26. Juni 2019 / Bianca Russ-Panhofer
Franz Josef Böhm – Chronist des Mürztales.
Der Kaiser und sein Jagdschloss
Als professioneller Fotograf erwirtschaftete Böhm den Großteil seines Einkommens durch Atelieraufnahmen. Er wagte sich jedoch auch in die Landschaft hinaus und zu bedeutenden Ereignissen, und zwar mit einer Ausrüstung, die am Beginn des 20. Jahrhunderts nicht so handlich, kompakt und leichtgewichtig war wie heute und auch nicht einfach im Auto verstaut werden konnte, um direkt zum Ort des Geschehens zu fahren.
Kaiser Franz Josef I. kam mit dem russischen Zaren Nikolaus II. Ende September 1903 nach Mürzsteg, um die politische Situation am Balkan zu besprechen und einen Konsens über ein gemeinsames Vorgehen in der Krisenregion zu finden. Böhm erhielt den Auftrag, den Aufenthalt der Monarchen fotografisch festzuhalten. Die politischen Gespräche wurden immer wieder unterbrochen, um der kaiserlichen Jagdleidenschaft zu frönen und ein paar Gämsen zu erlegen. In nur zwei Jagdtagen erlegten – laut kaiserlichem Leibjäger und Verwalter des Jagdschlosses – der Kaiser, der Zar und der damalige Thronfolger Franz Ferdinand 37 Stück Gamswild. Böhm hielt mit seiner Kamera vor allem die Jagdausflüge der hohen Herren fest.
Das politische Ergebnis des Treffens, die sogenannten „Mürzsteger Beschlüsse“, zeigten im Nachhinein betrachtet jedoch kaum Wirkung.
Franz Josef I. soll im Lauf seines Lebens an die 55.000 Stück Wild erlegt haben. Die Leidenschaft des Kaisers entsprach ganz der klassischen Freizeitgestaltung des Adels, denn nur dieser konnte sich die kostspieligen Jagdreviere auch leisten. Franz Josef standen gleich mehrere Jagdgebiete zur Verfügung, das kaiserliche Revier in Neuberg an der Mürz, in dem Hofjagden im Frühjahr und Herbst stattfanden, galt in der Monarchie als eines der schönsten. So ließ sich Kaiser Franz Josef 1869 ein Jagdhaus, das als großbürgerliches Landhaus vom Wiener Architekten-Duo August Schwendenwein und Johann Romano entworfen wurde, errichten, das er aus seinem Privatvermögen bezahlte. 1886 wurde ein Park rund um das Anwesen hinzugefügt und zeitgleich eine Wasserleitung eingebaut. 1879 wurde das Gebäude zum ersten Mal durch den Anbau des Nordwesttraktes erweitert.
Bis zum zweiten Ausbau im Jahr 1903 war es als bescheidenes Anwesen angelegt, seither heißt es auch offiziell „Jagdschloss Mürzsteg“. Das Gebäude mit seiner steilen Dachlandschaft und schindelverkleideten Fassade im Obergeschoss zieren seither drei mehrgeschossige Türme und ein Erker.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Schloss enteignet, die Repräsentationsräume wurden zu einem Museum umgewandelt und der restliche Teil des Gebäudes an Sommergäste vermietet. Im Zweiten Weltkrieg stand es dann meist leer. Im März 1945 diente es als Versteck für die ungarische Stephanskrone, die von Ferenc Szálasi nach Absprache mit Hitler im Bunker des Schlosses untergebracht wurde, um sie vor der anrückenden Roten Armee zu verstecken. Kurze Zeit später wurde die Krone per Lastwagen über Mariazell nach Mattsee gebracht und dort versteckt. Seit 1947 steht das Schloss nun dem jeweiligen Bundespräsidenten der Republik Österreich als Sommersitz zur Verfügung. Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz und ist aus Sicherheitsgründen nicht mehr zu besichtigen.
Kaiser Franz Josef war mit den 1903 entstandenen Aufnahmen von Franz Josef Böhm sehr zufrieden und verlieh ihm aus diesem Anlass den Titel des „Hof- und Kammerphotographen“.
Die Aufnahmen dieser Jagdgesellschaft verschafften dem jungen Fotografen auch eine gewisse überregionale Berühmtheit. Kunden aus Wien und Graz kamen nach Mürzzuschlag, um sich vom Fotografen des Kaisers ablichten zu lassen.
1906 erhielt Böhm auch von Zar Nikolaus II. für die übersandten Bilder der Hofjagd von 1903 den Titel „Hofphotograph Seiner Majestät des Kaisers von Russland“ verliehen, den er nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges jedoch wieder ablegte. Das Diplom schickte er an die Bezirkshauptmannschaft.
Das Kaiserhaus beauftragte Böhm immer wieder, Fotografien anzufertigen. So fotografierte er im Februar 1908 Erzherzogin Marie Josefa und ihre Söhne Erzherzog Karl Franz Josef und Erzherzog Max bei der Ausübung des Wintersports am Semmering: Erzherzog Max als Skiläufer und Erzherzog Karl Franz Josef mit Anhang auf einem Bobsleigh. Laut Zeitungsberichten musste Karl Franz Josef auf das Schifahren verzichten, weil er sich zuvor ein Bein gebrochen hatte. Acht Monate später erhielt Böhm für die Fotografien von Erzherzog Karl Franz Josef eine „prachtvolle Brillant-Busennadel“ und ein Anerkennungsschreiben durch die Kammervorstehung überreicht.
Abgesehen von diversen Verleihungen und kaiserlichen bzw. erzherzoglichen Geschenken war für Böhm die Veröffentlichung der Aufnahmen in diversen Zeitschriften wie „Sport & Salon. Illustrierte Zeitschrift für die vornehme Welt“, die die wintersportlichen Unternehmungen der Erzherzöge – vor allem jene Erzherzog Karl Franz Josefs – genauestens kommentierten, lukrativ. Durch solche Publikationen wurde Böhm auch außerhalb der Region bekannt.
Schlagworte: Franz Josef Böhm | Steirische Geschiche