22. November 2014 / Christoph Pelzl

Stimmen im Ohr

Kunsthaus Graz

Monika Holzer-Kernbichler, Leiterin der Kunst- und Architekturvermittlung im Kunsthaus Graz und in der Neuen Galerie Graz, hat für die Ausstellung Damage Control. Kunst und Zerstörung seit 1950 wieder einen Audioguide und eine Ausstellungs-App entwickelt. In einem Beitrag zu unserem Blog beschreibt sie ihre Ansätze und Überlegungen. 

„Warum tust du dir so viel an?“, wurde ich im Vorfeld der Arbeit am Audioguide zur Ausstellung Damage Control. Kunst und Zerstörung seit 1950 gefragt.  35 verschiedene Statements und 6 Videos haben wir zusammengetragen von 26 verschiedenen Menschen. Ich wollte, dass viele Stimmen zu Wort kommen, Fachleute, die viel wissen und kritisch denken.

Warum? Nun, die Ausstellung kommt aus Washington (US), wurde von den beiden Amerikanern Kerry Brougher (Direktor, Academy Museum of Motion Pictures, Los Angeles) und Russell Ferguson (Professor, Institut für Kunst, University of California, Los Angeles) kuratiert und beschäftigt sich mit der Zerstörung als Thema in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Ich interessiere mich immer dafür, was die Ausstellung will, welche Aussagen transportiert werden, dafür, was in den Werken steckt und welche Beziehung sie zum Ausstellungsthema haben.

Als ich die Gelegenheit bekam, mir die Ausstellung im MUDAM in Luxemburg anzusehen, war mir klar: Aus europäischer Sicht hätte die Ausstellung vermutlich einen anderen Anfang. Obwohl die US-amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 als erster und bislang einziger Einsatz von Atomwaffen die ganze Welt nachhaltig traumatisierten, bedeuteten sie für die USA vermutlich etwas anderes als für Europa, das zuvor schon durch den Holocaust, aber auch vom Ersten Weltkrieg und seinen Folgen schwer erschüttert war.

 

 

Besucher mit dem IPad

 

Ich musste an die Gedichte von Georg Trakl denken, an die Österreichischen Expressionisten, an Oskar Kokoschka, Richard Gerstl, Egon Schiele. Aber natürlich spielte Zerstörung in der Kunst auch in den vorhergehenden Jahrhunderten immer wieder eine Rolle. Schlachtenbilder gibt es schon sehr lange. Auch mythologische oder christliche Darstellungen kennen natürlich die Zerstörung als Motiv. Das Thema war in Graz 2003 schon einmal präsent: „MARS“ hieß die Ausstellung in der Neuen Galerie, wo das Thema des Krieges in der Kunst  – damals durchaus geprägt von Nine Eleven – umfangreich dargestellt wurde.

Es wurde für mich immer spannender zu beobachten, wie das Thema jenseits des Ozeans bearbeitet und gesehen wurde. Und ich wurde nicht müde darüber nachzudenken, wie das mit dem hiesigen Publikum zusammengehen könnte. Ist die Globalisierung schon so weit fortgeschritten, dass der Entstehungsort einer Ausstellung irrelevant ist, weil Künstler/innen und Kuratorinnen bzw. Kuratoren ohnehin auch weltweit tätig sind?

Die Ausstellung Damage Control stellt allerdings neben kunsthistorischen auch sehr stark historische, politische und soziale Bezüge her. Sie macht überhaupt viele Themen auf, die stark geprägt sind von einer umfangreichen Werkauswahl aus dem Hirshhorn Museum in Washington.

Ich wollte wissen, wie es die Fachleute außerhalb des Kunsthauses und des Joanneums sehen: Welche Rolle spielt der Abwurf der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki historisch und politisch? Was bedeutet das auch für die Kunst, die ihre Zentren mit dem Zweiten Weltkrieg von Europa nach Amerika verlegt hatte – nicht mehr Paris, sondern New York war in den Fünfzigerjahren der Ort der Avantgarde geworden. Gleichzeitig beginnt auch die US-amerikanische Kunstgeschichte eigenständig und bedeutsam zu werden. Und der Kalte Krieg bestimmte die ganze Welt. Durch die Zündung der Atombomben waren die Machtverhältnisse definiert und eine kollektive globale Angst vor weiteren Detonationen wurde durch das Aufrüsten geschürt.

Damit sind wir wieder am Ausgangspunkt der Ausstellung. Für mich waren die zahlreichen Gespräche im Vorfeld sehr bereichernd, verstärkten und erweiterten meine Gedanken, die ich kurz davor für das Begleitheft zur Ausstellung „Die Zerstörung von A bis Z“ entwickelt habe. Die Kunst braucht viele Blicke, mit denen sie gesehen und gedeutet wird, das macht ihre Reichhaltigkeit aus.

Der Audioguide und die APP bieten nun für das Grazer Publikum die Gelegenheit, inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Darüber nachzudenken, was die Zerstörung in der Kunst ausmacht, aus vielen Perspektiven und anhand einer Fülle fantastischer Werke.


Ich bedanke mich bei allen Personen innerhalb und außerhalb des Universalmuseums Joanneum, die an der Realisierung mitgewirkt und ihr Wissen zur Verfügung gestellt haben.  Bedanken möchte ich mich aber auch beim Produktionsteam, den Volontären Georg Göschl und Stefan Gröchenig, sowie meiner Mitstreiterin Antonia Veitschegger.

Kategorie: Kunsthaus Graz
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