviews, die ich mit Agnieszka Wojciechowska-Sej und Leszek Karczewski geführt habe. In unseren Gesprächen erzählten sie mir von ihren Arbeitsschwerpunkten im Muzeum Sztuki und über das, was sie persönlich motiviert.

Agnieszka Wojciechowska-Sej arbeitet mit Leszek Karczewski zusammen in der Abteilung für Kunstvermittlung. Unter anderem betreut sie die polnische Jugendgruppe für das translocal-Projekt Museum as a Toolbox. Nächste Woche werde ich bei einem der wöchentlichen Treffen mit den Jugendlichen dabei sein. Die Ausstellung Museum as a Toolbox wird übrigens am 27. Mai im Muzeum Sztuki eröffnet – ich werde darüber berichten!

ES: Wie schaut deine Arbeit im MSL aus?
AWS: Ich erarbeite und mache Workshops und Vorträge, die die temporären und permanenten Ausstellungen im MS1 und MS2 begleiten. Ich arbeite mit Senioren, Jugendlichen, Schülern und Kleinkindern zusammen. Heute bereite ich zum Beispiel einen Vortrag vor – für interessiertes Laienpublikum zum Thema Porträt. Ich trage aber keine kunsthistorische Abhandlung vor, sondern erzähle vielmehr über soziale und kulturelle Themen, die ich anhand von Porträts vermitteln kann, zum Beispiel über Arbeitsbedingungen von Künstlern und Künstlerinnen und ihre Rolle in der Gesellschaft.

ES: Was motiviert dich, diese Arbeit zu machen? Und was war einer der schönsten Momente in deiner Arbeit?
AWS: Es macht großen Spaß, mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu arbeiten, immer wieder Neues dazuzulernen und gleichzeitig praktische Erfahrung zu gewinnen. Und ich arbeite gerne mit Leszek zusammen (Leszek kommt gerade in den Raum und setzt sich zu uns ;))

Es gibt eine Menge schöner Momente, aber der Workshop letztes Jahr im Mai mit Aldo Giannotti war bestimmt ein Highlight. Wir, Aldo, die Jugendgruppe und ich, haben viel Zeit miteinander verbracht. Es war jeder mit voller Begeisterung dabei und es gab viel positive Energie. Am Ende des Workshops kamen die Eltern der Jugendlichen. Aldo stellte sich und seine Arbeit allen vor, unter anderem das Projekt, das er gemeinsam mit ihren Kindern machte (Anmerkung: Sie erarbeiteten Sätze, das ein Museum für zeitgenössische Kunst in der Zukunft beschreibt und installierten diese im öffentlichen Raum.

Die Jugendlichen waren sehr stolz darauf, Teil seines „Portfolios“ zu sein, und die Eltern waren wiederum stolz auf ihre Kinder – die Stimmung ging unter die Haut.

ES: Gehst du oft in Museen und Ausstellungen?
AWS: Ja, sehr oft und ich schleppe meine Familie überall hin mit. Zum Glück mögen meine Kinder meinen Arbeitsplatz im MS2, sie sind hier auch jederzeit willkommen und entdecken immer wieder etwas Neues. Meine Kolleginnen haben alle Kinder, bis auf Leszek, er hat einen Hund.

 

Leszek Karczewski leitet die Abteilung für Kunstvermittlung seit 2008, davor studierte er Theaterwissenschaften. Sehr performativ war auch sein erstes Projekt im MS2: Der Ausstellungsraum blieb leer, die Besucherinnen und Besucher fanden Stifte, Farben und Werkzeug vor und wurden eingeladen, in einem kollektiven Prozess selbst eine Ausstellung zu kuratieren und zu produzieren. Hinter dem Projekt stand die Fragestellung an die bereits in meinem ersten Blog aus Lodz erwähnte Nachbarschaft: „Welche Ausstellung, welche Kunst wollt ihr hier sehen?

ES: Wie würdest du deine Arbeit in paar wenigen Sätzen beschreiben?
LK: Ich bin als Leiter der Abteilung für Kunstvermittlung dafür verantwortlich, ein öffentliches Programm in einem Museum zu organisieren, um Wissen über moderne und zeitgenössische Kunst in andere „Sprachen“ (Erfahrung und Gefühle) zu übersetzen und für alle Generationen zugänglich zu machen.

ES: Was motiviert dich, diese Arbeit zu machen?
LK: Ich habe viele Motivationen. Erstens komme ich von den Theaterwissenschaften, wo es meine Pflicht war, das, was auf der Bühne passiert, öffentlich zu kommunizieren – und zwar die Essenz, die Werte und Inhalte davon. Als Kunstvermittler setze ich das fort.

Zweitens gibt es in Schulen eine sehr reduzierte Art der Kunstvermittlung, dort lernst du etwas über Techniken oder kunsthistorische Daten. Wir als Museum bemühen uns, Lücken in der schulischen Kunsterziehung zu schließen. Kunst ist für uns alle da. Wir sind bemüht, Kreativität und eine kritische Haltung dem gegenüber zu fördern, was wir sehen und wie wir es sehen.

Drittens macht es Spaß und es macht mir Freude, mit Agnieszka zusammenzuarbeiten (Anmerkung: In diesem Moment hat Angieszka nachgefragt, ob Leszek sie schon erwähnte.) Kunst ist ein Vehikel, um über gesellschaftlich relevante Fragen und Themen nachzudenken und zu diskutieren, ohne einen Handlungszwang oder direkten Nutzen generieren zu müssen. Die Effektivität von Kunst ist limitiert, sie kann keine politischen und sozialen Systeme oder Strukturen bestimmen. Genau deswegen hat Kunst aber auch so viele Freiräume und schafft kleine Blasen mit neuen Werten und Perspektiven, die wiederum eine Wirkung auf die Gesellschaft haben können.

ES: Besuchst du gerne Museen?
LK: Ja. Museen sind immer ein Spiegel einer Gemeinschaft, sie repräsentieren eine Gesellschaft oder konstruieren Traumbilder. Alle Museumsobjekte sind Träger von Botschaften. Unser Direktor Jaroslav Suchan betont immer einen grundlegenden Unterschied zu anderen kulturellen öffentlichen Einrichtungen wie Theater, Oper, Kino:

Im Museum musst du dich bewegen, andernorts sitzt du, beobachtest du, hörst zu und konsumierst, im Museum musst du selbst aktiv werden.

 

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Futsch in Łódź 

Blog aus Łódź Nr. 2: Im Gespräch mit Marta Madejska

Die Kunsthaus Mitarbeiterin Elisabeth Schlögl ist im Mai 2017 “unsere Frau” in Łódź, Polen. Der translocal-Partner Muzeum Sztuki w Łódźi stellt ihr für einige Wochen eine Unterkunft und einen Arbeitsplatz zur Verfügung. Was sie hier macht und was ihre Motivation war, nach Łódź zu kommen, erfährt ihr in ihren Blogbeiträgen.

Kategorie: Kunsthaus Graz
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