Mit der Alten Galerie durchs Jahr – Johann Georg Platzer: Mythologische Szenen

7. Mai 2012 / Ulrich Becker

Mit der Alten Galerie durchs Jahr – Johann Georg Platzer: Mythologische Szenen

Alte Galerie

Wenn die Frühlingslüfte streichen Und durch bunte Felder wehn, Pflegt auch Amor auszuschleichen, Um nach seinem Schmuck zu sehn

Johann Georg Platzer (1704-1761) muss Johann Sebastian Bachs „Hochzeitskantate“ (BWV 202) nicht im Ohr gehabt haben, als er seine farbenprächtigen Szenen aus der klassischen Götterwelt auf kleinen Kupferplatten festhielt. Und doch hat er wie kaum ein anderer im deutschen Sprachraum den darin schon anklingenden Geist des Rokoko festgehalten und in kostbaren Bildern dessen Vorliebe für eine heitere sorglose Existenz beschworen – abseits von den Bedrängnissen einer kriegserfüllten Zeit.

Mit der Realität jener Kriege, wie sie Preußen und Österreich zunächst um Schlesien und schließlich um die Vorherrschaft im Herzen Europas über Jahrzehnte führten und so einen ganzen Kontinent in Atem hielten, hat diese Kunst wahrlich nichts zu tun.

Johann Georg Platzer (1704-1761)
Mythologische Szene mit Apoll und Bacchus
37 x 46 cm, Öl auf Kupfer
Inv.-Nr. 194 (Gegenstück mit Neptun und Amphitrite: Inv.-Nr. 195)

Bunte Farben vs. grauer Alltag

Stattdessen beschwört Platzers strahlend bunte Palette eine heitere Gegenwelt, deren Personal zwar auf dem Olymp wohnt, aber von schicksalsschwerem, tragischem Ernst völlig frei ist. Dieser wiederum ist typisch für die Historienmalerei, wie sie an allen Akademien Europas gepflegt und für die wichtigste Gattung gehalten wurde. Ein großer, für zeitlos gehaltener Stoff konnte nicht anders als groß aufgezogen werden, eine gemalte Oper. Große Manier nannte man das deswegen überall in Europa, gran maniera, grande manière, grand manner. Aber im Rokoko war man dessen müde geworden, und die Kabinettmalerei – vorzugsweise auf kleinen Kupferplatten – wie sie über ein Jahrhundert zuvor in den Niederlanden erfunden worden war, erlebte in den Salons der Sammler eine buchstäblich glänzende Renaissance.

Nicht nur eine geradezu explosive Farbwahl ist für Platzer bezeichnend, es ist auch die hohe Anzahl der Figuren, die viele seiner Bilder auszeichnet. Schließlich wollte der Maler beweisen, dass er im kleinen Format dasselbe beherrschte, was die Kollegen vom Historienfach im Großen vollführten: das schwierige Geschäft der Personenregie. Dafür bot sich die antike Götterwelt mit ihren ausgelassenen Banketten und freizügigen Amouren geradezu an, und auch hier hatten schon im späten 16. Jahrhundert die Niederländer entscheidende Vorarbeit geleistet. Ein Vorreiter war z.B. Hendrik Goltzius im holländischen Haarlem gewesen, kein Wunder, dass Platzer, der es ihm gleichtat, nun auch der „österreichische Goltzius“ genannt wurde.

Drum sucht auch Amor sein Vergnügen,
Wenn Purpur in den Wiesen lacht,
Wenn Florens Pracht sich herrlich macht,
Und wenn in seinem Reich,
Den schönen Blumen gleich,
Auch Herzen feurig siegen.

Platzers göttliche Komödie

Unablässig in Bewegung inmitten eben dieser blühenden Natur, stets Zerstreuung suchend und auf amouröse Abenteuer aus, so sind Platzers Götter. Der Weingott Bacchus nähert sich Ceres, der Göttin des Ackerbaus, und der strahlende Apoll, seine Starrolle sichtlich auskostend, musiziert auf der Leier.

Johann Georg Platzer (1704-1761)
Ausschnitte aus Mythologische Szene mit Apoll und Bacchus,

Aus feierlichen Versammlungen, die über das Schicksal der Menschen bestimmen, ist ein lärmender, aber heiterer Umzug geworden. Das griechische Wort für „Umzug“ („komos“) ist übrigens geblieben, es steckt im Wort „Komödie“. Nichts anderes wollen Platzers Bilder sein. Aus der intellektuellen Anstrengung, einen humanistischen Bildsinn herauszulesen, ist ein reines Such- und Schau-Spiel geworden, das den Betrachter einlädt, es den Göttern gleich zu tun und sich mit den Augen ebenfalls buchstäblich ins Vergnügen zu stürzen. Und von solchen – im Übrigen recht teuren – Späßen konnten potente Sammler nicht genug haben, ließen sich doch so Kabinette leicht füllen. Man stelle sich das dazugehörige Mobiliar vor, und man erhält einen Eindruck von der Luxuskultur jener Zeit.

 

Der König und die Kaiserin,
Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn
Und machten endlich Friede

So schildert es Gottfried August Bürger in seiner berühmten (im Übrigen sehr schaurigen) Ballade „Leonore“ (1773), als der Friede von Hubertusburg (1763) den Konflikt zwischen Preußen und Österreich beendete und Europa endlich aufatmen ließ – wenigstens vorübergehend. Platzer war da schon einige Zeit tot, und auch das Rokoko sollte sehr bald einem anderen, spürbar strengeren Geschmack weichen, dem Klassizismus. Aber Platzers Bilder sind geblieben und bezaubern noch heute.

Bleibt noch zu erwähnen, dass die Alte Galerie einen der größten öffentlichen Bestände von Werken dieses Zauberers ihr Eigen nennen darf. Fast am Ende der Schauräume der Alten Galerie in Schloss Eggenberg (in Raum 20) angesiedelt, bringen sie die Sammlung im Wortsinne noch einmal zum Funkeln.

Kategorie: Alte Galerie
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