Universalmuseum Joanneum vor und hinter den Kulissen

7. Juni 2016 / Christoph Pelzl

Wie (Kultur)-Politik Stimmung macht

Kulturpolitik

Öffentliche Kritik gehört zum Tagesgeschäft von (Kultur)-Managern. Dass beispielsweise so mancher Akteur dem Universalmuseum Joanneum aus persönlichen Gründen mit Groll begegnet, ist emotional nachzuvollziehen und weniger überraschend.

Viel mehr erstaunen uns aber immer wieder kulturpolitische Geplänkel, in deren Rahmen die Kritiker mit Halbwissen und hanebüchenen Vergleichen argumentieren. Man kann es nicht leugnen: Solche Anschuldigungen kosten Energie und Zeit. Das gefällt uns naturgemäß gar nicht. Daher liefern wir in diesem Beitrag einige Fakten, die den Mythos des „ineffizienten Museums“ widerlegen und allen Kritikern des Joanneums als Nachschlagewerk dienen können.

Das Universalmuseum Joanneum ist das älteste und zweitgrößte Museum Österreichs. Mit seinen 12 Standorten und 4,5 Millionen Sammlungsobjekten ist es die wichtigste Kunst- und Kulturorganisation in der Steiermark. Das Universalmuseum Joanneum fühlt sich den Ethischen Richtlinien des Internationalen Museumsrats ICOM sowie den Gründungsstatuten von Erzherzog Johann verpflichtet. Es sammelt, bewahrt, beforscht und vermittelt das steirische Kunst- und Naturerbe und zeigt die Ergebnisse in Ausstellungen, Veranstaltungen, Kooperationen – national wie international – auf der Webseite, seinem Museumsblog und über seine Social-Media-Kanäle.

Kritik 1: Das Joanneum arbeitet ineffizient und unprofessionell

Die Universalmuseum Joanneum GmbH versteht sich als hochprofessioneller Kulturbetrieb und hat sich seit seiner Ausgliederung aus der Landesverwaltung vor allem im Bereich der Verwaltung und Organisation (Management-Informations-System, Controlling, Aufbau- und Ablauforganisation) zu einem Best-Practise-Beispiel innerhalb der österreichischen Museumslandschaft entwickelt.

Der Behauptung, dass die Organisation im Universalmuseum Joanneum mangelhaft sei, können wir entgegenhalten, dass wir in den letzten Jahren im Zuge diverser Sparvorgaben unsere Organisation mehrmals gestrafft und auch die Zahl der Abteilungen von 24 auf 13 reduziert haben, um Arbeitsabläufe noch effizienter zu gestalten. Dass die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Unternehmens im Universalmuseum Joanneum gewissenhaft eingehalten werden und die Unternehmensführung angemessen erfolgt, darf als Selbstverständlichkeit bezeichnet werden. Die Fördergeldflüsse sind transparent erfasst und jederzeit abrufbar. Insgesamt ist festzuhalten, dass am Universalmuseum Joanneum seit 2011 in Summe rund 20 Millionen Euro eingespart werden mussten, während unsere Eintrittskartenerlöse seit 2003 kontinuierlich steigen.

Subventionen

Eintrittskartenerloese

Kritik 2: Moderne und zeitgenössische Kunst ist auf Kosten der historischen, kunst- und naturgeschichtlichen Themen überrepräsentiert

Die Geschäftsführung des Universalmuseums Joanneum achtet auf eine programmatische Ausgewogenheit zwischen Kunst, Kultur/Geschichte und Naturkunde. Es gibt laufend Ausstellungen zur Geschichte der Steiermark (Die  Steiermark und der Große Krieg, 2014/15; Die Mur. Eine Kulturgeschichte, 2015/16, 500 Jahre Reformation, 2017; etc.)

Grundsätzlich punktet das Joanneum mit einem vielschichtigen Programm, das sich nicht nur an Touristen, sondern auch an Steierinnen und Steirer aller Altersgruppen wendet. Von 2003 bis 2013 wurden nahezu alle permanenten Sammlungspräsentationen an den verschiedenen Standorten neu aufgestellt. In Zahlen ausgedrückt: Neben den 18 Dauerausstellungen zeigt das Joanneum jährlich über 30 Sonderausstellungen aus allen Wissenschaftsbereichen und bietet über 500 weitere eigene Veranstaltungen an. Trotz aller Sparmaßnahmen – das Joanneum ist das einzige Museum in Mitteleuropa, das es geschafft hat, eine Subventionskürzung von 20% erfolgreich zu verkraften –  konnte die inhaltliche Breite sowie die hohe Qualität der Ausstellungen und Vermittlungsprogramme in unseren 12 Museumsstandorten gehalten werden.

