Leinenfaser unter dem Rasterelektronenmikroskop. Foto: P.-B. Eipper/Max-Planck-Institut Stuttgart

27. Dezember 2014 / Paul-Bernhard Eipper

Ein tiefer Blick in die Schichten des Gemäldes

Kunst- & Naturvermittlung | Museumseinblicke | Neue Galerie mit BRUSEUM

In unserer neuen Serie "Gemälderestaurierung - Step by Step" wollen wir die Restaurierung eines Gemäldes Schritt für Schritt nachvollziehen. Dabei kommen auch spannende Details aus der (Restaurierungs-)Geschichte des Werkes ans Tageslicht!

Das Gemälde, das wir uns hier genauer ansehen wollen – Venus und Amor des Rembrandt-Schülers Govaert Flinck (1615–1660) –, befindet sich im Eigentum der Stadt Celle (D). Die letzte Restaurierung vor der hier beschriebenen im Jahr 1999 lag rund 100 Jahre zurück, und das Bild war in einem nicht präsentierbaren Zustand im Archiv des Bomann Museums Celle deponiert.

 

G. Flinck, Venus und Amor, Vorzustand. Foto: P.-B. Eipper

G. Flinck, Venus und Amor, Vorzustand. Foto: P.-B. Eipper

Auf welchem Gewebe und mit welchen Farben wurde das Gemälde ausgeführt?

Eine mit dem Rasterelekronenmikroskop (REM) untersuchte Gewebeprobe bestätigte, dass Venus und Amor zeittypischauf einem Leinengewebe gemalt worden ist. Das ursprüngliche Format des Gemäldes war sehr wahrscheinlich 152 x 170 cm – eine Größe, die zur Entstehungszeit des Bildes nur durch das Zusammennähen von zwei Leinwandbahnen zu erreichen war.

Wie auch bei anderen Gemälden von Flinck – sowie üblicherweise bei Werken seines Lehrers Rembrandt – wurde auf die zusammengenähte Leinwand eine zweischichtige Grundierung aufgebracht: Die erste Schicht ist rötlich eingefärbt, die zweite in einem gräulichen Farbton. Auf der Grundierung liegt eine relativ dünne Ölfarbenschicht.

 

Da das Gemälde nicht – wie vorgeschrieben – liegend in die Restaurierungswerkstätte transportiert wurde, fanden sich in der Verpackung nicht mehr zuordenbare Farbsplitter, die als Probenmaterial verwertet wurden. Unter dem REM wurden u. a. Spuren eines früheren Schimmelbefalls sichtbar, was auf frühere zu feuchte Lagerungsbedingungen hinweist.

 

Malschichtpartikel mit Schimmelsporen und -hyphen. Foto: P.-B. Eipper/Max-Planck-Institut Stuttgart

Malschichtpartikel mit Schimmelsporen und -hyphen. Foto: P.-B. Eipper/Max-Planck-Institut Stuttgart

Warum ist das Bild „geschrumpft“?

Zum Zeitpunkt der Restaurierung war das Bild 146 x 163 cm groß. Deutlich zu sehen ist aber, dass das Gemälde einst größer war. Verursacht wurde diese Verkleinerung durch vorangegangene Restaurierungen, wobei die letzte Restaurierung ca. 100 Jahre zurücklag. Man nimmt als Gründe für die früheren Behandlungen an, dass Durchstoßungen der Leinwand vorlagen, dass die Farbschicht abplatzte bzw. sich Schollen bildeten und auch dass der Firnis einen störenden Braunton angenommen hatte. Des Weiteren wurde das Gemälde ehemals zweimal doubliert, d. h., dass die Leinwand mit einem Stützgewebe hinterklebt wurde, um die Durchstoßungen zu schließen. Im Zuge dessen wurde das Gemälde jeweils vom Spannrahmen geschnitten – also rundum an den Kanten beschnitten und somit verkleinert.

Abgesehen davon wurde aber auch – unabsichtlich – eine regelrechte Schrumpfung herbeigeführt: Beim Aufbringen einer Doublierung kam ein nicht temperierbares Bügeleisen zum Einsatz, welches Verbrennungen der Malschicht hervorrief. Eine deutliche Schrumpfung der Originalleinwand wurde auch durch das Klebemittel – Knochenleimkleister – hervorgerufen. Die Folge davon (und von der Tatsache, dass das Bindemittel zwischen Farbe und Grundierung abgebaut worden war): Die Malschicht löste sich an vielen Stellen dachförmig aufstehend und schollig vom Untergrund, konnte aber nicht mehr auf die Leinwand niedergelegt werden, da deren Fläche nun kleiner („geschrumpft“) war als jene der Malschicht. Wie man ein solches Problem beheben kann, erfahren Sie im nächsten Beitrag!

Text: Paul-Bernhard Eipper

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