Terry Winters, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

16. März 2016 / Barbara Ertl-Leitgeb

Eine Verbindung zwischen dem Malen und der Neugier für die Natur

Kunsthaus Graz

Terry Winters nutzt in seiner Malerei abstrakte Prozesse, um Bilder einer realen Welt zu schaffen. Für die Ausstellung Das Kabinett des Malers im Kunsthaus Graz hat er Objekte aus den naturkundlichen Sammlungen des Universalmuseums Joanneum ausgewählt und stellt sie seinen eigenen Bildern, Drucken und Grafiken gegenüber. Im Gespräch mit Monika Holzer-Kernbichler erzählt der Künstler unter anderem über den Entwicklungsprozess seiner Bilder und die Grenzen zur Natur.

Monika Holzer-Kernbichler: Neben Ihren Kunstwerken befinden sich in der Ausstellung im Kunsthaus Graz auch Objekte aus den naturkundlichen Sammlungen des Joanneums. Wie beeinflussen sich die Objekte gegenseitig?

Terry Winters: Mich interessiert die Vorstellung, dass es eine Wechselwirkung im Entwicklungsprozess geben könnte, die auf irgendeine Art und Weise natürliche Wachstumsstrukturen simuliert. Ein indischer Philosoph sagte einmal, dass Kunst die Imitation der Natur und ihrer Wirkungsweise ist. Ich glaube, dass diese fast ökologische Sichtweise jetzt sehr relevant dafür ist, wie wir über die Umwelt und unseren Platz in ihr denken.

Wie beeinflussen die Bilder, die wir uns von der Natur erschaffen, unsere Art zu sehen?

Ich hoffe, dass sie unsere Beziehung zur Natur, oder wie wir in sie eingebettet und untrennbar von ihr sind, erleuchten. Die Grenzen zur Natur sind durchdringbar und fließend, und das öffnet ganz allgemein unsere Beziehung zum Leben.

 

Terry Winters

Die Malerei von Terry Winters im Spiegel der naturkundlichen Sammlungen; Foto: N. Lackner

Könnte man sagen, dass jede gemalte Form schon in der Natur existiert?

Die gleichen Kräfte, die Formen in der Natur erschaffen, erschaffen auch Formen in der Malerei, und ich glaube, dass es um diese parallele Entwicklung und die Äquivalenz in der Strukturbildung geht, sodass Ähnlichkeiten in Gemälden entwickelt werden, die mit Dingen korrelieren, die schon in der Natur existieren. Dies entsteht als eine weitere Manifestation der Welt, in der wir leben – gewissermaßen eine Rückkehr zur Vorstellung, neue Arten der Optik zu erschaffen, wie Natur durch Malerei gesehen werden kann. Malerei hat diese einzigartige Fähigkeit, weil sie durch Material generiert wird und durch die Verwendung der Hände, sodass diese Darstellungen erschaffen werden, die eine Korrespondenz (zur Natur) aufweisen.

Welche Bedeutung haben Museen – vor allem naturwissenschaftliche – für Sie?

Sie sind Sammlungen des Wissens, die eine neue Stellung in der Erforschung des Klimawandels eingenommen haben, da sie bemerkenswerte Daten darüber enthalten, wie sich die Lebensbedingungen in den letzten 150 Jahren verändert haben. Ich glaube, sie haben eine neue Relevanz erfahren aufgrund der Informationen, die sie besitzen. Sie sind ein lebender Bestandteil davon, was auch immer zeitgenössisches Leben gerade bedeutet. Wirklich toll an naturwissenschaftlichen Museen ist, dass sie von vielen Kindern besucht werden, und ich glaube, es gibt eine Verbindung zwischen dem Malen und dieser Neugier für die Natur, die sehr kindlich ist. Wir alle haben eine Verbindung zu diesen Dingen, die sehr unmittelbar sind, und es ist schön, dass es diese Verbindung auch in der Ausstellung gibt.

 

Wie sehen Sie den Bezug von musealen Sammlungen zu digitalen Archiven wie beispielsweise der Online-Plattform Pinterest, die Sie verwenden?

Ich glaube, Pinterest ist eine weitere Methode der digitalen Datensammlung, die auch museale Möglichkeiten hat – zum Beispiel mit Naturobjekten und wie diese in Museen gesammelt werden.