Kritik 3: Zeitgenössische Kunst interessiert niemanden

Mit der Gründung des Joanneums überließ Erzherzog Johann dem Haus auch eine Sammlung von Werken der bildender Kunst, die in der Zeit bis um 1800 entstanden sind und somit aus damaliger Sicht als zeitgenössische Kunst zu bezeichnen sind. In der Folge wurde im Landes- und nachmaligen Universalmuseum Joanneum fortwährend aktuelle Kunst bzw. „zeitgenössische“ Kunst gesammelt und ausgestellt. Das Sammeln, Erforschen und Ausstellen zeitgenössischer Kunst ist daher als fixer Bestandteil unseres Aufgabenfeldes zu betrachten.

Der exzellente Ruf des Universalmuseums Joanneum ist unter anderem mit der Neuen Galerie Graz und ihrer Rolle in der zeitgenössischen bildenden Kunst seit den 1960er-Jahren verbunden. Graz war das Zentrum der Avantgarde und Brennpunkt internationaler künstlerischer Strömungen inkl. der Länder des ehemaligen Ostblocks. Zu erwähnen sind die „trigon“-Biennalen, die internationalen Malerwochen, die Fototriennale etc. sowie die großen Themenausstellungen seit den 1990er-Jahren. Die Neue Galerie Graz hat hierbei eine Schlüsselrolle in der Förderung und Vermittlung der zeitgenössischen Kunst gespielt.

Mit dem Kunsthaus Graz wurde in Graz ein weiteres Haus als Ausstellungs- bzw. Kunsthalle (d. h. ohne eigene Sammlung) mit dem Zweck bzw. dem kulturpolitischen Auftrag der Präsentation zeitgenössischer Kunst eröffnet, welches einen Ruf weit über die österreichischen Grenzen hinaus erlangt hat und zur internationalen Bedeutung von Graz auf dem Sektor der modernen und zeitgenössischen Kunst beigetragen hat.

Kritik 4: Die Bedürfnisse der Besucherinnen und Besucher werden im Programm nicht berücksichtigt.

Neben dem Ziel, Ausstellungen und Vermittlungsprogramme für möglichst viele interessierte Menschen anzubieten, hat das Universalmuseum Joanneum auch seinem Auftrag als wichtige außeruniversitäre Forschungsstätte sowie als Bildungsinstitution nachzukommen. Diesen Anspruch verfolgen wir, indem wir unsere Besucherinnen und Besucher intensiv einbinden und vor allem das Einzugsgebiet der Stadt Graz berücksichtigen. Anders als die Museen in der Bundeshauptstadt Wien, die zu den beliebtesten Tourismusdestinationen der Welt zählt, werden die Standorte des Universalmuseums Joanneum zu einem großen Teil von Menschen aus der Region besucht, die mit wirksamen Kundenbindungsmaßnahmen zu regelmäßigen Museumsbesuchen motiviert werden – dies geschieht mit großem Erfolg, wie die steigende Beliebtheit der www.joanneumskarte.at sowie die sehr beliebten personalen Vermittlungsangebote (Führungen, Workshops, Kunstgespräche, etc.) zeigen, mit denen sich das Universalmuseum Joanneum im Spitzenfeld der österreichischen Museen bewegt.

Kritik 5: Wiener Museen arbeiten erfolgreicher

Immer wieder werden die Zahlen der großen Bundesmuseen als Kennzahlen herangezogen und jenen des Joanneums gegenübergestellt. Dieser Vergleich hinkt aber gewaltig: Wien hat rund sechs Mal so viele Einwohner/innen wie Graz und wird jährlich von rund dreizehn Mal so vielen Touristinnen und Touristen besucht. Auch die internationale Strahlkraft der Wiener Museen ist unabhängig von allen Werbemaßnahmen um ein Vielfaches größer als jene des Universalmuseums Joanneum: Das Naturhistorische Museum beispielsweise ist das weltgrößte Museum seiner Art, und das Kunsthistorische Museum zählt mit seiner einzigartigen Sammlung zu den berühmtesten Museen der Welt.

Kritik 6: Anders als das Joanneum bringen lokale Mitbewerber höchst erfolgreich internationale Ausstellungen mit geringerem finanziellen und personellen Aufwand nach Graz:

Anders als Veranstalter von Repliken-Präsentationen in Messehallen trägt das Universalmuseum Joanneum als ältestes und größtes Landesmuseum Österreichs die Verantwortung für einen kostbaren, historisch gewachsenen Sammlungsbestand von rund 4,5 Millionen Originalobjekten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Universalmuseums Joanneum erfüllen dessen Auftrag, das kulturelle Erbe sowie Zeugnisse der Natur des Landes Steiermark zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen und zu vermitteln auf hohem fachlichem Niveau sowie mit viel persönlichem Engagement.

