1. März 2016 / Christoph Pelzl

Museumsreife Teenager

Kunst- & Naturvermittlung

Im Universalmuseum Joanneum sollen sich alle wohl fühlen – vom Volksschulkind bis zum Uni-Professor. Wie man das Museum auch kritischen Jugendlichen schmackhaft machen kann, haben die Teens nun mit einem ganz besonderen Audioguide vorgezeigt.

Audioguide, Museum im Palais, Foto: UMJ

Auch im Museum im Palais kommen Audioguides zum Einsatz, Foto: UMJ

„Ins Museum? – Urfad!“ Ein derart vernichtendes Urteil wird man von Erwachsenen selten hören. Jugendliche sind in dieser Hinsicht ziemlich unverblümt. Bei genauerer Nachfrage lässt sich auch herausfinden, wie es zu dieser miserablen Bewertung kommt: „Im Museum muss man ewig in schlechter Luft herumstehen, kann sich nirgends hinsetzen, hat unfreundliche Wärter und unendlich lange und langweilige Führungen zu ertragen, von denen man vieles gar nicht mitbekommt“, so die zentralen Kritikpunkte der Schüler einer 6. Klasse.

Weil diese 16-Jährigen des BG/BRG Kirchengasse nach etlichen Museumsbesuchen durchaus wissen, wovon sie reden, bleibt ihre harsche Kritik nicht undifferenziert: In England, erfährt man, hätten sie durchaus spannende Museen besucht. Und auch das Technische Museum in Wien sei interessant gewesen, weil man da selber aktiv werden und Dinge ausprobieren könne.

Als ambitionierter Geschichtelehrer weiß Georg Marschnig, dass klassische Museumsführungen für Jugendliche ein unbrauchbares Vermittlungsformat sind: „Auch in der Schule ist der Frontalunterricht nur über kurze Zeitspannen einsetzbar, da sich die Kinder nicht so lange konzentrieren können“, so der Pädagoge. „Führungen dauern aber meist eine Stunde! Und wenn das Interesse grundsätzlich schon nicht überbordend ist, kann man die Kinder damit sicher nicht bei der Stange halten.“

Die Lust am „unnützen“ Wissen
Wie aber würde ein Museumsbesuch aussehen, der auch Jugendlichen Spaß macht? Diese Frage können die jungen Leuten wohl selbst am besten beantworten, dachte sich Marschnig, und rief kurzerhand gemeinsam mit dem Universalmuseum Joanneum ein Kooperationsprojekt ins Leben: Dabei sollten die Schülerinnen und Schüler selbst einen Museums-Audioguide für Jugendliche produzieren. Inhaltlich hatten sie freie Hand, bei der praktischen Umsetzung wurden sie von zwei erfahrenen Kunst- und Kulturvermittlerinnen des Joanneums unterstützt. Das Ergebnis ist ein 12-minütiger Audioguide zu ausgewählten Themen aus dem Volkskundemuseum und dem Museum im Palais, der künftig als zusätzliches Vermittlungstool eingesetzt werden kann.

Und was unterscheidet die – auch selbst gesprochenen – Audiobeiträge der Schülerinnen und Schüler von Audioguides, die in erster Linie Daten und Fakten liefern? „Was die Jugendlichen immer besonders unterhaltsam fanden, sind die Geschichten hinter der Geschichte“, berichtet Georg Marschnig. „Das ‚unnütze‘ Wissen sozusagen, mit dem auch schwierige Themen eine gewisse Leichtigkeit bekommen.“ Mit diesen „Gschichtln“ haben die 16-Jährigen ihren Guide kräftig gewürzt. Und das in einer Sprache, in der sich die Jugendlichen zu Hause fühlen. Auch die „hard facts“ haben sie weniger geballt präsentiert, sodass die Hör- und Schaulust der jungen Nutzer/innen nicht unter einem Datenberg begraben wird.

