4. Juni 2016 / Karin Leitner-Ruhe

Vom Hochmut bis zur Faulheit, Wunder Tier Teil 3

Alte Galerie

Hochmut, Neid, Zorn, Unzucht, Völlerei, Geiz und Faulheit… menschliche Laster waren vor allem in der Renaissance und im Barock ein sehr beliebtes Thema in der Kunst. In Heinrich Aldegrevers „Lasterzyklus“ fordert die überbordende Tiersymbolik die Betrachtenden ganz schön heraus. Neugierige können sich selbst ein Bild machen –  noch bis 12. Juni in der Graphikvitrine der Alten Galerie.

Die Graphikvitrine der Dauerausstellung in der Alten Galerie ist derzeit mit dem „Lasterzyklus“ von Heinrich Aldegrever (1502–1555 bis 1561) bestückt. 28 Tiere mit unterschiedlichsten Bedeutungen werden hier auf 7 kleinen graphischen Blättern dargestellt – sie machen das Betrachten der Werke zu einem Rätselspiel, das viel Geduld erfordert und auch eine Lupe zweckmäßig macht.

Hochmut

Der Hochmut wird bereits im Alten Testament als aller Laster Anfang bezeichnet (Jesus Sirach 10, 15) und kommt bekanntlich vor dem Fall (Sprüche 16, 18). Immer wieder werden demselben Tier symbolisch sowohl positive als auch negative Eigenschaften zugeschrieben:

Löwe und Adler sind typische Machtsymbole und werden gerne für Wappen verwendet. Steht der Löwe normalerweise für Stärke und Herrschaft, so ist in diesem Fall die Ausnützung derselben gemeint. Ebenso ist der Adler auf der Fahne zu verstehen, der aber auch auf Alexanders Greifenfahrt hinweisen kann: Alexander der Große wollte der Legende nach in den Himmel aufsteigen, um sich dort umzusehen. Dafür konstruierte er eine eigene Trage und spannte darauf Adler (oder Greifen), die ihn in die Lüfte heben sollten. Im Himmel erschien ihm ein geflügeltes Wesen, das ihn rügte, sich anzumaßen, in die Götterwelt aufsteigen zu wollen und zwang ihn zur Umkehr. Daher galt das Motiv im Mittelalter als Sinnbild für den Hochmut. Der Pfau über der Helmzier ist allgemein bekannt als Symbol der Eitelkeit und des Übermuts. Prekär ist hier Aldegrevers eindeutige Anspielung auf den Papst und damit auf die katholische Kirche in Form der Tiara, welche die Personifikation trägt. Diese reitet auf einem sich aufbäumenden Pferd, was wiederum ein Hinweis auf den Hochmut ist, da er „hoch zu Ross“ daherkommt.

Heinrich Aldegrever: Der Hochmut 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Heinrich Aldegrever: Der Hochmut 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Neid

Der personifizierte Neid reitet auf einem stacheligen Mischwesen mit schlangenähnlichem Schwanz, bulligem Körper und zotteligem, hundsähnlichem Kopf. Alles Stachelige wie auch der Giftstachel des Skorpions deutet den Stich des Neides im Träger selbst, aber auch in seinem Gegenüber an, auf das er neidisch ist. Die Schlangen – seit dem Sündenfall Sinnbild der Verführung, des Bösen und des Teufels – verkörpern die schlechten, Gift versprühenden Gedanken des Neides. Die Fledermaus wurde ob ihrer Nachtaktivität eher den dunklen Mächten zugeschrieben. Leonardo da Vinci verglich die Flucht der Fledermaus vor dem Licht mit jener des Lasters vor der Tugend.

Heinrich Aldegrever: Der Neid 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Heinrich Aldegrever: Der Neid 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Zorn

Der Zorn des Bären geht auf Sinnbilder in der Bibel zurück: Wie ein Krieger, dem sein Land oder Hab und Gut geraubt wird, wird auch eine Bärin im Wald zornig, wenn ihr die Jungen genommen werden (2. Sam. 17,8). Der Wiedehopf steht im Alten Testament auf der Liste der unreinen Tiere, weil er mit Vorliebe Würmer und Insekten in der Erde und im Kot sucht (Lev. 11, 19). Ebenso gilt das Schwein als unreines, böses Tier. In Psalm 80, 14 wird der wilde Eber beschrieben, der einen Weinstock verwüstet. Der giftige Basilisk wurde im Mittelalter als Mischwesen aus Schlange und Hahn gebildet und verkörperte wegen seines todbringenden Blickes und Atems den Teufel, die Sünde und den Tod. In einer der wichtigsten Schriften für die Künstler der Renaissance, der 1593 veröffentlichten Iconologia von Cesare Ripa (um 1555–1622), einem Handbuch zur Anleitung von Darstellungen nicht gegenständlicher Ausdrücke wie Emotionen etc., wird der Basilisk verschiedenen Personifikationen zur Seite gestellt, so zum Beispiel der Verleumdung, die nach der Affektenlehre aus dem Zorn hervorgeht.

