9. Oktober 2017 / Katharina Maitz
Zwischen Kunst, Kultur und Sozialem
Im Interview mit Katharina Maitz berichtete Angelika Vauti-Scheucher über ihre tägliche Arbeit, die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen.
Seit 1. Oktober 2016 leiten Sie die Stabsstelle Inklusion und Partizipation. Was kann man sich darunter vorstellen?
Die Stabsstelle versteht sich als Drehscheibe, man kann sie auch als Netzwerk betrachten, weil sie für eine elementare Querschnittsaufgabe innerhalb des Museums zuständig ist. Ganz konkret kommt ihr die Aufgabe zu, neue, spezifischere oder bislang unerprobte Kooperationen anzudenken und diese zwischen dem Museum und Einrichtungen und Institutionen der Zivilgesellschaft zu etablieren. Im musealen Arbeitsfeld verfolgen wir immer auch einen öffentlichen Bildungsauftrag, daher arbeiten wir an der Schnittstelle zu Themen wie Inklusion und kulturelle Teilhabe auch – aber nicht ausschließlich – von beeinträchtigten, marginalisierten oder benachteiligten Gruppen. Auf den Punkt gebracht: Wir wirken Exklusion proaktiv entgegen und arbeiten bewusst mit den heterogenen Lebensrealitäten der Menschen in unserer Gesellschaft.
Was genau bedeuten die Begriffe „Inklusion“ und „Partizipation“ im Kontext des Museums?
Inklusion und Partizipation durchwirken alle Bereiche des Museums. Ziel ist es, das Museum als „Ort des sozialen Geschehens“ noch stärker sichtbar zu machen. Und natürlich auch, dass wir mit den vielfältigen Programmen des Museums noch deutlicher auf Menschen zugehen. Wir müssen uns fragen, ob und wie wir allen Mitgliedern unserer diversen Gesellschaft ihr Recht auf kulturelle Teilhabe ermöglichen. Kunst und Kultur kann auf vielfältigste Weise erkennbar machen, dass Inklusion ein untrennbarer und zentraler Bestandteil jeglichen Diskriminierungsverbotes ist. Gelebte Inklusion und Partizipation verstehe ich in diesem Sinne als elementares Menschenrecht, und im Kontext des Museums als tragende Säule einer offenen und experimentierfreudigen Betriebskultur.
Worin liegen die speziellen Herausforderungen dieser Position?
Meine erste Herausforderung war es, das große Konstrukt des Museums kennenzulernen. Schon davor kam ich zwar durch Kooperationen mit dem Universalmuseum Joanneum in Kontakt, aber Teil des Museumsteams zu sein, ist natürlich etwas ganz anderes und eröffnet völlig neue Sichtweisen. Meine Arbeit versteht sich als „work in progress“, die sich kontinuierlich mit dem Wechsel von Perspektiven beschäftigt – nach innen und nach außen. Ich erarbeite meine Ideen nicht am Schreibtisch, sondern in einem lebendigen, dialogischen und partnerschaftlich orientierten Prozess mit Menschen und Organisationen. Nur so haben wir die Chance, eine bedeutsame Identifikation mit dem musealen Raum zu schaffen. Die größte Challenge für alle Beteiligten besteht dann aber in der konkreten Umsetzung unserer Formate.
In Ihrer Position beschäftigen Sie sich auch mit dem Thema Barrierefreiheit. Was wird hier bereits getan und was ist für die Zukunft geplant?
Inklusion bedeutet mehr als räumliche Barrierefreiheit, die vom Universalmuseum Joanneum ohnehin bestmöglich erfüllt wird. Barrieren beziehen sich nicht nur auf die baulichen Gegebenheiten eines Museums, sie finden sich überall, auch in unseren Köpfen, und manchmal auch dort, wo man sie auf den ersten Blick vielleicht am wenigsten vermutet. Die Kernfrage lautet: Wie schaffe ich Strukturen und Programme, damit Ausgrenzung nicht entstehen bzw. wirksam und nachhaltig abgebaut werden. Barrierefreiheit zu schaffen heißt auch, die Herausforderung anzunehmen, die Perspektive bewusst zu wechseln und möglichst vielfältige und auch niederschwellige Zugänge zum Museum zu gestalten.
