Legitimationsblattkapsel, Leihgabe von Familie, Dr. Emil Teuschel, Graz

23. Juli 2014 / Christoph Pelzl

„Die Gegend scheint da ,vorne‘ ein Ende zu haben, dem ein ,Nichts‘ folgt“: Blogserie zum Ersten Weltkrieg

Kunst- & Naturvermittlung | Museumseinblicke | Neue Galerie mit BRUSEUM

In einer mehrwöchigen Blog-Serie wollen wir euch Objekte aus der Ausstellung Die Steiermark und der „Große Krieg“ vorstellen und gleichzeitig dazu aufrufen, eure Meinungen und Gedanken zu dem Thema mit uns zu teilen: Welche Assoziationen verbindet ihr mit den Objekten? Kommen euch die Objekte bekannt vor, oder habt ihr sogar ähnliche Objekte zu Hause? – Teilt diese mit uns und unseren Leserinnen und Lesern!

Die Kriegsrealität, in der sich die Soldaten aus der Steiermark und ihre Kameraden sehr bald wiederfanden, war ganz anders, als es die Erwartung suggeriert hatte. Vorerst ging es an die Front im Osten, ab dem Kriegseintritt Italiens dann auch an die Front im Süden, die von den Dolomiten bis zum Isonzo reichte.

Die Fronten hatten durchaus unterschiedlichen Charakter: War es im Osten zumindest teilweise noch ein Bewegungskrieg, so lag man sich am Isonzo in einem Stellungskrieg und langen Schlachten gegenüber, vorerst, ohne Gebietsgewinne erzielen zu können. Im Muschelkalk des Karsts waren die Schützengräben nicht tief genug für den aufrechten Gang.

Das Surren des splitternden Gesteins, die Querschläger, die Hitze im Sommer und die kalten Winter ließen es kaum zu, die Toten zu bergen, die bei den Angriffen zwischen den Frontlinien liegengeblieben waren.

Kurt Lewin, später ein bedeutender Gestaltpsychologe, war an der deutschen Westfront eingesetzt. Auf wenigen Seiten fasste er zusammen, was der moderne Krieg bedeutet: Die Landschaft ist im Krieg „gerichtet“, es gibt nicht die unverbindliche Rundumschau, sondern ein „Vorne“ und ein „Hinten“. Jedes Gebäude, jeder Busch wird im Krieg von einem taktisch-operativen Blick erfasst und danach beurteilt, ob der Ort Schutz oder Gefahr bedeuten kann. Vorne wartet der Tod, hinten ist es relativ sicher.

Fritz Silberbauer, Bergstellung

Fritz Silberbauer, Bergstellung, Radierung/Papier, Universalmuseum Joanneum, Neue Galerie Graz

Der Künstler Fritz Silberbauer, 1883 in Leibnitz geboren, diente während des Ersten Weltkriegs beim steirischen Infanterieregiment Nr. 27, dem „Grazer Hausregiment“ und war u. a. an der Südwestfront eingesetzt. In seinen Werken verarbeitete er seine Kriegserlebnisse.

Legitimationsblattkapsel

 

Die vielen Toten, die dieser Massenkrieg hervorbrachte, mussten trotz der unmenschlichen Verletzungen, den entstellten, zerfetzten Körpern, identifiziert und entsprechend beerdigt werden. Zur Erkennung trug jeder Soldat eine Legitimationskapsel bei sich, die mit einem Band an der rechten Hoseninnenseite in einer speziellen Tasche befestigt und deponiert wurde. Bei Offizieren war die Legitimationsblattkapsel auf der Vorder- und Rückseite reich verziert: mit den Herrscherinitialen und dem kaiserlichen Doppeladler – wie das hier abgebildete Beispiel zeigt.

Sie beinhaltete das sogenannte Legitimationsblatt, das Informationen zur Truppenkörperzugehörigkeit, dem Musterungsjahrgang, der Heimatzuständigkeit enthielt und auch Aufschluss über den Ort und den Zeitpunkt der Bestattung seines Besitzers erlaubte. Die hier gezeigte Legitimationsblattkapsel stammt von Oberleutnant Emil Teuschel, Angehöriger des Schützenregiments Nr. 37, der an der Isonzofront kämpfte und dort mit dem Verlust Untergebener, Kameraden und seinem eigenen Schicksal konfrontiert war. In seiner Legitimationsblattkapsel hinterließ er den Wunsch: „beerdigt mich in der Heimat“.

Fliegerpfeile

Fliegerpfeile, Leihgabe von Carina Klemmer (Carina Verlag), Enkelin des Fliegerfotografen Franz Pachleitner

Fliegerpfeile, Leihgabe von Carina Klemmer (Carina Verlag), Enkelin des Fliegerfotografen Franz Pachleitner

 

Der Einsatz von Flugzeugen und Ballonen trug die Kriegsführung in eine neue Dimension, die es nun in die militärischen Planungen zu involvieren galt. Aufgrund des technischen Entwicklungsstandes der Flugzeuge wurden diese vorerst zur Aufklärung eingesetzt und als Hilfsmittel für die Bodentruppen herangezogen. Da zu Beginn des Luftkriegs die Flugzeuge noch nicht mit Schusswaffen oder Bomben versehen waren, wurden die hier abgebildeten Fliegerpfeile mitgeführt und auf feindliche Bodentruppen geworfen.

Die Anzahl der abgeworfenen Pfeile war meist sehr groß, da die Trefferquote gering war. Ein Pfeil konnte allerdings aufgrund der enormen Geschwindigkeit, die dieser während des Falles entwickeln konnte, einen Stahlhelm durchbohren – ein Treffer war meistens tödlich.

Zum Nachlesen

Teil 1: “Objekte gegen das Vergessen”
Teil 2: „Der kranke Mann an der Donau?“
Teil 3: „Stramm deutsche Stadt?”Alle Benutzer
Teil 4: „Die Zahnräder beginnen sich zu drehen“
Teil 5: „Hurra das Dritte Korps“
Teil 6: „Die Gegend scheint da ,vorne‘ ein Ende zu haben, dem ein ,Nichts‘ folgt“
Teil 7: „Die normierte Tötungsmaschine – der normierte Mensch“
Teil 8: „Den Witwen und Waisen gefallener Krieger“
Teil 9: “Nie wieder Krieg!”
Teil 10: „Zur Erinnerung an „schwere Zeiten””
Teil 11: „Frauen und Kinder an der Heimatfront”
Teil 12: “Erlkönig unter Wasser”

Eckdaten

  • Thema: Teilt mit uns Eure Meinungen, Gedanken und persönlichen Erinnerungsstücke zum Ersten Weltkrieg.
  • Laufzeit: 27. Juni bis 30. September
  • Hashtags: #wk1 und #stmk
  • Bewerbung: Wir bewerben die Beiträge über Twitter (@Joanneum), auf den Facebook-Seiten des Museum im Palais und der allgemeinen Joanneums-Seite sowie auf unserer Website. Außerdem werden wir diesen Beitrag regelmäßig aktualisieren und eure Beiträge hier am Ende des Textes verlinken. Nach Ablauf der Serie bringen wir auch eine Zusammenfassung hier im Museumsblog.
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