6. Juni 2016 / Bernhard Samitsch
Offener Brief an den Dritten Landtagspräsidenten Gerhard Kurzmann
Sehr geehrter Herr Kurzmann,
sehr geehrter Herr Koch!
Mit einem gewissen Kopfschütteln ob Ihrer dargelegten Ignoranz um die Leistungen des Universalmuseums Joanneum habe ich Ihre Ausführungen und den (fehlenden) Lösungszuruf zur Kenntnis genommen. Sich mit einem aus dem Kontext herausgerissenen Zahlenwerk zu umgeben und Fakten aus Wien für den Vergleich heranzuziehen, ist nicht nur unseriös, sondern disqualifiziert Ihre Benchmarking-Kenntnisse schon von selbst.
Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln sind nach den Ethischen Richtlinien für Museeen des Internationalen Museumsrats (ICOM) die zentralen Aufgaben eines Museums. Dieses auf die Besucherzahlen zu reduzieren ist töricht, wenn nicht grob fahrlässig. In allen unseren Häusern wird seit Jahren eine konsequente, qualitativ hochwertige Vermittlungsarbeit geleistet. Dieser Erfolg lässt sich auch anhand von Zahlen belegen: 2015 nutzten 120.082 Menschen die personalen Vermittlungsangebote und katapultieren das Joanneum damit in das Spitzenfeld der österreichischen Museumslandschaft.
Die Arbeitsleistung sämtlicher Mitarbeiter/innen im Joanneum hat mittlerweile die Schmerzgrenze erreicht. Viel mehr nach oben geht mit dem derzeitigen Personalstand nicht, unsere Kapazitäten sind ausgeschöpft. Sie fordern „ordentliche kulturpolitische Vorgaben“ und pinkeln dem zuständigen Landesrat ans Bein. Sie wollen attraktive Ausstellungen. Das wollen wir auch. Aber wenn Sie Schönwetter predigen, dann sorgen Sie auch für ein solches. Sorgen Sie für ein arbeitsfähiges Budget und ebensolche Arbeitsbedingungen. Informieren Sie sich, welche Ressourcen es benötigt, um eine museale Institution mit unterschiedlichen wissenschaftlichen und inhaltlichen Schwerpunkten erfolgreich zu führen. Wagen Sie einen Blick hinter die Kulissen und lernen Sie die vielen Arbeitsprozesse kennen, die im Joanneum professionell ausgeführt werden und notwendig sind, um die zentralen Aufgaben des Museums erfolgreich zu bewältigen.
Das Universalmuseum Joanneum ist eine europaweit anerkannte Kulturinstitution, die sich sowohl mit dem historischen Erbe als auch der Zukunft der Steiermark auseinandersetzt. Unser Museum steht ganz klar für eine offene Gesellschaft, in der ein Diskurs erwünscht ist. Falls Ihnen das Schicksal des Universalmuseums Joanneum also ein tatsächliches Anliegen ist, überlassen Sie die Kulturpolitik jenen Menschen, die darin firm sind oder diskutieren Sie mit uns: seriös, ohne kleinkarierte Standardsätze und ohne Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Mag. Bernhard Samitsch
Volkskundler, Museologe und Betriebsratsvorsitzender des Universalmuseums Joanneum
Schlagworte: Arbeiten im Museum | Betriebsrat | Kritik am Joanneum