Auch wenn ein Teil der Beletage seine Rocaille-Dekoration weitgehend verloren hat – die vorübergehend dort logierende Herzogin von Berry ließ Teile des Stucks entfernen –, ist man versucht, diese Frage zu bejahen: So zahlreich sind die Raumfolgen aus theresianischer Zeit nicht, eines der vergleichsweise wenigen Zeugnisse dieser Art, die Interieurs des Wiener Palais Parr, sind mit dem Abbruch des Gebäudes in den 1930er-Jahren bis auf Reste (heute im MAK) verschwunden. Selbst die in vielem vergleichbare Umgestaltung der Eggenberger Beletage musste viele Rücksichten auf den älteren Bestand, v. a. die Decken, nehmen.
In der Grazer Sackstraße hingegen gestatten außer den Wandpaneelen die Decken eine nahezu unbegrenzte Entfaltung des style rocaille, wie sie selbst in Wien ohne Parallele ist. Aus Paris wird der Weiß-Gold-Grundton übernommen, der noch bis in die Schlussphase der Monarchie als offiziöser Hofstil der Habsburger firmiert. Die Bezeichnung „Blondel’scher Styl“ erinnert an den Architekten Jacques-François Blondel, der in der époque Louis XV mit seiner Kunst raffinierter Raumverteilung, der distribution, einem Lieblingsbautypus der Epoche, der maison de plaisance, die angemessene Form gegeben hat. Er entsprach damit einem Hauptinteresse eines nur oberflächlich „galanten Zeitalters“, in dem Stand und Privileg alles waren, einer Welt, die nach 1789 endgültig versunken ist.
So sehr die Epoche à la mode sein wollte, so wenig vergaß sie auf das, was man „Lob des Herkommens“ nennt, galant gesprochen die ancienneté: Mit einem großen Porträt im ehemaligen Speisesaal (dem heutigen Veranstaltungsraum) erweist das Haus Herberstein dem profiliertesten Vertreter der Voreigentümer und Begründer der zu neuem Glanz gebrachten Stadtresidenz, Hans Ulrich von Eggenberg, gebührende Reverenz, auch wenn diesem die so geschätzte ancienneté abgehen mag. Der Porträtierte war genau das, was die Römer einen homo novus nannten, ein verschlagener, um keinen dirty trick verlegener Sozialaufsteiger.
Doch dies ist längst Geschichte. Was bleibt, ist in den Augen der Nachwelt Verdienst. Um dieses ins Bild zu setzen, bediente sich der Grazer Lokalporträtist Anton Jantl ziemlich ungeniert bei der gleichzeitigen Wiener Bildnismalerei, bei Franz Xaver Palko. Nur wenige Jahre hatte dieser zuvor in den posthumen Porträts der Kaiser Matthias I. und Ferdinand I. (heute im Belvedere) eine schon weit zurückliegende habsburgische Vergangenheit noch einmal mit all dem theatralischen Pomp einer längst vergangenen Zeit auf eine fiktive Bühne gerufen – kurz bevor sich die wirkliche, die weltgeschichtliche Bühne drehen und an die Stelle der anciennité die neue égalité treten wird.
Von der Vergangenheit in die Gegenwart: Die museale Nutzung hat sich im Umgang mit dem Bau weitgehend zurückgehalten und den Bestand möglichst zu schonen versucht. Als 2011 die Kulturhistorische Sammlung aus der Neutorgasse in die Sackstraße zog, wurden die Wände lediglich verschalt, dafür aber die Geschichte des Hauses streckenweise buchstäblich ausgeblendet. Wenn auch eine eingehende Restaurierung nie unternommen werden konnte, bedeutet diese Maßnahme im wesentlichen Substanzschonung.
An diesem Grundsatz hat auch das Grazer Architekturbüro INNOCAD festgehalten, als es 2017 die alte Beletage neu gestaltete: Für die Kulturhistorische Sammlung sowie die Multimedialen Sammlungen wurde in den schlichteren Räumen je ein neues Schaudepot eingerichtet. Die auf kompromisslose Abschottung setzende Verkleidung von 2011 machte einer transparenten Lösung Platz, während der Spiegelsaal für die Geschichtsschau 100 x Steiermark adaptiert wurde: ein glänzendes Schaubuffet – passenderweise mit Spiegeln. Das unvermittelt wirkende Nebeneinander von Alt und Neu wurde nicht gescheut, so wie im gesamten Haus Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig zu finden sind.
Museum für Geschichte
Sackstraße 16
8010 Graz, Österreich
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Öffnungszeiten
Di-So, Feiertag 10 - 18 Uhr
Ausnahmsweise geschlossen: