Taumel

Navigieren im Unbekannten

10.02.-28.05.2017


Eröffnung: Do, 9. Februar 2017, 19 Uhr, Performance mit Christina Lederhaas, Veza María Fernández Ramos: "Geht's dir gut?"

In Kooperation mit Centre for Contemporary Art Ujazdowski Castle Warschau, der Diagonale´17, dem MEGAPHON und dem Institut für Differentielle Psychologie, Uni Graz. Unterstützt von der Akademie der bildenden Künste Wien, Dizziness – A Resource (FWF-Peek) und vom David-Herzog-Fonds der steirischen Universitäten.  

 

Kuratiert von: Ruth Anderwald, Katrin Bucher Trantow und Leonhard Grond
Ort: Space02


Die Ausstellung ist bis zum 28.05.2017 verlängert!  


Über die Ausstellung

Die destabilisierte Welt scheint Alltag geworden zu sein: Täglich versetzen uns Krisennachrichten in realen oder fiktionalen Taumel. Das Gefühl drohender Unruhe und Angst vor unabsehbaren Veränderungen beschwört das Bild einer taumelnden Gesellschaft auf einem taumelnden Planeten herauf. Und doch, so behauptet das Projekt „Dizziness – A Resource“, ist der Taumel auch Auslöser und Anlass kreativen Denkens und Schaffens.

 

Taumel als der Moment des Verlustes von Stabilität und Kontrolle wird in der Ausstellung auf psychischer sowie physischer, auf persönlicher oder gesellschaftlicher, aber auch auf politischer und kultureller Ebene verstanden. Er entsteht lokal und situationsbedingt, wird durch Informationsüberforderung, -unterforderung oder den Verlust von stabilisierenden Faktoren ausgelöst. Er greift um sich, ist ansteckend und Auslöser für Beschleunigung oder den vollkommenen Stillstand. Den Begriff des Taumels erforscht das Künstler/innenduo Ruth Anderwald und Leonhard Grond an der Akademie der bildenden Künste, Wien in verschiedenen Disziplinen: Kunst, Philosophie, Kreativitätsforschung, Kulturwissenschaften, Medizin und Psychologie.

Künstlerisch-kuratorische Forschung

Die Gruppenausstellung hat sich aus und mit dem seit 2014 laufenden Forschungsprojekt „Dizziness – A Resource“ des Künstler/innenduos Ruth Anderwald + Leonhard Grond entwickelt. Sie ist Teil der künstlerisch-kuratorischen Forschung und zeigt – ausgehend vom Medium Film – insbesondere Werke, in denen der Taumel zur künstlerischen Methode wird, anhand derer Orientierungen, Ansichten und Absichten hinterfragt, Entwicklungen vorangetrieben oder Regeln ausgehebelt werden. Das Erleben des Taumels ist für viele Kunstschaffende immanenter Teil ihrer künstlerischen Praxis.

 

Für die Ausstellung wurde der Wettbewerb „Die Welt im Taumel“ (2015–16) ausgerufen, der an eine Studie in Kooperation mit „Dizziness – A Resource“ und dem Institut für Differentielle Psychologie der Universität Graz angeschlossen war. 38 internationale Künstler/innen wurden dabei mittels einer täglichen Befragung begleitet, um Erkenntnisse über den Taumel im kreativen Schaffensprozess zu gewinnen. Die Studie bestätigte unter anderem, dass in vielen Fällen künstlerischen Schaffens tatsächlich ein Gefühl der Unsicherheit und des Kontrollverlustes eintritt. Als Sieger des Wettbewerbs wurde die Arbeit Fractal Crisis der schwedischen Künstler Viktor Landström und Sebastian Wahlforss prämiert – sie ist in der Ausstellung zu sehen.

 

Ausstellungsrundgang durch drei Zonen

Taumel. Navigieren im Unbekannten schlägt drei Zonen vor: Eine widmet sich der bewussten oder unbewussten Erfahrungserweiterung durch den Taumel (hinein), eine weitere dem fragilen, rauschhaften Mäandern (durch) und in der dritten Zone geht es um jene Stärke der Imagination, die das kreative Schaffen eines neuen Gedankens ermöglicht (hinaus).