Heinrich Aldegrever: Der Zorn 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Heinrich Aldegrever: Der Zorn 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Unzucht

Die Wollust oder Unzucht reitet auf einem Dromedar, das eher den Lastern des Zornes und der Faulheit zugeschrieben wird. Aldegrever scheint diesbezüglich manchmal frei zu wählen, welches Tier er hinzufügt, oder er beruft sich auf heute nicht mehr bekannte Quellen. Der Fuchs wiederum wird seit Anfang des 16. Jahrhunderts aufgrund seiner Verhaltensänderung während der Brunftzeit als Verführer zur Lust gedeutet. Junge Hähne oder Hennen wurden bereits in der Antike gerne als erotische Geschenke dargeboten – wie überhaupt der Vogel als Inbegriff des Sexus gilt, da die Begattung deutlich sichtbar im Freien stattfindet. Im Utrechter Wörterbuch von 1623 wird das Wort „voghelen“ eindeutig auch im heutigen deutschen Sinne übersetzt. Der Frosch bzw. die Kröte ist im Alten Testament eng mit der zweiten ägyptischen Plage verbunden, durch die eine unermessliche Anzahl von Fröschen aufgrund ihrer enormen Fruchtbarkeit aus dem Nil kam (Exodus 8, 1–10).

Heinrich Aldegrever: Die Unzucht 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Heinrich Aldegrever: Die Unzucht 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Völlerei

Bereits der römische Gelehrte Aelian (um 170–nach 222) erwähnte in seiner Schrift De natura animalium das Schwein als Symbol der Völlerei, da es sogar menschliche Kadaver und die eigenen Jungen fräße. Das seit dem 16. Jahrhundert bekannte Sprichwort „besoffen wie ein Schwein“ spielt auf die Gier dieser Tiere an. Eigentlich aus nahrungstechnischen Gründen fällt auch der Igel in diese Kategorie. Laut Physiologus, einer frühchristlichen Schrift, die sich mit der Natur – Fauna und Flora – auseinandersetzt, klettere der Igel auf die Weinstöcke, löse die Trauben und spieße sie mit seinen Stacheln auf, um sie in seinen Bau bzw. seinen Jungen zu bringen. Die Eule wurde Ende des 15. Jahrhunderts zum Sinnbild der Völlerei, weil sie das Unverdauliche ihrer Beute (Federn, Haare, Knochen etc.) mit heftigem Würgen wieder erbricht. Ebenso die Katze, die oft vom Putzen ihres Fells ihre eigenen Haare wieder speit, wobei ihr eher Egoismus und Beutegier, jedoch in geduldiger Form, zugesprochen wird.

Heinrich Aldegrever: Die Völlerei 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Heinrich Aldegrever: Die Völlerei 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Geiz

Das bärenartige Wesen, auf dem der personifizierte Geiz reitet, scheint ein Wolf zu sein, der eine Gans gerissen hat. Der Wolf wird im Physiologus als räuberisch wie die Habgierigen und Reichen, die immer mehr von den Armen nehmen, beschrieben. Obwohl nicht nachgewiesen, wird immer wieder überliefert, dass der Wolf seine Beute, ohne hungrig zu sein, rein aus Lust am Töten mit Haut und Haaren reiße. Der Geier – hier möglicherweise ein Mönchsgeier – wird für seinen scharfen Sehsinn bewundert. So kann er Kadaver aus 1000 m Höhe als Erster entdecken und ist damit schneller an seinem Fraß als jedes andere Tier. Als Vogeljäger spielt auch der Falke, wie alle Greifvögel, symbolisch eine negative Rolle. Mit Habgier und Geiz stürzen sie sich auf ihre Beute. Das gebratene, aufgespießte Hähnchen gibt Rätsel auf: In der Kunst des Barock stand ein Mädchen mit einem Hähnchenspieß als Symbol für die Sinnenlust. Im Zusammenhang mit dem Geiz könnte aber auch der Futterneid gemeint sein.

Heinrich Aldegrever: Der Geiz 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Heinrich Aldegrever: Der Geiz 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Faulheit

Die Kirchenväter übernahmen das Bild des Esels aus der Antike, wonach er dumm, störrisch und faul sei. Im christlichen Mittelalter war er als Reittier der Synagoge und der Lasterdarstellungen Faulheit und Wollust beliebt. Die Anlage des Krebses, rückwärts und seitlich zu gehen, wurde als Abweichung vom rechten Weg gesehen und damit zur Metapher der Unbeständigkeit, des Nicht-Zielgerichteten. Der Strauß mit dem Hufeisen im Schnabel ist eigentlich ein Sinnbild für Geistesstärke, da er das Eisen angeblich ohne Schaden zu nehmen verschlucken konnte und damit die Fähigkeit besaß, selbst aus Widrigkeiten noch einen Nutzen zu ziehen. Seine Zuordnung zur Faulheit rührt jedoch daher, dass er laut Physiologus seine Eier im Sand vergräbt und diese die Sonne ausbrüten lässt. Der Affe ist allgemein ein negatives Symbol, er ähnelt dem Menschen und galt vor der Lehre Darwins doch als Zerrbild desselben. Zur Faulheit wird er gezählt, weil er nicht zu guten Werken fähig sei. Unter anderem fresse er gerne Nüsse. Doch trifft er auf die bittere Schale, wirft er die süße Nuss weg, weil ihm der Weg dahin zu bitter ist.

Heinrich Aldegrever: Die Faulheit 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Heinrich Aldegrever: Die Faulheit 1552, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

 

28 Tiere mit unterschiedlichsten Bedeutungen auf 7 kleinen graphischen Blättern sind ein Besuch in der Alten Galerie wert. Am besten eine Lupe mitnehmen, viel Geduld und Muse zum Betrachten! Nur noch bis zum 12. Juni 2016 in der Dauerausstellung der Alten Galerie zu sehen!

 

Literatur:

Donat de Chapeaurouge, Einführung in die Geschichte der christlichen Symbole, Darmstadt 31991.

Sigrid und Lothar Dittrich, Lexikon der Tiersymbolik. Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.–17. Jahrhunderts, (= Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 22), Petersberg 2004.

Kategorie: Alte Galerie
Schlagworte: | | |

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Benutzen Sie diese HTML Tags und Attribute:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>