31. Mai 2012 / Paul Schuster

“Luster, Wandspiegl und Arm Leuchter …”

Schloss Eggenberg

Haben Sie schon einmal probiert, ihr Wohnzimmer ausschließlich mit Kerzenlicht zu beleuchten, im Licht einer Kerze ein Buch zu lesen oder Karten zu spielen?

Unser Alltag wird bestimmt von Licht: sobald es draußen ein wenig finster wird, greifen wir zum Lichtschalter, um unsere Wohnungen oder Büros zu erhellen. Am Nachhauseweg leuchten uns Straßenlaternen den Weg, Scheinwerfer unserer Autos führen uns sicher durch unbeleuchtete Landstriche und in Großstädten machen unzählige Leuchtreklamen oder Werbescreens die Nacht zum Tag. Kaum vorzustellen, wie die Welt vor der Verbreitung des elektrischen Lichts ausgesehen hat. Schloss Eggenberg bietet die einmalige Gelegenheit, die gesamte Beletage mit Planetensaal noch im ursprünglichen “Licht des Barock” zu erleben.

Die 24 Prunkräume in Schloss Eggenberg wurden nie modernisiert, nie mit moderner Heizung ausgestattet oder mit elektrischem Licht versehen. Fast alles sieht noch genau so aus, wie es die letzte Fürstin von Eggenberg und ihr Gatte 1754 in Auftrag gegeben haben: Seidendamaste, großformatige Gemälde, ostasiatische Kostbarkeiten oder Spiegel an den Wänden, Porzellan auf den Tischchen sowie unzählige Sessel, Sofas, Hocker und vor allem –Spieltische. Um die Räume auch nach Einbruch der Dunkelheit für “Appartements”, also Abendgesellschaften bei Kerzenlicht nutzen zu können, gibt es Luster für über 600 Kerzen. Sie stellen bis heute die einzige künstliche Lichtquelle dar.

 “Kronleuchter”, “Luster” oder “Chandeliers”

Über Jahrhunderte hinweg war es ein Zeichen von großem Luxus, Innenräume mit Kerzen über mehrere Stunden hinweg zu erhellen. Im Barock erlebten Feste, die nach Einbruch der Dunkelheit stattfanden, ihren Höhepunkt. Damit verbunden war auch die Entstehung immer prunkvollerer Beleuchtungskörper. Vergoldete oder versilberte Luster mit kostbaren Behängen aus geschliffenem Bergkristall fanden Eingang in fürstliche Appartements. Vom französischen Wort “lustre”, also glänzend, stammt auch unser Begriff für diese außergewöhnlichen Leuchter.

Mitte des 18. Jahrhunderts schließlich hatten böhmische Glashütten die Herstellung von Glasbehängen für Luster perfektioniert. An die Stelle des teuren Bergkristalls konnte nun auch “einfaches” Glas treten. Die in Formen gestrichenen oder geblasenen und danach kunstvoll geschliffenen und polierten Behänge sehen ihren Vorbildern aus Bergkristall zum Verwechseln ähnlich. Ebenso brechen sie effektvoll das Kerzenlicht und entfalten damit ihre Wirkung. Prunkvolle Luster waren damit zwar günstiger, aber weiterhin den wohlhabendsten Gesellschaftsschichten vorbehalten und damit purer Luxus.
Foto: UMJ / P. Gradischnigg

“Luster, Wandspiegl und Arm Leuchter mit gläsernen Tropfen …”

1765 stand der Besuch des Wiener Hofes mit Maria Theresia und Franz I. Stephan in Eggenberg bevor. Schon knapp zehn Jahre davor begannen Maria Eleonore von Eggenberg und ihr Gemahl Johann Leopold Graf Herberstein mit der Neuausstattung der Räume im zweiten Stock. Dabei erhielten auch die Prunkräume ihr neues Licht: Luster, Spiegelappliquen, Wandleuchter und Girandolen (Tischleuchter), alle mit Glasbehängen aus böhmischen Werkstätten.
So wie man auch die Möbel in den 24 Zimmern je nach Anlass – sei es für den Aufenthalt des Kaiserhofes, für Empfänge oder einfach nur zum Kartenspiel in kleiner Gesellschaft – arrangierte, konnte man auch die Luster umhängen.

Die “Basisausstattung” für Schloss Eggenberg umfasste 32 Luster unterschiedlicher Größe für die Schlosskirche, den Planetensaal und 14 daran anschließende Zimmer, die “rückseitigen” Räume im nordwestlichen Flügel waren ohne Luster und offensichtlich für Abendgesellschaften kaum verwendet. Haken in den reich stuckierten Decken befinden sich jedoch in allen 24 Räumen. Benötigte man die rückseitigen Räume, etwa als Gästezimmer, mussten Luster umgehängt werden, eine Praxis, die noch einmal die Kostbarkeit des Materials veranschaulicht. Zusätzlich waren in vielen Zimmern auch Gueridons, also Leuchtertischchen, bereitgestellt, die mit Girandolen versehen, mehr variables Licht auf Augenhöhe ermöglichten. Dies war vor allem wichtig, um überall lesen oder Karten spielen zu können.
Fotos: UMJ / P. Schuster

Selbst in der “Salatrain”, dem Gartenpavillon von Eggenberg (heute Cafèpavillon) konnte man sich nach Einbruch der Dunkelheit zu einer Runde Pharao oder Tarock einfinden. Die Einträge im Inventar von 1789 führen dort nicht nur 48 Sessel, 12 Hocker und 10 (!) Spieltische an, sondern auch “8.Wandleuchter mit 3. Arm”.

