8. Februar 2018 / Walter Feldbacher
Auf der Suche nach analogen Fotografien zur Kindberger Wirtschaftsgeschichte
Einblicke in die Projektpraxis der „Landesaufnahme II“
Um das Projektziel der „Landesaufnahme – Steirische Wirtschaftsgeschichte in medienhistorischen Artefakten seit 1850“ zu erreichen, kontaktieren die Mitarbeiter/innen der Multimedialen Sammlungen seit beinahe einem Jahr ausgewählte Unternehmen bzw. – im Falle von nicht mehr bestehenden Betrieben – auch Privatpersonen oder Institutionen mit der Bitte, ihre analogen Foto-, Film-/Video- und Tonbestände zur Wirtschaftsgeschichte in einem Fragebogen systematisch zu erfassen und zu verzeichnen. Die Ergebnisse der „Landesaufnahme II“ sollen Mosaiksteine für eine medienhistorische Gewerbe- und Industrielandkarte der Steiermark sein. Über die Funktion eines Rechercheprojekts hinaus bieten die Multimedialen Sammlungen den Projektpartnern auch die Möglichkeit, ihre (persönliche) Wirtschaftsgeschichte auf der Webseite des Museums für Geschichte zu präsentieren.
Auf der Suche nach Projektpartnern im Raum Kindberg konnten wir uns der großartigen Unterstützung der Stadtgemeinde sowie von Alexander Schein, einem Kenner der regionalen Geschichte, erfreuen. Dank einer in der Gemeindezeitung 2017/03 veröffentlichten Projektbeschreibung samt „Aufruf“ und der anschließenden persönlichen Betreuung der Teilnehmer vor Ort – Digitalisierung, Klärung der Nutzungsrechte und inhaltliche Recherchen – können wir nun sechs weitere Wirtschaftsgeschichten aus dieser Region vorstellen. „Diese Präsentationsmöglichkeit im Internet trägt viel zur Wertschätzung der analogen Fotografien bei“, erklärt Alexander Schein, „zudem kann Kindberg als Gewerbe- und Handelsstandort mit Tradition ins Bewusstsein auch jüngerer Leute gerückt werden“.
Das ehemalige Hotel Gruber – ein Hotspot in Kindberg
Drei Generationen der Familie Gruber besaßen zwei nebeneinanderliegende Bürgerhäuser in der Hauptstraße und betrieben dort zunächst eine Fleischhauerei und ein Gasthaus: Johann Gruber ab 1877, Johann jun. ab 1888 und Franz von 1933 bis zu seinem Tod 1971. Franz Gruber erwarb sich auch als Obmann des Fremdenverkehrsvereines große Verdienste um Kindberg. Nach mehreren Umbauten konnte das Hotel seinen Gästen zuletzt 66 Fremdenzimmer, Garagen, eine Gästebibliothek und eine Liegeterrasse anbieten. Der steirische Landeshauptmann Josef Krainer sen. sowie der britische Außenminister und spätere Premierminister Anthony Eden waren hier wiederholt zu Gast, aber auch Eleanor Roosevelt, Maxi Böhm oder Udo Jürgens.
Die Kindberger Schneiderfamilie Hessinger
Josef Hessinger nahm an der „1. Mürztaler Handwerker-Ausstellung“ teil, die von 5. bis 26. August 1906 in Kindberg stattfand. Er war auch Mitglied im Presseausschuss dieser Veranstaltung. Der Genossenschaftsverband Kindberg bezweckte mit dieser Schau, den damals „schwer um seine Existenz kämpfenden Mürztaler Handwerkerstande“ zu stärken. In der „Handwerker-Halle“ präsentierten sich 99 – mehrheitlich Mürztaler – Betriebe aller Sparten. Zudem wurden in der „Maschinen-Halle“ technische Errungenschaften aus der Monarchie und dem Ausland ausgestellt. Damit sollte die Einführung von Maschinen und verbesserten Werkzeugen in den heimischen Betrieben angeregt werden. Josef Hessinger war auch 1924 bei der 2. Mürztaler Handwerker-Ausstellung (ebenfalls in Kindberg) vertreten.
