29. Oktober 2019 / Barbara Steiner
Veliko Tarnovo, Arbanassi und die Stiftung des Künstlers Plamen Dejanoff
Bei meinem jüngsten Besuch in der bulgarischen Hauptstadt waren davon nur mehr die Bodenbefestigungen zu sehen. Doch war das Hauptziel meiner Reise diesmal nicht Sofia, sondern Veliko Tarnovo.
Eine Stiftung für die Kunst
Veliko Tarnovo und das nachgelegene Arbanassi sind mit Plamen Dejanoffs Familiengeschichte auf das Engste verbunden und ein wesentlicher Bezugspunkt der Werkserie Foundation Requirements, die wir im Rahmen der Ausstellung Kunst ⇆ Handwerk im Kunsthaus Graz zeigen werden. Bereits 2006 hatte Dejanoff die aufwendige künstlerische Produktion seiner Arbeit nach Bulgarien ausgelagert. Mehr noch, er versuchte, westliche Kunstinstitutionen, Galerien, Verlagshäuser etc. zu überzeugen, ihre Aktivitäten ebenfalls dorthin zu verlegen bzw. in Bulgarien zu investieren. Eine entwickelte Infrastruktur für zeitgenössische Kunst, öffentliche und private Unterstützung gibt es in Bulgarien kaum – mit ein Grund für Dejanoff, 2010 ebendort eine Stiftung zu gründen, deren Ziel es ist, zeitgenössische Kunst in der öffentlichen Wahrnehmung Bulgariens zu verankern und spezifische Projekte – wie etwa Bronze House und Foundation Requirements – umzusetzen. Die Stiftung wird von einer Reihe von Institutionen und Privatpersonen unterstützt.
Die Vergangenheit
In Dejanoffs Stiftung sind bis zu diesem Zeitpunkt ein Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert, ein Badehaus aus dem 16. Jahrhundert in Arbanassi sowie drei Häuser aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert in Veliko Tarnovo eingebracht, die seiner Familie im Zuge eines Restitutionsverfahrens vom bulgarischen Staat rückerstattet wurden. Ferner besitzt die Stiftung mehrere Sammlungen, deren Bestände laufend ergänzt werden: zirka 18.000 historische Dokumente zur Geschichte Bulgariens, 190 Werke zeitgenössischer Kunst, mehr als 2.000 Bücher über Kunst, Architektur, Mode, Film und Design. Die Gebäude sollen künftig öffentlich zugänglich gemacht werden und Ausstellungen zu ihrer Geschichte und von zeitgenössischer Kunst zeigen.
Veliko Tarnovo und Arbanassi sind jedoch nicht nur mit der Biografie Dejanoffs eng verbunden, sondern auch mit der Geschichte Bulgariens. Sie sind im Grunde bis heute Teil einer nationalen Erzählung, die immer wieder überschrieben wurde. Jährlich reisen Hunderttausende Touristinnen und Touristen an diese Orte, deren Bedeutung einem auf Schritt und Tritt begegnet.
Alte Techniken werden reaktiviert
In Veliko Tarnovo habe ich erfahren, dass Le Corbusier, einer der Architekten der Moderne, vor allem von der sogenannten „Stecktechnik“ fasziniert war, die heute noch in vielen alten Gebäuden, auch in seinen eigenen, zu finden ist. Auch Dejanoff wendet die Stecktechnik Jahrzehnte später in seinen Objekten an, für Decken, Paneele, Fußböden und Türen. Dabei werden die einzelnen Teile nur durch Holzstifte und -winkel zusammengehalten. Von anderen wird diese Technik heute so gut wie nicht mehr eingesetzt, ihre Ausführung ist einfach zu aufwendig und teuer.
In jüngster Zeit hat sich Dejanoff mit Hilfe eines älteren Steinmetzes Techniken zur Steinbearbeitung angeeignet. Auch diese Kenntnisse wendet er nun für seine Gebäude an. Eine dieser Mauern wird auch in der Ausstellung zu sehen sein.
In den internationalen Ausstellungen verweisen die Architekturfragmente auf einen abwesenden, entfernten Ort und auch auf eine andere Zeit. Dejanoff gelingt es mit seiner Arbeit nicht nur Aufmerksamkeit für alte Handwerkstechniken zu erzeugen, sondern auch für eine Region in der europäischen Peripherie. Vor Ort, in Veliko Tarnovo und Arbanassi, liegt der Fokus der Wahrnehmung auf lokalen Handwerkstraditionen und dem reichen kulturellem Erbe des Landes, das nur sehr langsam ins öffentliche Bewusstsein dringt. Das meiste, das man vor Ort zu sehen bekommt, ist stark folkloristisch überformt. Dejanoff geht es nicht um Authentizität, sondern darum, Konstruktionen und Bautraditionen, die in seinen Gebäuden zu finden sind, freizulegen. Und er sucht einen öffentlichen Diskurs darüber anregen, ob es tatsächlich noch ein Hotel, ein Restaurant und einen Souvenirshop braucht, oder ob es nicht an der Zeit ist, der Baukultur selbst mehr Stellenwert einzuräumen.
Im Kulturministerium in Sofia
In Sofia traf ich Ekaterina Djumalieva Direktorin der Abteilung Kulturerbe, Museen und bildende Kunst im bulgarischen Kulturministerium, um über künftige Kooperationen zwischen dem Kunsthaus Graz und der Stiftung von Plamen Dejanoff zu sprechen und eine mögliche Unterstützung vonseiten des Ministeriums zu sondieren. Wir würden gerne die Präsentation im Kunsthaus mit Aktivitäten in Veliko Tarnovo und Arbanassi verbinden.
Schlagworte: KUNST ⇆ HANDWERK