Im Bett, Ausstellungsansicht, Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

8. Februar 2018 / Burkhard Pöttler

Das Bett – Anmerkungen zu Geschichte und Funktion eines Möbels

Volkskundemuseum

Burkhard Pöttler ist Professor am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Graz.

Schlafen ist ein Grundbedürfnis aller Menschen. Dementsprechend weit ist das Spektrum der Schlafstellen und Schlafgewohnheiten und meist sind diese nicht frei gewählt, sondern an soziale, wirtschaftliche oder andere Bedingungen angepasst. Selbst in unserer Region war das Bett als Schlafstelle historisch gesehen keinesfalls für alle eine Selbstverständlichkeit – und ist es auch heute leider nicht immer, wenn wir z. B. an Obdachlose oder Flüchtlinge denken.

Die Bezeichnung „Bett“ ist durchaus mehrdeutig: Sie wird einerseits für das meist aus Holz gefertigte Bettgestell verwendet, andererseits für die Ausstattung, die dieses Möbel erst zur vollständigen Schlafstelle macht. Schließlich ist auch die juristische und metaphorische Verwendung, etwa in der Wendung „Tisch und Bett“, als Umschreibung für den gemeinsamen Haushalt weit verbreitet.

Das Möbel

Schon das Bettgestell oder die „Bettspante“ erreichte in Zeit und Raum zahlreiche Varianten. Neben verschiedenen Formen von Pfostenbetten sind es vor allem die Himmelbetten, die sich in kunstvoller ausgestatteten Exemplaren in den Museen erhalten haben. Diese aufwändigere Form eines Bettes war ursprünglich durchaus funktional begründbar, da in hohen Räumen und bei oft nicht dichten Decken der Himmel einen Schutz vor herabfallendem Schmutz und Tieren bot. Zusammen mit Vorhängen entstand eine Art Zelt, wie es in entsprechenden Gebieten als Moskitonetz auch heute verwendet wird. War schon die Grundform des Himmelbetts für den Großteil der Bevölkerung ein unerschwinglicher Luxus, so waren die Prunkformen dieses Möbels, beeinflusst vom „Sonnenkönig“ Ludwig XIV, zentrales Element im Rahmen der Repräsentationsgewohnheiten des Adels.

Im Bett, Ausstellungsansicht,
Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Einfachere Betten waren, wie auch andere Möbel, oft leicht zerlegbar, um sie je nach Bedarf her- oder wegräumen zu können. Ebenfalls zur Platzeinsparung gab es sog. „Schubbetten“, die bei Nichtbenutzung unter ein höheres Bett geschoben werden konnten. Dennoch war schon aus Platzgründen die Ausstattung mit Betten oft sehr reduziert. Noch für die Zeit um 1900 schildert Rudolf Meringer aus der Sicht des Wiener Wissenschaftlers die bemerkenswerten Schlafbedingungen im Ausseer Land: „Es macht einen sonderbaren Eindruck, die Betten im Herdraum zu sehen. Namentlich die Kranken rückt man nahe an den Herd, weil man meint, das Feuer ziehe die Krankheit aus dem Körper. Wenn in der Rauchstube gearbeitet wird, z. B. Webstühle den größten Teil des Raumes einnehmen, dann wird auf dem Dachboden oder in unheizbaren Nebenräumen geschlafen.“[1]

Noch bescheidener war die Schlafsituation jener Dienstboten, die in verschiedenen Wirtschaftsräumen und teilweise ohne Betten schliefen, doch kommen in Verlassenschaftsinventaren, die nach einem Todesfall den hinterlassenen Besitz auflisteten, fallweise auch Nennungen von Betten im Stall vor, ebenso werden im handwerklichen Bereich Gesellenbetten erwähnt.

Eine Sonderform hinsichtlich des Materials waren Betten aus Eisen, wie eines zum Beispiel 1761 im Inventar eines Grazer Schön- und Schwarzfärbers erwähnt wird.[2] Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Wert des Bettgestells – sofern es überhaupt bewertet wurde – im Vergleich zur Ausstattung mit Bettzeug sehr bescheiden war, denn bei wertvolleren Bettgestellen war auch eine entsprechend wertvolle Ausstattung vorhanden.