 

 

Mit Werken von Bas Jan Ader, Marc Adrian, Ruth Anderwald + Leonhard Grond, Ólafur Elíasson, Robert Filliou, Oliver Hangl, Cameron Jamie, Ann Veronica Janssens, Anna Jermolaewa, Joachim Koester, Michael Landy, Henri Michaux, Bruce Nauman, Laurel Nakadate, Trevor Paglen, Philippe Parreno, Helga Philipp, Oliver Ressler und Dario Azzellini, Ariel Schlesinger und Jonathan Monk, Ben Russell, Viktor Landström und Sebastian Wahlforss, Esther Stocker, Superflex, Catherine Yass.

 

 

Das Quellen- und Begleitbuch zur Ausstellung lädt dazu ein, an unterschiedlichen Zugängen und Perspektiven rund um den Taumel teilzuhaben. Ein Reader mit wissenschaftlichen Texten ist für 2018 geplant, in Zusammenarbeit mit Ruth Anderwald + Leonhard Grond sowie der Akademie der bildenden Künste, Wien.

 

Die Ausstellung ist von 15.09.2017–07.01.2018 auch im Centre for Contemporary Art Ujazdowski Castle in Warschau zu sehen.

 

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt „Dizziness – A Resource“ von Ruth Anderwald + Leonhard Grond sind auf der Webseite www.on-dizziness.com zu finden.

Rundgang für Eilige

Wozu soll Taumel gut sein?

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Sind Sie schon einmal getaumelt?
War Ihnen schwindlig,
haben Sie den Boden unter Ihren Füßen verloren?
Sind Sie gestolpert, mit jemandem zusammengeprallt,
vielleicht sogar hingefallen?
Oder kennen Sie berauschten Freudentaumel?

Vielleicht ist Ihnen dieser Gedanke vertraut:
„Ich versteh’ die Welt nicht mehr!“
Auch diese Unsicherheit ist eine Form von Taumel.

Der Taumel macht alles anders,
als wir es gewohnt sind.
Wir sind verunsichert.
Zugleich gibt uns der Taumel aber die Chance,
ganz neue Wege einzuschlagen.

Viele Künstlerinnen und Künstler
nutzen den Taumel deshalb für ihre Arbeit:
Sie lassen sich auf Außergewöhnliches ein,
sehen die Welt aus einem fremden Blickwinkel und
verknüpfen Dinge miteinander,
die auf den ersten Blick nichts
miteinander zu tun haben.  

Esther Stocker: Ohne Titel (Taumel), 2017

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Zu Beginn sollen Sie selbst ins Taumeln geraten. Es ist nicht immer alles so, wie es uns erscheint: Wir können uns irren. Unsere Wahrnehmung ist nicht zu hundert Prozent verlässlich, durch Tricks kann sie hinters Licht geführt werden. Genießen Sie den Zweifel!  

Helga Philipp: Objekt, 1968 Marc Adrian: HOT RED, 1965

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Was genau Sie vor sich sehen, hängt ganz von Ihnen ab. Mit jedem Ihrer Schritte verändern Sie das Bild. Wenn Sie sich bewegen, bewegt es sich mit Ihnen.  

Cameron Jamie: Kranky Klaus, 2002–2003 Soundtrack: The Melvins

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Der berühmte Perchtenlauf im Gasteinertal in Salzburg erhielt 2011 die Auszeichnung als Weltkulturerbe. Heißt das: Gewalt und Angst sind ein wichtiger Teil der österreichischen Kultur? Tut es uns gut, dem Bösen manchmal freien Lauf zu lassen? Cameron Jamie über seine Arbeit: „Die gruseligsten Dinge auf der Welt sind immer die Dinge, die wir für ganz normal halten.“   

Joachim Koester: Tarantism, 2007

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Die Tänzer bewegen sich „wie von der Tarantel gestochen“. Woher kommt diese Redensart für ruckartiges Verhalten? Die Tarantel ist eine giftige Spinne aus Süditalien. Als Heilmittel gegen ihren Biss entwickelte man eine besondere Tanzmusik: die Tarantella. Ungebändigtes Tanzen sollte die Wirkung des Gifts abwehren – Stillstand galt in diesem Fall als tödlich. Später hielt man den Tanz selbst für eine Folge des Bisses.  

