20. Februar 2015 / Ulrich Becker
Versunken und vergessen? Eine unbekannte Büste von Leopold von Braunschweig-Lüneburg
Ein Zeitalter und seine Helden
Wenigstens war seit Langem klar, wo die Büste hergestellt worden war: Sockel und Bildwerk weisen die Marken der 1753 gegründeten Manufaktur Fürstenberg im norddeutschen Herzogtum Braunschweig auf: den Kennbuchstaben „F“ und das springende Welfenross an der Unterseite der Büste. Das Pferd kennt man noch heute, denn es hat den Sprung ins Wappen des heutigen deutschen Bundeslandes Niedersachsen geschafft. Es lag also nahe, hier auch den Dargestellten zu vermuten.
Ein junger Herzog als Retter in der Not
Unserem hilfsbereiten Kollegen Dr. Alfred Walz vom Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig ist der entscheidende Hinweis zu verdanken: Es handelt sich mit größter Wahrscheinlichkeit um Maximilian Julius Leopold von Braunschweig-Wolfenbüttel, nomineller Herzog von Braunschweig-Lüneburg (1752–1785). Hinter diesem prunkenden Namen verbirgt sich ein persönliches Schicksal: Der junge Herzog hatte sich persönlich am Rettungseinsatz während eines großen Oderhochwassers beteiligt und war dabei am 27. April 1785 ertrunken. Wir kennen die dramatischen Bilder von Überschwemmungskatastrophen der letzten Jahre – wie gefährlich mag so ein Einsatz also zu einer Zeit gewesen sein, in der noch kein modernes Equipment zur Verfügung stand? Motive und Begleitumstände dieses Ereignisses führten rasch zu einer beispiellosen Verklärung in Wort und Bild: Ein Aristokrat und Offizier, der sich einfacher Menschen willen in unmittelbare Lebensgefahr begab, war schlichtweg unvorstellbar. Eine sehr moderne, noch heute bewegende Vorbildrolle war gefunden: Helden als Helfer.
Sieht aus wie Marmor, aber …
… kunsttechnisch gesehen ist die Grazer Büste aus sogenanntem Biskuitporzellan gefertigt. Diese Variante der Porzellanherstellung war 1752 in der Manufaktur von Vincennes bei Paris erfunden worden und sollte in der zweiten Jahrhunderthälfte besonders beliebt werden. „Biskuit“ (franz. für „zweimal gebrannt“) war für präzise Detailausbildung, wie sie das Porträt erfordert, besonders geeignet. Zudem erinnert die unglasierte, nicht reflektierende Oberfläche an den vornehmsten Rohstoff für Bildhauer überhaupt, den Marmor.
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