Das überdachte Hypokaustum, Aufnahme vom 8. Juli 2013, Foto:UMJ/N. Lackner

16. Juli 2013 / Mag. Karl Peitler

Ernüchterung nicht angebracht

Archäologie und Münzkabinett

In seinem letzte Woche veröffentlichten Blogbeitrag Das Römermuseum Flavia Solva - Ein ernüchternder Eindruck kritisiert Hiltibold aus Graz die neuen Maßnahmen recht deutlich, ohne auf die Hintergründe hinzuweisen. Das möchte ich hiermit gerne nachholen.

Als Folge von weitreichenden finanziellen Einsparungsmaßnahmen des Landes Steiermark wurde die Betreuung des Römermuseums Flavia Solva mit Personaleinsatz vor Ort mit Ende der Saison 2011 eingestellt. Um die Vermittlung, Bewahrung und wissenschaftliche Erforschung der archäologischen Stätte Flavia Solva zu sichern und weiterhin zu gewährleisten, entwickelten wir im selben Jahr in Abstimmung mit Vertretern des  Bundesdenkmalamts, des Instituts für Archäologie der Karl-Franzens-Universität und der Marktgemeinde Wagna ein Konzept zur Neugestaltung des Römermuseums, das vier Maßnahmenpakete vorsieht: den Umbau des Römermuseums zu einer umgehbaren Vitrine, die Konservierung und Restaurierung der römerzeitlichen Grundmauern, die Sichtbarmachung der antiken Stadt im Freigelände und kleinere Interventionen im öffentlichen Raum der Marktgemeinde Wagna. Der Projektplan sieht eine Umsetzung bis Ende 2013 vor. Für die Maßnahmen werden 400.000,00 EUR aufgewendet. Hiervon stammt ein Betrag von jeweils 180.000,00 EUR aus Mitteln des „Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung“ und aus Landesmitteln.

Die umgehbare Vitrine

In der als umgehbare Vitrine konzipierten Ausstellung erhalten Besucherinnen und Besucher ungleich mehr Informationen zur antiken Stadt Flavia Solva und ihrer Erforschung als früher in der alten Ausstellung. Bei den ausgestellten Objekten, wie dem sogenannten Antefix, einem Stirnziegel in Form einer Theatermaske, handelt es sich um Schlüsselobjekte, die für die Geschichte der antiken Stadt wie auch ihrer Erforschung durch das Universalmuseum Joanneum exemplarische Bedeutung haben.

Neben dieser ständigen Präsentation gibt die derzeit laufende Sonderausstellung 6000 Jahre steirische Keramik aktuell einen Überblick über die Entwicklung der steirischen Keramik von der Steinzeit bis in die Gegenwart. Für das Jahr 2014 ist im Rahmen des Gedenkens an den Beginn des Ersten Weltkrieges eine neue Sonderausstellung geplant, die sich mit dem Flüchtlingslager in Wagna beschäftigen wird, das ab 1915 errichtet wurde und dessen Insassen bei archäologischen Grabungen in Flavia Solva eingesetzt wurden.

Blick in die umgehbare Vitrine, Aufnahme vom 8. Juli 2013, Foto: UMJ/N. Lackner

Blick in die umgehbare Vitrine, Aufnahme vom 8. Juli 2013, Foto: UMJ/N. Lackner

Blick in die umgehbare Vitrine, Aufnahme vom 8. Juli 2013, Foto: UMJ/N. Lackner

Bei der Neugestaltung konnte aus Kostengründen kein entspiegeltes Glas verwendet werden. Dadurch ist die Lesbarkeit der Texte leider etwas eingeschränkt und von der jeweiligen Tageslichtsituation abhängig. Wir haben den Hinweis von Herrn Hirtenfelder jedoch zum Anlass genommen und testen kostenschonende Verbesserungsmöglichkeiten.

Die Konservierung und Restaurierung der römerzeitlichen Grundmauern

Das Ruinengelände von Flavia Solva – also der Grundstückbereich mit den seit den 1980er-Jahren frei stehenden antiken Mauerresten – umfasst eine Fläche von ca. 1200 m². Der Erhaltungszustand der antiken Mauern war sehr bedenklich: der Mörtel war ausgewittert, die Mauerkronen waren nicht mehr dicht, die Fundamente waren durchnässt, im Winter kam es zu Frostsprengungen, einzelne Abschnitte stürzten ein. Es bestand dringender Handlungsbedarf, um den fortschreitenden Verfall der Ruinen, die zum bedeutendsten kulturellen Erbe der Steiermark gehören, aufzuhalten.