Kerze vs. Glühbirne, LED oder Flutlicht

Die Luster, Spiegelappliquen, Leuchterarme oder Girandolen konnten die Innenräume jedoch niemals so beleuchten, wie wir es heute gewohnt sind. Eine Kerze spendet in einem Meter Abstand die messbare Beleuchtungsstärke von 1 Lux. Der hellste Punkt im Eggenberger Galeriezimmer ist in der direkten Umgebung des Lusters (mit 8 Kerzen) und beträgt ca. 6 Lux, während vor den Gemälden an den Wänden nicht einmal mehr 1 Lux zu messen ist.
Fotos: UMJ / P. Gradischnigg

Zum Vergleich: Eine durchschnittliche Zimmer- oder Bürobeleuchtung beträgt heute 500 Lux, die Beleuchtung eines Fußballstadions umfasst Werte weit über 1.000 Lux, ein trüber Wintertag hat eine Beleuchtungsstärke von 2000 bis 4000 Lux.

Das Licht des Barock

Für unser Lichtempfinden herrscht in barocken Innenräumen also Dunkelheit. Ein Besuch der Eggenberger Prunkräume bei Kerzenlicht zeichnet jedoch ein ganz anderes Bild. Selbst unser Auge, das Kerzenlicht fast nur noch aus romantischen Filmen kennt, kann sich nach wenigen Minuten auf die geringe Lichtstärke einstellen. Die Möglichkeit, fürstliche Apartments in ihrer “originalen” Beleuchtung zu erleben und dabei das Licht des 21. Jahrhunderts gänzlich auszublenden, gibt es nur noch äußerst selten. In Schloss Eggenberg ist diese Zeitreise möglich und man erkennt, dass das Licht auch ein wichtiger Teil der Inszenierung ist.
Foto: UMJ / P. Gradischnigg

Die Kerzen vor Spiegelappliquen an den Wänden machen die Räume eigentlich erst fassbar. Die reflektierenden Spiegelflächen vor den dunkelroten Seidendamasten bieten Orientierungshilfen, verdoppeln aber auch die Kerzenflamme, während die geschliffenen Spiegelrahmen das Licht brechen. Gleiches gilt für die großen Wandspiegel, die mit den geschickt davor platzierten Kerzenarmen und Tischleuchtern die Grenzen des Raumes verschwimmen lassen.

Den Höhepunkt der Beleuchtung stellen jedoch die in der Raummitte hängenden Kronleuchter dar. Die kunstvoll geschmiedeten und polierten, teilweise auch versilberten Gestelle tragen unzählige Glasbehänge in unterschiedlichsten Formen: Pendeloques, also Gehänge in Gestalt von Kugeln, Birnen, Rauten, Mandeln oder sogenannten Drachenpendeln kombiniert mit aufgesteckten Vasen, Obelisken, Sternen oder Blüten aus Glas. Diese Vielzahl an variablen Formen bricht das Licht der Kerzen unterschiedlich und macht den Luster zur leuchtenden Bekrönung eines repräsentativen Innenraums.
Foto: UMJ / P. Gradischnigg
Hinzu kommen unzählige Details, die erst jetzt sichtbar werden: bewusst matt belassene oder glänzend polierte, mit Gold belegte Ornamente an Wänden oder Möbeln reflektieren das Kerzenlicht auf eine besondere Art. Ähnliches gilt für die in vielen Räumen erhaltene Porzellanausstattung, die im Licht der Kerzen wie kleine Spiegel ebenso effektvoll inszeniert erscheint.
Foto: UMJ / P. Gradischnigg
Mit “16. Luster, jeder auf 6. Lichter” und insgesamt “28 vergoldeten Armleuchtern” auf insgesamt 168 Kerzen ist der Planetensaal der “glänzendste” und damit prunkvollste aller Innenräume in der Eggenberger Beletage. Nicht nur der weiße Stuck an Decke und Wänden, auch der polierte Marmorboden und die vergoldeten, reich ornamentierten Bilderrahmen unterstreichen diesen Eindruck bis heute.
Foto: UMJ / P. Gradischnigg

Aktuelle Termine für die Fürhungen bei Kerzenlicht

Kategorie: Schloss Eggenberg
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Ein Gedanke zu ““Luster, Wandspiegl und Arm Leuchter …”

  1. Julia Schwarzmann

    Ein Kristalluster für über 600 Kerzen ist schon sehr beeindruckend! Zum Glück müssen wir heutzutage bei Lampen nicht mehr Kerzen anzünden… Aber ein solche Kronleuchter würde ich gerne für mein Haus kaufen.

  2. Universalmuseum Joanneum - Museumsblog: Tritt in den ... (1)

    […] … schwere Entscheidung. Toll finde ich den Artikel „Luster, Wandspiegel und Arm Leuchter …“. Der locker flockige Bezug zur Gegenwart der historischen Ausstattung des Schloss Eggenbergs […]

  3. LED Deckenlampe

    Coole Sache! Ich mage solche LED Lichterkombinationen total. Bin auch schon fleißig dabei, daheim alles umzurüsten 🙂

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