Büste von Leopold von Braunschweig-Lüneburg, Foto: V. Delic/UMJ

20. Februar 2015 / Ulrich Becker

Versunken und vergessen? Eine unbekannte Büste von Leopold von Braunschweig-Lüneburg

Museum für Geschichte

Fürsten in der Rolle des Feldherrn oder Mäzens sind uns gut bekannt. Es ist ihre „Standardrolle“, in der sie sich der Nachwelt empfehlen. Besonders beliebt war das altrömische Imperatorenkostüm – es wirkt heroisch und zeitlos, mag die Person darin auch noch so durchschnittlich sein. Eine solche Büste kam kürzlich im Depot der Kulturhistorischen Sammlung wieder zum Vorschein: Das Bildnis eines jungen Mannes mit der flotten Haartracht der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, dazu ein eigentümlicher, nach römischem Vorbild gebildeter Schuppenpanzer, mitsamt Sockel gerade einmal 24,5 cm hoch. Solche Stücke werden in Inventaren und Katalogen oft mit der Formel „Bildnis eines jungen Feldherrn“ bedacht – eine typische, wissenschaftlich eingekleidete Verlegenheit.

Ein Zeitalter und seine Helden

 

Wenigstens war seit Langem klar, wo die Büste hergestellt worden war: Sockel und Bildwerk weisen die Marken der 1753 gegründeten Manufaktur Fürstenberg im norddeutschen Herzogtum Braunschweig auf: den Kennbuchstaben „F“ und das springende Welfenross an der Unterseite der Büste. Das Pferd kennt man noch heute, denn es hat den Sprung ins Wappen des heutigen deutschen Bundeslandes Niedersachsen geschafft. Es lag also nahe, hier auch den Dargestellten zu vermuten.

 

„F“ für „Fürstenberg“ (Sockel), Foto: V. Delic/UMJ

„F“ für „Fürstenberg“ (Sockel), Foto: V. Delic/UMJ

Ein junger Herzog als Retter in der Not

Unserem hilfsbereiten Kollegen Dr. Alfred Walz vom Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig ist der entscheidende Hinweis zu verdanken: Es handelt sich mit größter Wahrscheinlichkeit um Maximilian Julius Leopold von Braunschweig-Wolfenbüttel, nomineller Herzog von Braunschweig-Lüneburg (1752–1785). Hinter diesem prunkenden Namen verbirgt sich ein persönliches Schicksal: Der junge Herzog hatte sich persönlich am Rettungseinsatz während eines großen Oderhochwassers beteiligt und war dabei am 27. April 1785 ertrunken. Wir kennen die dramatischen Bilder von Überschwemmungskatastrophen der letzten Jahre – wie gefährlich mag so ein Einsatz also zu einer Zeit gewesen sein, in der noch kein modernes Equipment zur Verfügung stand? Motive und Begleitumstände dieses Ereignisses führten rasch zu einer beispiellosen Verklärung in Wort und Bild: Ein Aristokrat und Offizier, der sich einfacher Menschen willen in unmittelbare Lebensgefahr begab, war schlichtweg unvorstellbar. Eine sehr moderne, noch heute bewegende Vorbildrolle war gefunden: Helden als Helfer.

Büste von Leopold von Braunschweig-Lüneburg, Foto: V. Delic/UMJ

Büste von Leopold von Braunschweig-Lüneburg, Foto: V. Delic/UMJ

Sieht aus wie Marmor, aber …

… kunsttechnisch gesehen ist die Grazer Büste aus sogenanntem Biskuitporzellan gefertigt. Diese Variante der Porzellanherstellung war 1752 in der Manufaktur von Vincennes bei Paris erfunden worden und sollte in der zweiten Jahrhunderthälfte besonders beliebt werden. „Biskuit“ (franz. für „zweimal gebrannt“) war für präzise Detailausbildung, wie sie das Porträt erfordert, besonders geeignet. Zudem erinnert die unglasierte, nicht reflektierende Oberfläche an den vornehmsten Rohstoff für Bildhauer überhaupt, den Marmor.

Kategorie: Museum für Geschichte
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