Vitrine 5

Funktionelle Kleidung

Bäurin aus der Judenburger Gegend, um 1800

 

Die Kleidung dieser Figurine wurde nach einem Aquarell von Johann Lederwasch gefertigt und im Laufe der Zeit nur minimal verändert. Auffällig ist der „Scheibenhut“, der wegen seines Umfangs bei der Arbeit selten praktisch war und deshalb abgelegt wurde. Unter dem Scheibenhut sitzt ein „Kärntner“ (auch „Karner“) „Bodenhäuberl“, dessen Band den Haarknoten umschließt. Diese zumeist verzierten Bodenhauben erinnern an die aus dem 18. Jahrhundert aus England kommende bürgerliche Mode. Sie wurden laut Geramb ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts von schwarzseidenen Kopftüchern abgelöst.

Bunte Mischung

Die einzelnen Kleidungsteile wurden zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Quellen zusammengetragen: Der Spenser wurde im Jahr 1885 für 2 Gulden angekauft, das Schultertuch aus der Passailer Gegend 50 Jahre später vom Altwarenhändler Kapfer in Eggenberg um 5 Schilling erworben. Die Strümpfe stammen aus einem Bauernhaus in der Gegend von Obdach und wurden ebenfalls 1935 über A. Thalhammer aus Obdach (Bezirk Murau) vom Museum angekauft. Der ursprüngliche Scheibenhut – ein Geschenk –, wurde in den 1980er-Jahren gegen ein besser erhaltenes Stück aus der Sammlung des Volkskundemuseums ausgetauscht.

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1937 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

Johann Lederwasch, Beschreibung des Volkslebens im Gebiete der Herrschaft Fohnsdorf, Aquarell abgebildet in: Viktor Geramb (Hg.), Steirisches Trachtenbuch, Bd. 2, Graz 1935, S. 132.

Text

Johannes Maier, Alina Rettenwander

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Obersteirische Landbürgerin, um 1840

 

Die Figurine der Obersteirischen Landbürgerin fällt nicht nur durch ihren auffallend hellen Teint auf – der möglicherweise der letzten Restaurierung um 2000 geschuldet ist –, sondern auch durch ihre zu große Kleidung. Rock und Spenser wurden zu einem Ganzen zusammengenäht und sitzen trotzdem schlecht. War für diese Figur ursprünglich eine andere Kleidung vorgesehen oder hatte der Künstler keine genauen Maßangaben erhalten? Die Länge des Rocks verweist jedenfalls auf eine verheiratete Frau, die Kleidung ganz generell auf den Einfluss der bürgerlichen Kultur in der ständisch-agrarischen Ordnung.

Verblasst


Der Seidenstoff war ursprünglich lilafarben, durch zu viel Licht in den ersten Jahrzehnten der Präsentation im Trachtensaal sind die Farben verblasst. Deshalb wurde im Zuge der Wiedereröffnung des Trachtensaals im Jahr 2003 die Schürze von Marie Reisinger, einer Schneiderin des Steirischen Heimatwerkes, nach dem schadhaften Original detailgetreu rekonstruiert. Auch wurde der Figurine ein neues Schultertuch umgelegt, das deutlich intensivere Farben hat.

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1937 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Text

Johannes Maier, Alina Rettenwander

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Ennstaler Sennerin, um 1790

 

Der Kleidung dieser Figurine liegt wohl ein Aquarell von Johann Lederwasch aus dem Jahr 1790 zugrunde. Teile davon sind Rekonstruktionen, die Melitta Maieritsch im Auftrag von Viktor Geramb gefertigt hat. Andere Stücke sind aus verschiedenen Beständen zusammengetragen: Das Halstuch war ein Geschenk der Wäschezentrale des Grazer Roten Kreuzes, die Bodenhaube unter dem Scheibenhut stammt aus dem Besitz von Frau Gölles-Kelcher, ebenfalls aus Graz. Laut Museumsinventar hatte ihr Ehemann diese und andere Hauben im Ersten Weltkrieg aus einem Haus an der Italien-Front mitgenommen und nach Graz gebracht. Die Umstände dieser Erwerbungen sind ungeklärt. Die Schuhe sind nach Geramb „grobe, an den Sohlenrändern noch rot gefärbte Birgler“, also Gebirgsschuhe, und wurden im seinem Auftrag rekonstruiert. Die weiße Schürze hat Geramb als „typisch“ für Sennerinnen beschrieben.


Stereotype Geschlechterbilder

Die Figur der Ennstaler Sennerin kann als Beispiel für die Widerspiegelung von ländlichen Geschlechterbildern verstanden werden. Sie ist tatsächlich typisch für die Darstellung von Mädchen in Trachtengrafiken: Die weichen Gesichtszüge, ihre helle Kleidung und der kürzere Rock unterstreichen das Bild einer jungen Person. Dass gerade die Figur der Sennerin eine junge Frau verkörpert, entspricht den im 19. Jahrhundert verbreiteten romantischen Schilderungen und Darstellungen vom friedlichen, gesunden, auch freien Leben auf der Alm und der jugendlichen Sennerin mit einer als natürlich beschriebenen Erotik. Dieses populäre Bild der sauberen, schönen jungen Frau ließ schon damals Neugierige auf die Alm hinaufsteigen.