Nachttopf, um 1900,
private Leihgabe, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Die Ausstattung

Nicht nur heute ist die Frage, ob man lieber auf Schaum-, Federkern- oder Latexmatratze liegt und sich mit Wolle, Daune oder Kunstfaser zudeckt, abgesehen von den finanziellen Gegebenheiten eine der persönlichen Vorlieben. Schon Ende des 17. Jahrhunderts beschrieb der Engländer Edward Brown in seinem Reisebericht die Ausstattung seines luxuriösen Bettes in Wien und verglich sie mit der in anderen Gegenden: „Wiewol nun zu Wien ein scharffer Winter war / so hat man doch daselbst den Vortheil von warmen Stuben / und daß man zwischen zwey Feder-Betten zu schlafen pflegt: dadurch wird die Kälte gar erträglich. Denn es sind hier die Stuben so wol im Gebrauch / als in andern Gegenden von Deutschland / allwo sie in den Stuben essen und sich aufhalten. […] Das Mittel aber / zwischen zwey Feder-Betten zu liegen / die mit saubern Leylachern überbreitet / und aufgebettet seyn / ist viel bequemer in einem kalten Lande, als meist alle die andern / die man hierwider zu gebrauchen pfleget. Denn in den gemeinen Wirths-Häusern in Teutschland schläfft man insgemein auf Stroh / und so thut man bey nah überall auch in Ungarn/ wo man hinkommt.[3]

Auf die Ausgestaltung des Bettes legten die Bürger großen Wert.

Ungeheizte Kammern dienten, auch in Graz, fast ausschließlich als Schlafraum und wiesen daher mit Ausnahme der Liegestätten kaum Mobiliar auf. Auf die Ausgestaltung des Bettes legten die Bürger jedoch großen Wert: Es war dies ab der frühen Neuzeit in der Regel ein Himmelbett für zwei Personen, das seitlich durch Vorhänge – hier dominierte die Farbe Grün – abgeschlossen sein konnte. Da die Betten sehr hoch waren, bestieg man sie über eine Bank oder einen Fußkasten. Eigene Betten für Kinder gab es ebenfalls. Als gewöhnliche Bettunterlage diente nach wie vor der Strohsack, nur in vornehmen Haushalten schlief man auf Matratzen aus Rosshaar. Darüber wurden Leintücher gespannt, deren Qualität von grobem Rupfen bis zu Damast reichen konnte. Abhängig von den wirtschaftlichen Gegebenheiten und zeitbedingten Gewohnheiten und Moden differierten Auswahl und Beschaffenheit von verschiedenen Unterbetten, Überzügen, Decken, Tuchenten, Pölstern und Kissen freilich beträchtlich.[4]

Im Bett, Ausstellungsansicht,
Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

So enthielt zum Beispiel das überreich ausgestattete und auf 16 ½ Gulden geschätzte Bett im Inventar einer Hafnermeisterin im Jahr 1761 „1 Madrazen mit Rosßhaar, 1 Unterbeth von geblumten Bethzeüg, 1 altes Unterbeth, 8 lange Pölster, 1 türckhische Dekhen, 1 Obertuchet von blau- gestreiften Überzug, 6 Haubt Küsß, 1 Bethspandten von harten Holz und 1 Coperth-Decken“. Die Genauigkeit der Beschreibung zeigt sowohl eine gewisse Faszination aufseiten der Schätzleute bezüglich der reichen Ausstattung als auch den Wunsch der Besitzerin, sich durch Qualität und Quantität der Ausstattung von anderen abzuheben. Das dem Witwer ungeschätzt verbliebene Ehebett war deutlich bescheidener ausgestattet, die ebenfalls vorhandenen vier Betten für Dienstboten, Gesellen und Lehrlinge wurden teilweise als alt charakterisiert und zusammen mit drei Paar Leintüchern immerhin mit 6 Gulden bewertet. So ist das Vorhandensein von schätzenswerten Betten für diese Hausbewohner bereits ein Zeichen eines Wohnstandards, der auch für die Dienstboten einen höheren Lebensstandard – zumindest bezüglich der materiellen Ausstattung – bot.[5]

Weit ab von Graz und deutlich später wurde jedoch noch 1811 im Rahmen der von Erzherzog Johann für die gesamte Steiermark initiierten Fragebogenerhebung für Arnfels zu den Wohnbedingungen der dortigen Bevölkerung festgehalten: „Zum Beth oder Schlafplatze gönnt er sich selten ein frisches Stroh, oder ein Leintuch, sondern lieget auf blossen Holz in seinen Werktags-Kleidern.[6]

