08. Juli 2025, Nadine Kröpfl
08. Juli 2025, Nadine Kröpfl
Bildinformationen
Wie lässt sich Liebe denken – nach Gewalt, nach Trauma? Was bedeutet Solidarität in Zeiten der Sprachlosigkeit? Diese Fragen stehen im Zentrum der Ausstellung Milica Tomić. On Love Afterwards im Kunsthaus Graz. Doch bevor Besucher*innen den vielschichtigen Ausstellungsparcours betreten, liegt eine intensive Phase der Konzeption, Planung und des Aufbaus hinter dem Projekt. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, wie sich kuratorische Ideen, räumliche Herausforderungen und künstlerische Entscheidungen zu einem offenen Denkraum fügen.
Bereits die ersten Gespräche mit der Künstlerin Milica Tomić machten deutlich: On Love Afterwards würde keine klassische Ausstellung im Sinne einer Abfolge von Arbeiten werden. Vielmehr ging es darum, ein raumgreifendes Erleben zu ermöglichen – einen Parcours, in dem Besucher*innen sich bewegen, innehalten, nachdenken und eigene Verbindungen herstellen können.
Die Herausforderung für das Aufbauteam bestand darin, diesen offenen Erzählraum physisch umzusetzen: Wände wurden nicht nur gestellt, sondern bewusst weggelassen oder durchlässig gehalten. Skulpturale Elemente und Videos mussten so platziert werden, dass sie ein Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz erzeugen – im inhaltlichen wie im räumlichen Sinn.
Die Ausstellung ist kein Puzzle mit klarer Lösung, sondern ein Netz aus Fragmenten, das sich nur durch Bewegung und Zeit erschließt. Archivmaterialien treffen auf persönliche Erzählungen, politische Aussagen auf poetische Bilder.
Im Aufbauprozess wurde jede Station sorgfältig mit der Künstlerin abgestimmt: Wo wirkt ein Video am eindrücklichsten? Welche Distanz brauchen Text und Objekt zueinander? Welche Blickachsen lassen sich öffnen, welche bewusst versperren?
So entstanden Räume, in denen nicht nur Werke, sondern auch die Leerstellen dazwischen sprechen. Orte, die nicht vorgeben, sondern anbieten – zur Reflexion, zur Erinnerung, zur Auseinandersetzung.
Hinter dem scheinbar freien Parcours steckt eine fein abgestimmte kuratorische Dramaturgie. Keine Chronologie, sondern Resonanzräume: Themen wie Fürsorge, Widerstand, Erinnerung oder Verlust tauchen an verschiedenen Stellen in unterschiedlicher Form wieder auf.
Die Besucher*innen sind eingeladen, diese Wiederholungen und Verschiebungen selbst zu entdecken – etwa durch wiederkehrende Materialien, durch Stimmen, durch Fragmente, die sich an unerwarteten Stellen spiegeln.
Im Aufbau war dies eine besondere Herausforderung: Das Team musste Räume mehrfach denken – nicht nur in ihrer Funktion, sondern in ihrer Wirkung. Ein Text im Eingangsbereich erhält ein neues Gewicht, wenn er später in einer anderen Arbeit wieder auftaucht.
Das Herzstück der Ausstellung sind jene Zwischenräume, die nicht gefüllt, sondern offen gelassen wurden. Sie sind stille Zonen im Parcours – Orte des Zuhörens, aber auch des Innehaltens.
Im Aufbauprozess wurden diese Räume bewusst gestaltet: durch Licht, durch Akustik, durch die Wahl der Materialien. Sie laden ein, sich Zeit zu nehmen, sich berühren zu lassen – oder sich zu entziehen.
On Love Afterwards ist mehr als eine Ausstellung – es ist ein Erfahrungsraum. Der Aufbau war kein linearer Prozess, sondern ein kollektives Entwickeln, ein sensibles Justieren und ein gemeinsames Fragen: Wie lassen sich komplexe Themen wie Trauma, Erinnerung und Gemeinschaft erfahrbar machen, ohne sie festzuschreiben?
Hinter jedem Video, jedem Objekt, jeder Leerstelle steht eine Entscheidung – getroffen im Dialog zwischen Künstlerin, Kurator*innen, Techniker*innen und vielen weiteren Beteiligten.
So ist On Love Afterwards auch ein Beispiel dafür, wie Ausstellungen als gemeinschaftliche Räume entstehen: durch Vertrauen, durch Sorgfalt – und durch das Aushalten von Mehrdeutigkeiten.