Bildinformationen

Entstehungszeit

1936

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

Johann Lederwasch, Bauersleute aus dem Ensthale, Aquarell, 1790, Volkskundemuseum/UMJ

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Johannes Maier, Alina Rettenwander, Birgit Johler

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Obersteirische Hammerfrau, 1825

 

Die Figurine der Obersteirischen Hammerfrau ist eines jener Modelle, die vielleicht erst beim genaueren Hinsehen erfasst werden. Interessant ist sie allemal: Der Miederrock, die seidene Schürze und das Schultertuch stammen aus dem Besitz der Anna Maria Zeilinger (1795–1867). Sie hat diese Kleidung 1825 als Braut zu ihrer Hochzeit mit dem Hammerherren Johann Alois Zeilinger in Eppenstein bei Judenburg getragen. Eppenstein war bedeutend in der Herstellung von Sensen und Sicheln, die im 18. Jahrhundert bis nach Mitteldeutschland, in die Schweiz und nach Siebenbürgen verkauft wurden. Die Familie Zeilinger war Eigentümerin des Eppensteiner Sensenwerks.

Kein vollständiges Ensemble

Im Jahr 1931 verkaufte Martha Zeilinger, wohl eine Verwandte, das Brautgewand dem Museum. Die Schuhe sind jedoch nicht original, sie wurden den Brautschuhen von Anna Zeilinger im Auftrag des Museums detailgetreu nachgebildet. Auch die Goldhaube aus Mürzhofen (Bezirk Mürzzuschlag) – Zeichen für Vermögen und sozialen Status – gehörte nicht zu dem angekauften Konvolut; das Volkskundemuseum kaufte sie im Jahr 1937 von Anton Zimmermann aus Graz um 4 Schilling. Der ursprüngliche schwarze Seidenspenser wurde aus restauratorischen Gründen gegen einen vergleichbaren aus der Museumssammlung ausgetauscht. Das hier gezeigte Modell stammt von der Familie Schmidbauer aus Wetzelsdorf bei Graz.

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1937 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Text

Johannes Maier, Alina Rettenwander, Birgit Johler

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Bauer aus der Obersteiermark

 

Die Figurine des Bauern aus der Obersteiermark wird in den Aufzeichnungen auch als „Fohnsdorfer Bauer“ aus dem frühen 19. Jahrhundert geführt. Die ausdrucksstarken Gesichtszüge lassen vermuten, dass für diese Figur eine reale Person Modell stand. Ein Trachtenbild von Karl Ruß mit dem Titel Alter Bauer aus der Gegend von Leoben zeigt eine Figur, die als Inspiration – zumindest für die Kleidung – gedient haben könnte.

Beamten- und Literatengeschenke

Der grüne „Haftelrock“ kam 1917 als Geschenk des Beamten Julius Wall aus Graz in die Sammlung des Museums und stammt laut Inventar von einem Bauernhof zwischen Mürzzuschlag und Spital am Semmering. Solche Langröcke wurden von älteren, verheirateten, auch wohlhabenderen Männern getragen und von Geramb für die Steiermark im 18. und frühen 19. Jahrhundert häufig bezeugt.

Zur männlichen Ausstattung gehörte um 1800 auch ein Hut. Dieser konnte rund sein – wie viele Darstellungen im Steirischen Trachtenbuch bezeugen, doch in anderen Gegenden, etwa in Württemberg, waren auch Dreispitze Teil des Trachtenkanons. Der imposante Hut des Bauern aus der Obersteiermark wurde 1922 in die Sammlung aufgenommen und war ein Geschenk von Hans Kloepfer, einem Arzt und Schriftsteller aus Gössnitz bei Köflach, mit dem Viktor Geramb eng verbunden war. Heute ist Kloepfer wegen seiner Sympathie für den Nationalsozialismus umstritten.

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1937 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

Josef Rasteiger nach einem Aquarell von Karl Ruß, Alter Bauer aus der Gegend von Leoben, 1810, Volkskundemuseum/UMJ

Text

Birgit Johler

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Ennstaler Bauer, um 1790

 

Für die Kleidung des Ennstaler Bauern diente wohl ein Aquarell von Johann Lederwasch als Vorlage. Der lange Lodenrock zeigt laut Geramb eine ältere Form, die auch als „Bauernschaube“ bezeichnet wird. Die weite Hose ist aus „Rass“ angefertigt, einem Mischgewebe aus Wolle und Leinen. Sie ähnelt einem im 18. Jahrhundert weitverbreiteten Hosentyp – der „Culotte“ –, der sich aus der höfischen Mode des 17. Jahrhunderts entwickelt hatte. Die Schuhe weisen laut Geramb „die hohe steirische Schnürstiefelform des 17. Jahrhunderts auf“.

Ein interessantes Accessoire, aber kaum sichtbar, ist die „Geldkatze“: ein Ledergürtel mit einer Möglichkeit zur Geldaufbewahrung. Er kam 1913 über den Arzt und Schriftsteller Hans Kloepfer sowie den Fachlehrer Hysel aus Köflach in das Museum. Kloepfer ist heute wegen seiner Sympathie für den Nationalsozialismus umstritten.

Bildinformationen

Figurine

Alexander Silveri

Entstehungszeit

1936

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

Johann Lederwasch, Bauersleute aus dem Ensthale, Aquarell, 1813, Volkskundemuseum/UMJ

Text

Johann Maier, Alina Rettenwander

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