Vitrine 6

Körper-Gefühl

Obersteirischer Jäger, um 1800

 

Der Künstler als Jäger

Diese Figurine ist ein Selbstbildnis des Bildhauers Alexander Silveri. Viktor Geramb präsentierte ihn als Obersteirischen Jäger in derselben Vitrine wie das Bauernmädchen aus Hitzendorf, das Gesichtszüge von Silveris Frau Hiltraud zeigt.

Als „Sonntagsstaat“ wurde die Bekleidung des Obersteirischen Jägers bezeichnet. Solche Kleidung wurde meist für besondere Anlässe, zum Beispiel für ein Preisschießen, getragen und nicht für die Jagd. Die Bezeichnung „Staat“ ist hier aus dem plattdeutschen „staatsch“ hergeleitet und steht für „prachtvoll“ und „ansehnlich“.

Die Kleidung des Obersteirischen Jägers ist augenscheinlich den Tuschezeichnungen des Künstlers Josef Breitner (links) und von Konrad Mautner (rechts) nachempfunden – beide zeigen Anton Schwaiger, einen Jäger und Bauern aus der Gegend von Schladming. Wie bei einigen anderen Figurinen ist auch beim Obersteirischen Jäger nicht bekannt, wer die Kleidungsteile getragen hat. Viktor Geramb stellte sie aus Schenkungen und Ankäufen zusammen: Die Weste war 1872 als Geschenk einer Baronin Thinnfeld in die Sammlung des Joanneums eingegangen. Der Hut stammt angeblich aus Tirol und wurde dem Museum im Jahr 1931 von der Familie Meran übergeben. Das Gewehr, ein sogenannter „Kugelstutzen“, war ein Geschenk des Ökonomierates Kammerhofer aus Turnau im August 1938. Genauere Angaben zur Provenienz dieses Objektes sind bislang nicht bekannt. Das Hemd wurde von Melitta Maieritsch im Auftrag von Viktor Geramb genäht.

Bildinformationen

Figurine

Alexander Silveri

Entstehungszeit

1936

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

Abb.:  Josef Breitner, Anton Schwaiger – Jäger und Bauer aus Rohrmoos bei Schladming um 1860, Tuschezeichnung, undatiert, Volkskundemuseum/UMJ
Konrad Mautner, Anton Schwaiger Jäger und Bauer in Rohrmoos bey Schladming am Schießstand um 1860. Nach einem Lichtbild angefertigt, undatiert, Volkskundemuseum/UMJ

Text

Birgit Johler

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Steirischer Hammerherr, um 1840

 

Im Zuge der Neukontextualisierung des Trachtensaals 2022 wurde diese Figur entkleidet, um die künstlerische Arbeit und die Konstruktion der Figurinen sichtbar zu machen. Bis dahin war sie vor allem durch ihren Langrock aufgefallen. Langröcke wurden von Geramb für die Steiermark im 18. und frühen 19. Jahrhundert häufig bezeugt. Getragen wurden sie von älteren, verheirateten, auch wohlhabenderen Männern. Der Langrock und die übrigen Kleidungsstücke stammen aus dem Besitz des Vordernberger Arztes Valentin Caspaar und wurden von ihm noch um 1840 getragen. Sein Enkel schenkte sie 1914 dem Volkskundemuseum. Die Kleidung war laut Viktor Geramb typisch für obersteirische Eisen- und Hammerherren.

Durch die Umstellung vom Fausthammer auf Wasserkraft mit Ende des 16. Jahrhunderts gewann in der Steiermark die Eisenverarbeitungsindustrie eine immer größere Bedeutung. Das brachte den Eigentümer*innen, den sogenannten Hammerherren und Hammerfrauen, wirtschaftlichen Reichtum und zumeist ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Neben Wassernutzungsrecht, um die Hämmer anzutreiben, hatten sie sehr oft auch Waldbesitz zur Holzkohlegewinnung.