Jedem das Seine
Wie viel Arbeit hinter einem 12-minütigen Audioguide steckt, hat die Jugendlichen ziemlich überrascht. „Seit diesem Projekt gehen sie mit anderen Augen ins Museum“, so Marschnig. Denn wer einmal selbst nach der passenden Präsentationsform und den richtigen Worten gesucht hat, weiß auch, vor welchen Herausforderungen die Museumspädagoginnen und -pädagogen stehen. Immerhin sollen sie mitunter sehr komplexe Themen und Ausstellungsobjekte für die unterschiedlichsten Besuchsgruppen – von Kindern über Seniorinnen und Senioren bis hin zu Reisegruppen – auf die jeweils adäquate Weise aufbereiten. In Hinblick auf die Zielgruppe der Jugendlichen haben Eva Maria Pomberer (Leiterin der Kunst- und Kulturvermittlung im Landeszeughaus und im Museum im Palais) sowie Anita Niegelhell (Leiterin der Kunst- und Kulturvermittlung des Volkskundemuseums sowie der Multimedialen Sammlungen) jedenfalls einiges gelernt: „Wir haben von den Schülerinnen und Schülern viel über ihren Sprachgebrauch, ihre Interessen und Vorlieben erfahren“, berichtet Niegelhell. „Für mich war die Kooperation mit diesen engagierten Jugendlichen eine der interessantesten und schönsten Erfahrungen in diesem Jahr.“ Auch Eva Maria Pomberer ist vom gegenseitigen Nutzen solcher Projekte überzeugt: „Über den Blick der Teenager haben wir gelernt, die Dinge selbst wieder aus einer neuen Perspektive zu betrachten.“

Die Abschlusspräsentation des BG/BRG Kirchengasse ging im Museum im Palais über die Bühne. Foto: Eva-Maria Pomberer

Die Abschlusspräsentation des BG/BRG Kirchengasse ging im Museum im Palais über die Bühne. Foto: Eva-Maria Pomberer

Der steinige Weg zur Umsetzung
Manchmal mussten die beiden Fachfrauen ihre jugendlichen Projektpartnerinnen und -partner auch auf die Grenzen der Realisierbarkeit von Ideen verweisen: „Dass sich nicht alle guten Ideen mit den vorhandenen Ressourcen umsetzen lassen, war für die Schülerinnen und Schüler eine wichtige Erfahrung“, betont Anita Niegelhell. „Das ist zwar anfangs enttäuschend, aber so lernt man, nach neuen, alternativen Wegen zu suchen.“

Dass dieses Projekt für alle Beteiligten ein Gewinn war, steht außer Frage. Und was sagen die beiden Expertinnen zum neuen „Audioguide made by teens“? „Wir sind ehrlich beeindruckt und können uns davon auch einiges für unsere künftige Arbeit mit dieser Zielgruppe abschauen – immerhin trennen uns schon einige Jahre vom Teenageralter!“

Alle ab ins Museum!
Am 2. März können sich übrigens alle Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrende selbst davon überzeugen, was für ein spannender Lern- und Erlebnisort ein Museum sein kann. Von 8 bis 15 Uhr und bei freiem Eintritt in die unterschiedlichsten Museen in ganz Österreich. In Graz kann man sich zum Beispiel im Volkskundemuseum längst vergessene und kuriose Dinge aus dem Alltag unserer Ururgroßeltern anschauen, im Museum im Palais die Kulturgeschichte der Mur anhören, im Landeszeughaus über Krieg und Frieden nachdenken oder im Archäologiemuseum eine Spurensuche bis in die Steinzeit unternehmen. Zahlreiche Vermittlerinnen und Vermittler werden die einzelnen Ausstellungen und Objekte altersgerecht präsentieren und Fragen beantworten.

Schule schaut Museum“ ist der Titel dieses vom Universalmuseum Joanneum initiierten österreichweiten Aktionstags, der heuer zum siebenten Mal stattfindet und zwei Institutionen zusammenbringt, die von Natur aus ohnehin zusammengehören.

Einige Impressionen aus dem vergangenen Jahr gibt es hier auf Flickr zu finden.
Schule schaut Museum 2015

Kategorie: Kunst- & Naturvermittlung
Schlagworte: |

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Benutzen Sie diese HTML Tags und Attribute:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>