27. November 2015 / Theresa Wakonig
Gefährliche Raststätten am Himmels-Highway
Die Winter- und Rastplätze der Vögel sind nur mehr wenig besucht. Daher stellt sich die Frage, ob die Vögel das Gebiet wegen der intensiven Jagd meiden oder ob sich darin ein allgemeiner Rückgang der Vogelbestände entlang der Zugstraße über die Adria spiegelt. Um das herauszufinden, beziehen Ornithologen seit 2010 alljährlich am Höhepunkt des Frühjahrszuges im März und April ihren jüngsten Beobachtungsposten auf der Insel Ada im Mündungsdelta des Flusses Bojana. Von dort aus lassen sich die großen Scharen von Enten, Watvögeln oder Kranichen sehr gut beobachten, die von Nordafrika und Italien aus die Küste der Balkanhalbinsel erreichen.
Spektakuläre Einflugschneise
Durch die penible Aufzeichnung dieser Wanderzüge, die sich an der Flussmündung wie in einer Einflugschneise ins Landesinnere verdichten, lässt sich die Größenordnung des Vogelzuges über die Adria abschätzen und mit den Zahlen rastender Vögel im Küstenhinterland vergleichen. „Die bei günstiger Witterung über das Meer kommenden Vogelschwärme sind ein großartiges, spektakuläres Erlebnis!“, schwärmt der Ornithologe Peter Sackl vom Studienzentrum Naturkunde des Universalmuseums Joanneum. Gemeinsam mit Projektpartnern aus Slowenien, Kroatien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Albanien arbeitet er am „Adriatic Flyway“-Projekt der Stiftung EuroNatur mit.

Österreichische Ornithologen arbeiten an einem Sicherheitskonzept für Zugvögel.
Foto: UMJ/Peter Sackl
Bedroht durch die Jagd
118 unterschiedliche Zugvogelarten, die auf ihrem Weg von Afrika zu den Brutplätzen im Norden die Insel überflogen, haben die Experten im vergangenen Frühjahr gezählt. Die Untersuchungen auf der Insel Ada zeigen, dass besonders die Zahlen der Knäkenten und der stark gefährdeten Moorenten im Vergleich zum Beginn des 20. Jahrhunderts stark zurückgegangen sind. Was ist der Grund dafür?
„Die Jagd ist in dieser Region ein sehr großes Problem“, so der Forscher Peter Sackl. „Nach den Jugoslawien-Kriegen kamen viele italienische Jagdgäste hierher, die alles abschossen, was sich bewegte. Damals sahen wir Unmengen toter und verletzter Vögel. Ein wahres Gemetzel – sowohl an den Rastplätzen im Hinterland als auch an der Küste.“ Das habe sich zwar in den letzten Jahren gebessert, aber die Durchsetzung von Schonzeiten und eines Jagdverbots in den wichtigsten Feuchtgebieten sei, obwohl die meisten Gebiete durch nationale Gesetze und internationale Abkommen geschützt sind, nach wie vor ein Problem.
Bleibt zu hoffen, dass die Erforschung des „Adriatic Flyway“ und seiner besonderen Gefahren ein breites Bewusstsein für die Schutzwürdigkeit der faszinierenden Lebenswelt über unseren Köpfen und ihrer wichtigsten Bodenstationen schafft.
Schlagworte: Biowissenschaften | Jagd | Zugvögel