Bildinformationen

Entstehungszeit

1936/37

Foto

N. Lackner/UMJ

Text

Johannes Maier

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Bauernmädchen aus Hitzendorf bei Graz, um 1810

 

Die Figurine in Person von Hiltraud Silveri

Die Gesichtszüge des Bauernmädchens aus Hitzendorf hat Alexander Silveri seiner Frau Hiltraud Silveri, geborene Fabiani, nachempfunden. Die beiden lernten sich im Bund Neuland kennen, einer 1921 gegründeten katholischen bündischen Vereinigung, welcher der junge Künstler seit den späten 1920er-Jahren angehörte. Im Laufe seiner Karriere fertigte Silveri mehrere seiner Ehefrau Hiltraud nachempfundene Werke an. 

Zusammengesetzte Kleidung

Für die Kleidung der Frauen aus der Hitzendorfer Gegend (Bezirk Graz-Umgebung) führte Viktor Geramb im Steirischen Trachtenbuch eine Beschreibung des Bezirkskommissars Franz Beidler aus dem Jahr 1811 an, der diese als „sehr einfach“ beschrieb. Als weitere Vorlage für die Ausstattung dieser Figurine diente Geramb ein Aquarell von Karl Ruß aus dem Jahr 1810. Tatsächlich setzte er die Kleidung aus den verschiedensten Regionen der Steiermark zusammen: Das Schultertuch stammt aus Wildon (Bezirk Leibnitz), das Miederleibchen aus Rothsohl in der Obersteiermark. Die Schuhe wurden vom bürgerlichen Damenschuhmacher Franz Drobil aus Wien angefertigt. Sie gehörten keinem Bauernmädchen, sondern der Hammerfrau Johanna Forcher-Ainbach, geborene Huber. Sie trug diese Schuhe zu ihrer Hochzeit am 18. Juni 1834 mit Nikolaus Forcher, einem Hammerherrn aus Judenburg. Die auffällige Kopfbedeckung besteht aus der „Hitzendorfer Haube“ und dem „Sulmerhut“ – beide Formen waren in der heutigen Ost-, West- und Südsteiermark verbreitet.

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

Karl Ruß, Frau und Mädchen aus Hitzendorf bei Gräz, Aquarell abgebildet in: Viktor Geramb (Hg.), Steirisches Trachtenbuch, Bd. 2, Graz 1935, S. 151.

Text

Johannes Maier

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Oststeirischer Jäger, um 1810

 

Als Vorlage für den Oststeirischen Jäger könnte ein Aquarell von Karl Ruß aus dem Jahr 1813 gedient haben. Die meisten Kleidungsstücke wurden von Viktor Geramb aus den Sammlungsbeständen zusammengestellt bzw. teilweise angekauft: Die Lederhose wurde laut Inventar im Februar 1938 um 40 Schilling von der Grazer Altwarenhändlerin Maria Pirtz angekauft und stammt deren Angaben zufolge aus der Obersteiermark. Dem Hut schenkte Geramb in der Originalbeschreibung besondere Beachtung: „Man beachte den breitkrempigen Hut, der zum Langhaar trefflich stand.“ Allerdings war die Figurine für die Vitrine zu groß, weshalb die Kopfbedeckung bis Anfang der 2000er-Jahredanebenliegend präsentiert wurde.

Verfärbtes Grün

Die Farbe des Oberteils war ursprünglich ein helles Grün, Lichtschäden aus den ersten Jahrzehnten der Präsentation haben die Farbe in Türkis verwandelt. Die Häufigkeit der Berufsgruppe Jäger im Trachtensaal verwundert wenig, betrachtete Geramb doch deren Farben (Grau und Grün) schon seit dem 17. Jahrhundert als Teil der „steirischen Volkstracht“.

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

Karl Ruß, Bauernpaar aus Passail, Aquarell abgebildet in: Viktor Geramb (Hg.), Steirisches Trachtenbuch, Bd. 2, Graz 1935, S. 178.

