Narwalzahn
Seit dem Mittelalter wurden Narwalzähne mit einer dichten Symbolik befrachtet: So wurden sie mit dem legendären Einhorn in Verbindung gebracht, das der Überlieferung zufolge nur im Schoß einer Jungfrau gezähmt werden konnte. An die blendend weiße Erscheinung dieses Fabeltiers knüpften sich Begriffe wie Reinheit und Schönheit; die Kombination von Einhorn und Jungfrau wurde auf die Menschwerdung des Gottessohnes im Schoße Mariens bezogen.
Auch der „Physiologus“ deutete das Einhorn als Symbol Christi, „denn er hat aufgerichtet ein Horn im Hause Davids“ (Lukas 1, 69). Christus erschien nun als „unicornis spiritualis“, zum Zeichen der Einheit (lat. „unio“) mit Gottvater. Folglich waren Narwalzähne, deren zoologische Herkunft lange unbekannt blieb, begehrte Besitztümer. Besonderen Rang gewannen sie unter den intensiv gesammelten Wunderwerken der Natur, den „naturalia“, zumal den zu Pulver gemahlenen Zähnen eine besondere Schutzwirkung bei Giftanschlägen und Pestepidemien zugeschrieben wurde.
Erst 1638 wies der dänische Gelehrte Ole Worm (1588–1654) nach, dass es sich um die Stoßzähne des männlichen Narwals handelt. Ungeachtet dieser Entmythologisierung blieb der Narwalzahn ein beliebtes Sammlerstück, das sich auch in Worms eigener Kunstkammer fand, dem seinerzeit berühmten „Museum Wormianum“.
Eines der prominentesten Exemplare, „Ainkhürn“ genannt, weist eine Länge von 243 cm auf. Es gelangte 1540 als Geschenk von Sigismund II. August, König von Polen-Litauen, an König Ferdinand I. in die Wiener Schatzkammer. Die besondere Wertschätzung, die auch das jüngere, 212 cm lange Grazer Exemplar zu seiner Entstehungszeit genossen hat, zeigt sich darin, dass es ein aufwendiges, mit gepresstem Leder verkleidetes Holzfutteral erhielt.
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