Eine Gemischtwarenhandlung und eine Schmiede in Kindberg
Hans Lutz erlernte zuerst das Tischlerhandwerk und machte dann eine Handelslehre im Geschäft seiner Tante und Ziehmutter Johanna Korzinek (geb. Lutz), welches er nach ihrem Tod 1935 übernahm. Er verkaufte hauptsächlich Lebensmittel, aber auch etwa Toiletteartikel, Viehsalz, Petroleum, Schulhefte usw. Seine Frau Josefine unterstützte ihn dabei. Sie war die Tochter des Schmiedemeisters Josef Matauschek, der eine Werkstatt in Kindberg betrieben hatte. Nach Matauscheks frühem Tod im Jahr 1915 führte die Witwe Mathilde den Betrieb noch eine Zeit lang weiter.
Hans Lutz musste die Gemischtwarenhandlung aufgrund der damals aufkommenden billigeren Konkurrenz 1967 schließen. In den folgenden 30 Jahren war die Grazer Wechselseitige Versicherung im ehemaligen Geschäftslokal eingemietet, dann wechselten die Mieter wiederholt. Rita Payr, Tochter von Josefine und Hans Lutz, bewohnt heute das Haus und hat die Fotos zur Verfügung gestellt.
Die ehemalige Schrack-Fabrik in Kindberg
Die Wiener „E. Schrack Elektrizitäts-Aktiengesellschaft“ erwarb 1971 die Kindberger „Senseninsel“, das Areal einstiger Sensenhämmer. Dort befand sich das Gebäude der aufgelassenen Schafwollwarenfabrik Grazer, in dem die Firma Schrack ein Werk für Nachrichtentechnik einrichtete. Bei der Eröffnungsfeier 1972 waren bereits 170 Personen, großteils Frauen, beschäftigt. In den 1980er-Jahren wurde der Bau um Fertigungs- und Lagerhallen erweitert, und die Zahl der Mitarbeiter stieg auf über 500 (ca. 75 Prozent Frauen). Im Kindberger Werk wurden Telefonanlagen, aber auch Brandmeldeanlagen montiert, von hier kam des Weiteren etwa die elektronische Ausstattung des Arlberg-Straßentunnels.
Ende der 1970er-Jahre erfolgte die Umstellung von Elektromechanik auf Elektronik. Stromversorgungsgeräte für die Computerindustrie wurden ein weiteres Standbein. Ab 1993 wechselten die Eigentümer mehrmals und 2004 zog sich die letzte Elektronikfirma von der Senseninsel zurück. Die präsentierten Fotografien sind im Besitz von Rudolf Dorn, der mit besonderer Unterstützung durch seine Frau Hedwig das „Schrack-Werk“ in Kindberg aufbaute und dessen erster Direktor wurde.
Aus dem Archiv der Sparkasse Kindberg
Die Sparkasse der Marktgemeinde Kindberg wurde 1873 gegründet und hatte ihren Sitz im Rathaus. Das heutige Sparkassengebäude konnte im Dezember 1938 bezogen werden. Ebenfalls 1938 wurde die Zweigstelle in Krieglach eröffnet, weitere Geschäftsstellen der Sparkasse Kindberg folgten: Wartberg im Mürztal (1969), Veitsch (1970), Kindberg-Aumühl (1972), Mitterdorf im Mürztal (1980) und Kindberg-Hammerherrenviertel (1989). 1992 ging die Sparkasse Kindberg in der Steiermärkischen Bank und Sparkassen AG auf. Seit 1998 ist Kindberg Sitz eines Regionalzentrums der Steiermärkischen Bank und Sparkassen AG.
Drei Generationen Friseur Weis in Kindberg
Der Familienbetrieb wurde 1931 von Franz Weis im Gebäude der Fleischhauerei und des Gasthauses Ilgerl „zum Schwarzen Adler“ in der Kindberger Hauptstraße gegründet und 1967 vom Sohn Walter Weis übernommen. Der Nachfolger von Kommerzialrat Walter Weis wurde 2013 dessen Sohn Markus Weis. Das Haus, in dem der Betrieb seit Anbeginn untergebracht ist, wenn auch in unterschiedlichen Räumlichkeiten, ist mittlerweile im Besitz der Friseurfamilie.
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