Inklusion bezieht sich nicht nur auf Personen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen, sondern auch auf Migrantinnen und Migranten, Seniorinnen und Senioren etc. Welche Projekte konnten im letzten Jahr bereits umgesetzt werden?
Wie bereits erwähnt, ist meine Arbeit als dynamische „work in progress“ zu verstehen – und das wird sie wohl auch immer bleiben. Zurzeit verfolge ich mehrere Projektschienen, einige davon möchte ich benennen: Kulturpatenschaften durch Ehrenamtliche für sozial benachteiligte Menschen beispielsweise. Ein sehr spannendes Pilotprojekt ist die Erarbeitung kultureller Teilhabe von Menschen mit Demenz in Zusammenarbeit mit Einrichtungen, die in der Betreuung der Betroffenen tätig sind. Hier ergeben sich besonders viele Anknüpfungspunkte für eine sinnliche, emotionale und soziale Komponente der Kunst- und Kulturrezeption.
Im Projekt „Museum als Sprachlabor“ wird das Museum zu einem Lern- und Begegnungsraum für Deutschkurse umgewandelt. Die Migrantinnen und Migranten absolvieren ihren Kurs mitten in den Ausstellungen und erarbeiten diese in sprachlicher Hinsicht mit ihren Lehrern. In einem partizipativen Setting erfolgt ein inhaltlicher Austausch zum Thema der jeweiligen Ausstellung, der auf Wunsch auch von Kulturvermittlern begleitet werden kann.
Ein Kooperationsprojekt für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung ist derzeit ebenso in Planung.
Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz?
Das ist gar nicht leicht zu beantworten, weil ich sehr gerne an jedem der Projekte arbeite. Aber das „Museum als Sprachlabor“ macht mir besonders viel Freude, weil es viel Entwicklungspotenzial hat und sich eine Reihe engagierter Menschen und Gruppierungen begeistert einbringt. Hier konnten wir ein großes Interesse und eine Nachfrage wecken, die mich sehr positiv stimmt. Und die völlig neue Arbeit mit demenzerkrankten Menschen, dazu wird es auch im April nächsten Jahres einen interdisziplinären Workshop für Museen und Betreuungseinrichtungen bei uns im Universalmuseum Joanneum geben.
Was bereitet Ihnen besonders viel Freude an Ihrer Position?
Ich arbeite sehr gerne mit Menschen und ich suche stets neue Herausforderungen, auch wenn dies mitunter Überzeugungsarbeit erfordert. Für die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Museum und Sozialem gilt für mich das Motto „no risk, no fun“. Schön ist auch, dass ich in meine Aufgabe meine Netzwerke aus früheren Tätigkeiten und meine Erfahrungen in der Menschenrechtsarbeit, der interkulturellen Vermittlungsarbeit und dem Kulturmanagement einbringen kann. Das Museum ist für mich ein vielfältiger Begegnungsort und spannendes Experimentierfeld, das mit einladender Kommunikation und inklusiven Maßnahmen sein soziales Profil noch weiter schärfen kann.
Und zu allerletzt: Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?
Ich habe keinen wirklich typischen Arbeitsalltag. Bestimmte Rahmenbedingungen und Strukturen sind für mein Arbeiten zwar notwendig, aber grundsätzlich verlaufen meine Tage recht dynamisch. Als quasi „aufsuchendes Museum“ (lacht) besuche ich Einrichtungen und Menschen in ihren Wirkungsstätten, ich bin oft eingeladen, ihre Arbeit oder ihr Umfeld kennenzulernen. Diese Beziehungsarbeit ist eine wichtige Basis für die Zusammenarbeit und die Qualität der Projektentwicklung. Weiters bin ich involviert in die Erschließung neuer Zielgruppen oder alternativer Kommunikationswege und versuche, das Programm des Museums beispielsweise noch besser für Menschen mit Beeinträchtigung oder sozialer Benachteiligung zugänglich zu machen. Man könnte mich auch als Staffelläuferin bezeichnen. Ich stehe immer wieder in einem neuen Startloch und renne so lange, bis ich die Staffel im Museumsteam übergeben kann – und dabei baue ich natürlich auf schöne gemeinsame Erfolge!
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