Text

Johannes Maier, Birgit Johler

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Steirische Taufgodl, um 1830

 

Die umgangssprachliche Bezeichnung „Godl“ bedeutet Patin. Die Taufgodl trägt den Täufling bei der Taufe und bezeugt die Sakramentenspendung. Ihr Name wird auch ins Kirchenbuch eingetragen. Die Figurine stellt eine wohlhabendere Frau dar, darauf verweisen ihr Spenser aus Seide, die Halskrause, vor allem aber die „Linzer Goldhaube“. Nach Geramb wurde diese in Oberösterreich und Steiermark und vor allem vom „Eisenadel“ getragen, also von Hammerfrauen, die sich die Anschaffung der teuren Hauben leisten konnten.


Rock und Spenser wurden 1920 von Marie Grawatsch, einer Gastwirtin aus Pöllau, dem Museum geschenkt. Über der kleinen Puppe, dem „Patenkind“, ist das Taufkleidchen, ein „Chrysampfaidlein“, gebreitet. Der Name leitet sich aus Chrisam, einem wohlriechendes Salböl, und dem bairischen Wort „Pfaid“ für Hemd ab. Das Deckchen stammt aus dem Pustertal (Südtirol), wo es bei Taufen verwendet wurde. Bei Knaben war das Deckchen mit rosa Bändern geschmückt, bei Mädchen mit blauen. Bis ins frühe 20. Jahrhundert galt Rot – und damit auch Rosa – als vitale, starke Farbe und wurde mit Kraft, Leben und Männlichkeit verbunden. Das Polster, auch „Steckkissen“ genannt, kam vermutlich schon vor 1913 über das Grazer Kindermodengeschäft Gerstner in die Sammlung des Joanneums.

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Text

Johannes Maier

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Steirische Hammerfrau, um 1810

 

„Hammerfrauen“ bzw. „Hammerherren“ waren ursprünglich Besitzer*innen von eisenverarbeitenden Betrieben, sogenannten Hammerwerken. Namensgebend ist der durch Wasserkraft angetriebene „Schwanzhammer“, der für die Eisenverarbeitung eingesetzt wurde. Die Kleidung der Steirischen Hammerfrau wurde Anna Ebner, geborene Plumauer, vom sogenannten Sensenwerk „Ebnerhammer“ im Möschitzgraben bei St. Peter ob Judenburg nachempfunden. Im Jahr 1823 hat ihr Ehemann Josef Ebner die ehemalige Waffenschmiede im Möschitzgraben übernommen, um von nun an Sensen anzufertigen. Die Sensen machten den „Ebnerhammer“, der das Meisterzeichen „Sonne“ in Erzeugnisse schlug, steiermarkweit bekannt.

Die wohlhabende Anna Ebner war auch Besitzerin der aufwendig angefertigten Kleidungsstücke. Speziell verweist Viktor Geramb auf die Kopfbedeckung, die „Leobner Bundhaube“, die sich in ihrer Form als barettartige Kappe von den in der Steiermark sonst üblichen Frauenhauben unterscheidet. Die auf dem Foto abgebildete Jacke mit Pelzbesatz lässt ihren Status als sehr wohlhabende Frau sichtbar werden. Pelzverbrämungen und volumenbildende Stoffe waren lange Zeit in der gesellschaftlichen Hierarchie nur reichen Personen vorbehalten.

Patin*Pate gesucht!

Jacke und Handschuhe befinden sich im Textildepot des Volkskundemuseums. Die Jacke kann aufgrund ihres Zustandes nicht ausgestellt werden – sie wartet auf ihre Restaurierung beziehungsweise auf eine Patin*einen Paten!

Bildinformationen

Entstehungszeit

1936/37

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

Hammerfrau Ebnerhammer St. Peter ob Judenburg, Glasplattendiapositiv, 2. Hälfte 19. Jhdt., Foto: unbekannt, Volkskundemuseum/UMJ

Text

Johannes Maier

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