Bei den in der Behauptung angesprochenen Ausstellungen handelt es sich um Projekte internationaler Großunternehmen, meist aus der US-amerikanischen Medienindustrie, die Nachbildungen historischer Stätten und Funde herstellen lassen und sich mit den Ausstellungen dieser Repliken an Messestandorten – quasi als moderne Schausteller – einmieten. Der dahinter liegende Herstellungsaufwand und die damit verbundenen Kosten, aber auch die Mietkosten und der Marketingaufwand vor Ort werden alles andere als unerheblich sein.

Dem steht der grundlegende kulturpolitische Auftrag an das Universalmuseum Joanneum gegenüber, das originale Kultur- und Naturerbe unseres Landes wissenschaftlich zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen und in Form von Ausstellungen und anderen Programmen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.

Insofern sind Veranstalter wie die „Grazer Messe“ beispielsweise als Ausstellungsbetreiber mit einem (Landes-)Museum nicht vergleichbar. Das Universalmuseum Joanneum besitzt als öffentliche Institution Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, ihren Forschungs- und Informationsauftrag zu erfüllen, worin das Museum durch seine Sammlungen, Ausstellungen, Bibliotheken und Archive sowie als Informations- und Kompetenzstelle als Gedächtnis des Landes fungiert.

Kritik 7: Das Desinteresse am Joanneums-Programm spiegelt sich in den sinkenden Besuchszahlen wider.

Die Besuchszahlen sind zwischen 2010 und 2014 von 486.762 auf 567.883 deutlich um 17 % gestiegen. Ausschließlich im Jahr 2015 war ein Rückgang zu verzeichnen, der jedoch auf den überdurchschnittlich heißen Sommer zurückzuführen war.

Besucher_2005-2016

Kritik 8: Die Besuchsstatistik des Joanneums ist geschönt. Der Großteil der Besucherinnen und Besucher besucht keine Museen, sondern lediglich den Eggenberger Schlosspark.

Der Eggenberger Park ist seit Jahrhunderten integraler Teil der Schlossanlage und damit ein eigenständiges Kunstwerk, das mit der gleichen Sorgfalt bewahrt, erhalten und vermittelt werden muss wie der gebaute Teil des Schlosses. Er ist eines der kostbarsten Gartendenkmäler Österreichs und steht deshalb unter Denkmalschutz. Wie das Gebäude selbst, ist auch er als UNESCO-Weltkulturerbe geschützt.

In diesem Sinne wird der Schlosspark seit 2003 nach einem umfassenden, mit internationalen Experten und dem Bundesdenkmalamt erarbeiteten Parkpflegewerk sorgfältig restauriert. Auf diese Weise konnten zahlreiche bereits verlorene Gartenräume (Planetengarten, Herrschaftsgartel, Garten vor dem Südpavillon, Rosenhügel, historischer Obstgarten) wiedergewonnen werden. Diese werden in einer Vielzahl von unterschiedlichen Führungen sowie wissenschaftlichen und populären Publikationen dem interessierten Gartenpublikum vermittelt. Diese wiedergewonnene Attraktion des historischen Gartens ist übrigens auch der Grund für den großen Anstieg der Besucher/innen-Zahlen. Das Universalmuseum Joanneum wurde dafür nicht ohne Grund 2007 für den Österreichischen Staatspreis für Tourismus nominiert.

Die Schlossanlage mit ihren kostbaren Innenräumen ist kein Museum im eigentlichen Sinne, sondern ein Denkmal, das vom Universalmuseum Joanneum erforscht, konserviert und vermittelt wird. Wie erfolgreich wir diese Aufgabe wahrnehmen, kann an der Verleihung des Welterbetitels für die Schlossanlage abgelesen werden.

Die Erfassung der Besuchszahlen erfolgt übrigens nach Methoden, die in Museen üblich sind: über das Kassasystem, durch Mitarbeiter/innen oder durch technische Zählvorrichtungen.

Und falls es von Interesse sein sollte: Besucherinnen und Besucher von externen Veranstaltungen an unseren Standorten – und derer gibt es mit Spring, Assembly, ars:sonore und La Strada immer mehr –werden für interne Zwecke ebenfalls gezählt, sind jedoch kein Bestandteil der Besuchsstatistik.

Transparenz ist uns wichtig!

Uns war es ein Anliegen, diesen Blogpost onlinezustellen. Ergänzt haben wir den Beitrag mit einem Faktencheck, dem wir uns anlässlich einer dringlichen Anfrage der steirischen FPÖ im steiermärkischen Landtag unterzogen haben. Macht euch selbst ein Bild. Wir beantworten auch gerne weitere Fragen zum Thema.

Update 2019:

Das Universalmuseum Joanneum umfasst 13 Standorte und 4,9 Millionen Sammlungsobjekte.

Kategorie: Kulturpolitik
Schlagworte: |

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Benutzen Sie diese HTML Tags und Attribute:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>