Die schwer beschädigten Mauern der Insula XXII-Ost von Flavia Solva, Aufnahme aus dem Jahr 2011, Foto: UMJ

Die schwer beschädigten Mauern der Insula XXII-Ost von Flavia Solva, Aufnahme aus dem Jahr 2011, Foto: UMJ

Bei den Arbeiten zur Konservierung und Restaurierung der schwer beschädigten römerzeitlichen Grundmauern wurde und wird mit großer Behutsamkeit vorgegangen. Das Verfüllen von ergrabenen und dokumentierten Flächen ist gängige Praxis in der Archäologie. Der Vorteil liegt in der Konservierung des Originalbestandes: durch Bewuchs oder Frost können keine Schäden am Mauerwerk auftreten. Deswegen wurden die am stärksten in Mitleidenschaft gezogenen Mauern durch Verfüllen geschützt. Der Verlauf der mit Erdreich verfüllten Mauerreste wurde mit Metallprofilen sichtbar gemacht, die an der Oberfläche verlegt wurden.

Weil frei stehende antike Mauern Authentizität vermitteln, ist ein Teil der Grundmauern sichtbar geblieben. Kriterium für die Festlegung der Bereiche, die sichtbar geblieben sind, war ihre Attraktivität für die Vermittlung. Die Raumzeile unter dem Museumspavillon wurde deswegen nicht verfüllt.

Das überdachte Hypokaustum, Aufnahme vom 8. Juli 2013, Foto:UMJ/N. Lackner

Das überdachte Hypokaustum, Aufnahme vom 8. Juli 2013, Foto:UMJ/N. Lackner

Raumzeile unter dem Museumspavillon, Foto: UMJ/N. Lackner

Raumzeile unter dem Museumspavillon, Foto: UMJ/N. Lackner

Die Sichtbarmachung der antiken Stadt im Freigelände

Das Prinzip der Sichtbarmachung der Mauerzüge durch Metallprofile wurde im gesamten Bereich des Freigeländes weiterverfolgt. Der rostbraune Ton, den diese Metallprofile durch die Witterung annehmen, ist ein gestalterisches Element der Natur, das gewollt ist. Diese Art der Präsentation macht erstmals vor Ort deutlich, über welch’ großes Gebiet sich die antike Stadt erstreckt. Viele positive Rückmeldungen dazu bestätigen uns in der Wahl dieser Präsentationsform.

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Die Schächte aus Metallblech, die den Verlauf der Insula XXIII sichtbar machen.

Blick auf die durch die Metallschächte angedeuteten Mauerverläufe der Insula XXII-Ost, Foto: UMJ / N. Lackner

Blick auf die durch die Metallschächte angedeuteten Mauerverläufe der Insula XXII-Ost, Foto: UMJ / N. Lackner

Die Begrenzungen der Insula XXIX, Foto: UMJ/N. Lackner

Die Begrenzungen der Insula XXIX, Foto: UMJ/N. Lackner

Die Reinigung und Pflege der Anlage erfolgt durch die Marktgemeinde Wagna, mit der das Universalmuseum Joanneum eine diesbezügliche Vereinbarung errichtet.

Das Projekt Flavia Solva Neu wird heuer zum Abschluss gebracht. Demnächst werden auf dem Freigelände Tafeln aufgestellt, auf denen Besucherinnen und Besucher zusätzliche Informationen zu den Mauerzügen und zum Plan der antiken Stadtanlage finden können. Weitere museumspädagogische Angebote sind geplant und werden – wenn es die finanziellen Ansprüche erlauben – ebenso umgesetzt.

In dieser Hinsicht sei noch eine Anmerkung erlaubt: auch einem Hobby-Historiker sollte bewusst sein, dass der Vergleich zwischen dem niederösterreichischen Carnuntum und Flavia Solva hinkt – nicht nur aus finanzieller Perspektive.

Kategorie: Archäologie und Münzkabinett
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