Architektur ist rationale Organisation ebenso wie Ausdruck sozialen Ranges, was sich nicht nur in Fassaden und Zugangsbereichen, sondern auch in der Raumgestaltung sowie -folge niederschlägt, die als Ort zeremonieller Begehung, des Durchschreitens, wie eine Bühne funktioniert. Wenn der Status der Besitzer ausgedrückt werden soll, gilt es auch Grenzen der Repräsentation einzuhalten, die Regeln der Angemessenheit zu beachten, der bienséance.
Nun ist das 18. Jahrhundert unter dem beherrschenden Einfluss der Pariser Luxuswelt ohnehin mindestens so sehr an Eleganz und Raffinesse wie an üppiger Prunkentfaltung gelegen. Als die Herbersteiner die Umgestaltung ihres innerstädtischen Wohnsitzes (wie übrigens auch von Schloss Eggenberg) in Angriff nehmen, steht die Ornamentmode im Zeichen des style rocaille. Der Rokoko-Geschmack hat nun auch in Österreich seinen Zenit erreicht, wo Maria Theresias Hofarchitekt Nicolaus Pacassi eine eigene Variante des style rocaille mehrfach realisiert, v. a. in Schönbrunn oder im „Leopoldinischen Trakt“ der Hofburg mit den heutigen Amtsräumen des Bundespräsidenten. Indem die Herbersteiner dem Wiener Hofstil nacheifern, erweisen sie sich ihrem aristokratischen Publikum als kaisertreue Gefolgsleute.
Wie lange zuvor Serlios Musterlösungen zu Gebote standen, bieten sich unter geänderten Geschmacksvorzeichen gestochene Vorlagen à la française für die Umsetzung in Holz bzw. Stuck an, ohne dass das Pariser Paradigma 1 : 1 wiederholt wird. All das verlangt hohes handwerkliches Geschick, wobei aufs Neue ein ökonomisches Moment zum Zuge kommt. Geschnitzte Vertäfelungen kommen teuer, wirtschaftlicher hingegen eine zur Gänze in reproduktionsfähigem Stuck ausgeführte Ausstattung.
Sie liegt in den Händen von Johann Heinrich Formentini, Angehöriger einer aus dem benachbarten Oberitalien stammenden Künstlerfamilie. Als sich jedoch wenige Jahre später die Mode ändert und der style rocaille unmodern wird, zumal in Zeiten josephinischer Strenge die Aufträge ausbleiben, sattelt der vielseitige Formentini um: Er wird ständischer Zeugwart und im Zeichen neu aufkommender, von Rousseau befeuerter Naturliebe Initiator der ersten städtischen Grünanlage im nun aufgelassenen, weil nutzlos gewordenen Festungsgelände der Stadt – ein urbanes Kapitel der Aufklärung im Lande.
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