Am Beginn ihrer Nutzung sind die Strände stark segmentiert. Es gibt Zonen für Männer, für Frauen und eine „neutrale“ für Nichtbadende. Diese klare Trennung löst sich mit der Zeit jedoch genauso auf wie das strikte Verbot, außerhalb der zum Baden ausgewiesenen Strandabschnitte ins Wasser zu gehen.
Der Massentourismus im heutigen Sinn setzt nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Wer es sich irgendwie leisten kann, fährt ans Meer. Anfänglich mit Bus oder Bahn, dann mit dem Moped, schließlich mit dem eigenen Auto. Die Kolonnen an den Grenzen und Mautstationen stellen die Geduld der Reisenden auf eine harte Probe. Dabei wird extra zu nachtschlafender Zeit losgefahren, um dem Stau zu entgehen. Da jedoch alle anderen ebenfalls im Morgengrauen aufbrechen, ist der Erfolg dieser Strategie gleich null. Bleibt immer noch das Argument mit dem Ausweichen der Tageshitze, denn damalige Autos verfügen noch nicht über Klimaanlagen. Die mitreisenden Kinder liegen am Beginn der erwartungsgemäß längeren Fahrt schlafend auf der Rückbank. Gurte werden erst ab 1976 Pflicht und dann nur schweren Herzens angelegt. Für die meist männlichen Autolenker war das Angurten sehr oft nicht maskulin genug.
Aufgehalten durch diverse Staus, Esel-Melonen-Karren, Apes, Abkürzungen, die sich als erstaunlich lang erweisen (das Navigationsgerät wird erst später erfunden), oder Autos mit Wohnwagenanhängern – trifft die reisende Familie oft erst am frühen Nachmittag am Zielort ein, meist hungrig und in froher Erwartung auf ein exotisch-fremdes Essen. In Italien steht den Reisenden um diese Uhrzeit allerdings die erste Enttäuschung bevor: Die Küche ist ab 14 Uhr bis zum Abend geschlossen. Pizzastücke, Paninis, Toast oder Brioche trösten als Snacks über den ärgsten Hunger hinweg.
Fremdes Essen ist überhaupt ein interessantes Thema. Ob italienisch oder jugoslawisch, es ist exotisch und schmeckt im Urlaub wunderbar. Eine besondere Attraktion an italienischen Stränden ist der Cocobello-Verkäufer, der am Strand Kokosnussstücke verkauft. Die schmecken den meist jungen Käuferinnen und Käufern zwar nicht besonders, aber das ist Nebensache. Man muss sie haben, schließlich gibt es sie nicht alle Tage.
Genauso ungewöhnlich und faszinierend wie das Essen ist auch die bunte Plastikwelt der fremden Spielsachen, die man unbedingt mit nach Hause bringen muss. Dort verstauben sie dann meist unbenutzt in der Ecke und finden schließlich ein unrühmliches Ende im Müll.
Bezahlt wird alles mit fremdem Geld mit vielen Nullen und bimetallischen Münzen. Da das Geld eigens für den Urlaub getauscht wird und nur mit Verlust zurückgetauscht werden kann, ist genaue Planung gefragt. Der gewechselte Betrag muss hoch genug sein, dass nicht nachgewechselt werden muss, am Ende muss aber alles ausgegeben sein. Schließlich, da ist man sich sicher, ist im nächsten Sommer die fremde Währung aufgrund der Inflation nur noch die Hälfte wert.
Ganz besondere Ängste erregen Quallen. Sie werden öfters am Morgen tot am Strand gefunden. Der Anblick des unförmigen Glibbers und die Schreckenserzählungen über die furchtbaren Schmerzen, die mit der Berührung der Tiere einhergehen, sorgen für Albträume und Angstfantasien, selbst wenn die Tiere nie lebend gesichtet werden. Sehr real und spürbar ist der von Seeigeln verursachte Schmerz: Wer einmal in einen der vielen schwarzen Bälle getreten ist, zieht gerne die bunten Plastikschuhe an, um ins Wasser zu gehen.
Eine drohende Krebserkrankung ist in der optimistischen Aufbruchs- und Wirtschaftswunderzeit kein Thema. Rauchen gehört noch genauso zum guten Ton wie eine möglichst nahtlose Urlaubsbräune als nachhaltiger Beweis für die Reise in den Süden. Sunblocker gibt es ausschließlich für Kleinkinder, die etwas Größeren werden nur am Anfang des Urlaubs mit der Sonnencreme traktiert und Erwachsene schwören auf Tiroler Nussöl, da es die Bräune fördert. Der Sonnenbrand ist vorprogrammiert und gehört zum Urlaub wie Eiscreme und Nudeln. Auch die Bewohner/innen des Gastlandes schwören auf Sommerbräune. Stundenlang stehen Italiener/innen plaudernd im seichten Wasser, da die Reflexion eine allseitige Bräunung ermöglicht. Der aus dem Norden kommende Tourist hält sich an die hergebrachte „Regelmäßig-Wenden-Methode“.
Urlaubsvorbereitung ist Planung. In Zeiten vor den kleinen und handlichen E-Book-Readern, mit denen man stets seine ganze Bibliothek dabeihat, ist die Frage, wie viele Bücher mitgenommen werden dürfen, ein heiß diskutiertes Thema. Ein anderes ist die Überlegung, wie viel Filmmaterial ins Reisegepäck kommt.
Fotografieren ist teuer und man sieht erst Wochen später, ob aus den Fotos etwas geworden ist oder nicht. Es wird daher nicht einfach losgeknipst, sondern überlegt fotografiert. Schließlich ist die Zahl der Bilder, die man machen kann, begrenzt. Im Idealfall ist mit dem letzten Foto auch der Urlaub zu Ende. Muss am Ende der Ferien doch noch ein neuer Film eingelegt werden, dauert es oftmals bis Weihnachten, diesen auszuknipsen. So findet sich die Strandidylle neben dem Wintertraum im gleichen Fotopaket.