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21. Dezember 2013 / Christoph Pelzl

#DailyVanish: Damit Dinge nicht verschwinden

Forschung

Sebastian Hartmann aka „Museumsheld“ hat zu einer Blogparade aufgerufen. Unter dem markanten Hashtag #DailyVanish sammelt er Dinge, die aufgrund verschiedenster technischer Entwicklungen klammheimlich aus unserem Alltag verschwanden oder einfach in Vergessenheit geraten sind.

Auch für Museen zählt das Sammeln und Bewahren von Dingen zu den Kernaufgaben. Es stellt die Basis für die gesellschaftlichen Wissensspeicher dar. Insofern war es nur logisch, dass auch wir dem Aufruf folgten und einen Beitrag zur Blogparade beisteuern.

Museumsdepots: Schatzkiste mit historischem Wert

Sammlungsarchive und Museumsdepots sind wahre Schatzkammern und reich an historischen Belegen. Auch in den Depots des Universalmuseums Joanneum findet man eine Vielzahl an Dingen, die unter stabilen konservatorischen Bedingungen gelagert und bearbeitet werden. Objekte aus der Alltagskultur und aus der Kunstgeschichte – von Keramik über Möbel bis hin zu historischen Werkzeugen und kunstgewerblichen Produkten, historische Musikinstrumente, Bücher und technische Errungenschaften, aber auch Grafiken, Gemälde, Skulpturen und weitere Zeugnisse vergangener Epochen – sind in großer Zahl vorhanden. Wir hätten also aus dem Vollen schöpfen und eines dieser Objekte näher beleuchten können. Da kam uns aber Nina Gorus vom Historischen Museum Frankfurt zuvor, die ihren Beitrag zur Blogparade der guten alten Schreibmaschine widmete (toller Artikel, unbedingt lesen!).

Deshalb wollen wir uns am Beispiel der joanneischen Stammsammlung – der Mineraliensammlung Erzherzog Johanns – mit jener Strategie befassen, die dem Verschwinden und Verlorengehen von musealen Sammlungsstücken Einhalt gebietet.

 

steirisch-technologische Sammlung, 1820-30er Jahre; Foto: UMJ

steirisch-technologische Sammlung, 1820-30er Jahre;
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Archivieren und Inventarisieren: Ordnung ist die halbe Miete

Das Inventarisieren von Dingen ist keine neuzeitliche Erfindung. Johannes Grossewinkelmann hat es im Blog des Weltkulturerbes Rammelsberg sehr gut beschrieben. Grundsätzlich folgt die Bestandsaufnahme von Objekten immer diesem Schema, auch im Joanneum. Dass die historischen Stücke unserer Mineraliensammlung aber gleich mehrere Inventarnummern besitzen, ist allerdings eine kleine Besonderheit.

Nachdem Erzherzog Johann seine umfangreiche Mineraliensammlung dem Joanneum übergab, sortierte man sie bereits nach einem bestimmten Ordnungsprinzip. Die Systematik änderte sich im 19. Jahrhundert allerdings relativ häufig, da es kein offizielles Inventarisierungssystem gab.

 

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Zunächst wurde der Bestand nach dem Werner-System geordnet, benannt nach dem Freiburger Mineralogen Abraham Gottlob Werner. Jedes einzelne Objekt wurde im Stamminventar festgehalten. Der bedeutende Mineraloge Friedrich Mohs, der ab 1811 das mineralogische Kabinett leitete bzw. von 1813–1817 als Professor für Mineralogie am Joanneum tätig war, führte schließlich eine neue Methode ein. 6300 Objekte wurden auf diese Weise bis 1818 in zwei Katalogen erfasst. Als  der Bestand durch die Sammlungserweiterung immer größere Dimensionen angenommen hat, stieg man mit dem Kasteninventar auf ein neues System (nach Mohs) um (1828–1840).

 

Mohskatalog, 10er-Jahre, 1800; Foto: UMJ

Mohskatalog, 10er-Jahre, 1800;
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Jeder Sammlungskasten erhielt sein eigenes Inventarverzeichnis, in dem ausgestellte Objekte genauso beschrieben wurden wie jene, die in den Laden waren. Weitere Änderungen in den Aufstellungen folgten schließlich in den Jahren 1843 und 1891. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg begann man mit dem bis heute in Verwendung stehenden Inventar.

 

Kasteninventar, 1820er-Jahre; Foto: UMJ

Kasteninventar, 1820er-Jahre;
Foto: UMJ

Die systematische Aufstellung der mineralogischen Schausammlung von 1891, nach dem System von Gustav Tschermak, blieb bis heute in den teils aus dem 18. Jahrhundert stammenden Vitrinen quasi als Museum im Museum erhalten. Die heute gebräuliche Systematiken in der Mineralogie (z.B. nach Strunz oder Dana) erfolgen nach kristallographischen und chemischen Gesichtspunkten.

 

Die historische internationale Mineralsystematik im Naturkundemuseum, die in jenen Originalvitrinen ausgestellt ist, die Erzherzog Johann aus Schloss Schönbrunn mitgebracht hat. Foto: UMJ

Die historische internationale Mineralsystematik im Naturkundemuseum, die in jenen Originalvitrinen ausgestellt ist, die Erzherzog Johann aus Schloss Schönbrunn mitgebracht hat. Foto: UMJ

Mehrwert-Nummern

Neue Inventare machen alte Ordnungssysteme aber nicht ungültig. Deshalb entfernte man bei der Einführung neuer Inventarisierungsprinzipien die alten Nummern nicht. Viele Objekte der Mineraliensammlung haben deshalb mehrere Inventarnummern. Das hat auch einen praktischen Vorteil: Anhand der Nummer ist abzulesen, wie lange das Mineral schon am Joanneum ist.

Seit 1939 erhalten Sammlungsstücke nur noch eine durchlaufende Nummer. Mittlerweile sind es über 60.000 Objekte, die so etikettiert wurden. Im Inventarkatalog ist auch vermerkt, welche Objekte sich aktuell in der Dauerausstellung des Naturkundemuseums befinden oder verliehen sind. Dadurch ist es faktisch unmöglich, dass ein Stück verloren geht.  Auch sämtliche analytische Tätigkeiten sind dazu gespeichert.

 

Bestand für die Ewigkeit

Mitte der 1980er-Jahre begann man man erstmals das Inventar in einer Datenbank zu erfassen. In Kooperation mit der steirischen Forschungseinrichtung Joanneum Research wurde die Datenbank schließlich auf eine professionelle Basis gestellt und das Programm MUSIS (Museums-Informations-System) mitentwickelt. Aus diesem Vorhaben entstand durch das Joanneum Research das heute weit verbreitete Museumsinformationssystem IMDAS. Mittlerweile verwenden außer dem Universalmuseum Joanneum auch viele andere Museen und Archive dieses Programm zur Datenerfassung.

Ab 1983 digitalisierte man massiv. Jedes Objekt wurde berücksichtigt, abgewogen, fotografiert und beschrieben. Auch die Informationen aus den alten Inventarbüchern übertrug man in die Datenbank. Man kontrollierte die Inhalte auf deren Richtigkeit und ergänzte fehlende Informationen. Heute sind ein Großteil der Objekte in der Datenbank erfasst und wichtige Informationen wie Systematikbegriffe, Fundorte thesauriert erfasst und (hoffentlich) für die Ewigkeit gespeichert.

So bleibt das kulturelle Erbe bewahrt – ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung und Weiterentwicklung von Wissen. Damit ist sichergestellt, dass sich auch nachfolgende Generationen mit der Ordnung unserer Sammlungen zurechtfinden.

Ein großes Dankeschön an Hans-Peter Bojar für seine Mithilfe und das ausführliche Hintergrundgespräch zur Inventarisierung.

Kategorie: Forschung
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