 

Terry Winters, Pinterest

Ausstellungsansicht, Das ‘Graz Cabinet’ als Pinterest-Tapete in der Ausstellung, Foto: N. Lackner

 Ihr Studio ist von Natur umgeben. Wie würden Sie ihre Beziehung zur Natur beschreiben?

Ich lebe eigentlich in New York City, [also ist es gut, dass …] aber als Kind war ich oft am Land und somit gibt es eine Verbindung zu dieser Zeit und wie es sich angefühlt hat, was es bedeutet, Zeit am Land zu verbringen. Seit 14 Jahren verbringe ich einen guten Teil der Zeit auch am Land in der Nähe von New York und ich glaube, es gibt eine erneuerte Verbindung zu diesen sich immer verändernden Bedingungen des Lebens in der Natur.

Die Größe Ihrer Gemälde in der Ausstellung ist sehr eindrucksvoll. Können die Bilder als eine Art vergrößerter Mikrokosmos betrachtet werden?

Ich arbeite in verschiedenen Größen, der Maßstab ist jedoch immer Menschengröße – egal ob es die Größe einer Hand ist oder die eines Körpers. Der menschliche Körper ist immer das Maß. Die Gemälde entstehen aus Gestik und Berührung heraus, und so reagiert man auch auf Bilder. Wir sind zwar verbunden, aber wir sehen so viele Bilder, die ideell oder von materieller Existenz getrennt sind, und ich glaube, das ist Teil der Malerei. Was nun geschieht, ist, dass digitale Information mit Körperlichkeit versehen wird und dass wir eine Art physische Resonanz durch Substanz und Bild erfahren.

Die Oberfläche Ihrer Drucke ist außergewöhnlich. Verwenden Sie eine besondere Tinte?

Ich habe eine Tinte verwendet, die für den Buchdruck in Braille-Schrift entwickelt wurde, und diese Tinte breitet sich aus, wenn sie UV-Licht ausgesetzt wird. Ich habe in einer Druckwerkstatt gearbeitet, die Maschinen hatte, mit denen ich in dieser Größenordnung arbeiten konnte. Ich habe die bedruckten Bögen UV-Licht ausgesetzt und somit entstand ein physischer Aufbau von Sequenzen und Zeichnungen, die mit dieser Braille-Tinte gedruckt wurden. Dadurch ergibt sich auch diese haptische Oberfläche.

 

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Terry Winters, “Atmospheres (12)”, 2014, Siebdruck, 148,5 x 112 cm, Two Palms, Foto: Two Palms, Courtesy Two Palms

Wollen Sie mit Ihren Werken eine bestimmte Reaktion im Betrachter hervorrufen?

Nicht wirklich. Ich ringe damit, Darstellungen in einer Art und Weise zu entwickeln, sodass ich eine Verbindung dazu habe. In diesem Kampf steckt auch eine Art Verzweiflung. Deshalb habe ich keine Erwartungen, was die Resonanz auf meine Arbeiten anbelangt. Ich bin immer dankbar, wenn Menschen etwas zu meinen Arbeiten beitragen, das mir hilft, meine Untersuchungen fortzuführen.

Was denken Sie über die Architektur des Kunsthauses Graz?

Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Gegenstand der Ausstellung und der Art des Gebäudes. Ungeachtet des Widerstands, den das Gebäude gegenüber der Präsentation der Werke und Objekte darstellt, hilft es letztendlich, das Thema der Ausstellung und das, worauf wir hier alle hinarbeiten, zu erhellen. Ich bin ein Fan der formalen Erforschung und des technischen Wissens, das benötigt wird, um Gebäude wie dieses zu bauen.

 

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Ausstellungsansicht, “Das Kabinett des Malers. Terry Winters im Dialog mit der Natur”, 2016, Foto: UMJ/N. Lackner

Verschaffe dir selbst einen Eindruck vom spannungsvollen Wechselspiel zwischen Terry Winters künstlerischer Arbeit und ausgewählten Exponaten aus den naturkundlichen Sammlungen des Universalmuseums Joanneum in der Ausstellung Das Kabinett des Malers. Terry Winters im Dialog mit der Natur im Kunsthaus Graz.

Transkription und Übersetzung: Verena Borecky

Kategorie: Kunsthaus Graz
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