Nachtkleid, Anfang des 20. Jahrhunderts, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Die Funktionen

Das Bett hatte außer der Ruhefunktion und gegebenenfalls der Schutzfunktion von Himmel und Vorhängen oft auch Repräsentationsaufgaben zu erfüllen, die sich im besonderen materiellen Wert niederschlugen, wenn die ökonomischen Bedingungen gegeben waren. Dass mehrere Menschen gemeinsam in einem Bett schliefen, war durchaus normal, auch bei Betten, die wir heute als einschläfrig bezeichnen würden. Im bäuerlichen Bereich wurden Betten zumindest von zwei Personen genützt. Besonders Kinder und Dienstboten schliefen teilweise auf den Bänken in der Stube, Knechte auch im Stall. Bei größeren Höfen waren meist im Dachgeschoß Schlafmöglichkeiten für die Dienstboten und Kinder vorhanden.

In bäuerlichen Eheverträgen wurde das Ehebett oft als Mobiliar mit besonderer Bedeutung eigens genannt. Deshalb wurde es in den Verlassenschaftsinventaren meist nicht bewertet, nur pauschal erwähnt, ohne die Ausstattung näher zu beschreiben. Die Bettwäsche war – ebenso wie Tischwäsche und nicht näher spezifizierte Vorräte an Leinwand unterschiedlicher Qualität – ein Element der Wohnumwelt, das meist nur in den Inventaren bessergestellter Bauern zu finden ist.[7] Im städtischen Bereich und im Umfeld der Industrie war bis ins 20. Jahrhundert die Vermietung von Bettstellen üblich. Die Bettgeher durften nur zum vereinbarten Zeitpunkt erscheinen und mussten ihr Bett auch rechtzeitig wieder verlassen.

Der monetäre Wert eines Bettes lag also in der Regel in seiner textilen Ausstattung, die deshalb oft sehr detailliert angeführt ist. Dennoch wurde auch beim Bettgestell unterschieden, ob es aus dem prestigeträchtigeren Hartholz (bis zu Nussbaum) gefertigt war oder nur aus weichem Nadelholz. Wie relativ und zeitlich gebunden diese Zuordnungen jedoch sind, sieht man aktuell an der Wertschätzung, die Betten und andere Möbel aus Zirbenholz erfahren.

 

[1] Rudolf Meringer, Das deutsche Haus und sein Hausrat (= Aus Natur und Geisteswelt 116), Leipzig 1906, 9.

[2] Burkhard Pöttler, Konfigurationen des Lebensstils? Städtische Nachlassinventare als Quelle für materielle Kultur und städtische Identität. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 41 (2011), 165–187, hier 170.

[3] Edward Brown, … Durch Niederland/ Teutschland/ Hungarn/ Servien/ Bulgarien/ Macedonien/ Thessalien/ Oesterreich/ Steirmarck/ Kärnthen/ Carniolen/ Friaul/ &c. gethane gantz sonderbare rejsen …, Nürnberg 1686, 265.

[4] Vgl. Elke Hammer-Luza, Alltagsleben in Graz. In: Walter Brunner (Hg.), Geschichte der Stadt Graz, Band. 2: Wirtschaft – Gesellschaft – Alltag, Graz 2003, 391–502, hier 400.

[5] Konfigurationen (wie Anm. 2), 170.

[6] Burkhard Pöttler, Das ländliche Wohnhaus im Gerichtsbezirk Stainz. Eine Untersuchung historischer Hausformen in der Weststeiermark (= Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde 21), Wien1986, 66.

[7] Burkhard Pöttler, Adelige und bäuerliche Wohnkultur. In: Kulturreferat der Steiermärkischen Landesregierung (Hg.), Lust und Leid, Barocke Kunst – Barocker Alltag. Steirische Landesausstellung 1992, Graz 1992, 307–314, hier 311.

 

Die Ausstellung Im Bett – Episoden einer Zuflucht ist noch bis Ende 2018 im Volkskundemuseum zu sehen.

Dieser Artikel erschien erstmals im Oktober 2017 in Der Vierzeiler. Zeitschrift für Musik, Kultur und Volksleben Nr. 3/2017.

Kategorie: Volkskundemuseum
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