Catherine Yass: Lighthouse, 2011

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Leuchttürme waren jahrhundertelang unerlässlich: Schiffe konnten sich an ihrer Position orientieren. Heute nutzen Schiffe vor allem andere Mittel wie GPS, um ihre Position zu bestimmen. Die Zeiten ändern sich, vieles gerät ins Wanken. Welche Rolle spielt der Leuchtturm heute noch? In dem Video Lighthouse wackelt unser Blick auf den Leuchtturm. Wir betrachten ihn aus verschiedenen Blickwinkeln: Mal von einem Hubschrauber, mal von einem Boot, mal von unter Wasser aus.   

Ben Russell: Trypps #7 (Badlands), 2010

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Auch der Rausch ist eine Form des Taumels. Wir verlieren die Kontrolle. In Trypps #7 geht es um eine besondere Form des Rauschs, ausgelöst durch die Droge LSD. Wie gehen Menschen mit Halluzinationen um, mit veränderter und teilweise verstärkter Wahrnehmung? Wir beobachten eine junge Frau im Badlands-Nationalpark, die gerade einen LSD-Rausch erlebt. Nach und nach erkennen wir, dass auch unsere Wahrnehmung uns austrickst: Die Kamera filmt nicht die Frau selbst, sondern ihr Spiegelbild auf einem drehbaren Spiegel. Der Spiegel dreht sich immer schneller, sodass wir selbst nicht mehr klar sehen.  

Ariel Schlesinger & Jonathan Monk: Balanced Acts (Graz), 2017

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Wann wird das Ganze kippen? Jeden Augenblick könnte hier alles in sich zusammenfallen. Das gilt auch für unser Leben: In jedem Moment könnte sich plötzlich alles ändern, könnten wir das Gleichgewicht verlieren. Glühbirnen, Tische, Socken und Weingläser trotzen hier der Schwerkraft. Doch wie lange noch? Die Fotografien stammen von den Schweizer Künstlern Peter Fischli und David Weiss. Für ihren Film Der Lauf der Dinge erzeugten sie mit Gegenständen eine Kettenreaktion.  

Bruce Nauman: Pencil Lift/Mr. Rogers, 2013

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Sie sehen einen besonderen Balanceakt: Drei aneinander gedrückte Bleistifte werden Seite an Seite hochgehalten. Nur wer eine ruhige Hand hat, kann hier die Kontrolle bewahren. Das kleinste Zittern ließe alles zu Boden fallen. Auf der linken Seite sehen Sie einen Ort der Stille, an dem es scheinbar keine Ablenkungen gibt. Rechts sehen Sie den persönlichen Arbeitsraum Naumans. Teil seines Arbeitsumfelds ist seine Katze Mr. Rogers, die das künstlerische Experiment gelassen zur Kenntnis nimmt.   

Oliver Ressler & Dario Azzellini: Occupy, Resist, Produce, 2014–2015

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Hauptpersonen dieses Filmprojekts sind Arbeiter aus Fabriken in Thessaloniki, Rom und Mailand, die in den letzten zehn Jahren aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage ihre Arbeit verloren. Die Arbeiter fanden aber ihren eigenen Weg aus der Krise: Sie besetzten gemeinschaftlich die Fabriken und nutzten sie für Flohmärkte, Recyclingbüros, Cafés. Durch diese Projekte konnten sie weiter Geld verdienen und ihrem Leben wieder etwas Sicherheit geben.  

Ruth Anderwald + Leonhard Grond: Dizziness is my Name, 2017

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Ein Flüstern begleitet uns durch die gesamte Ausstellung. Es bewegt sich durch den Raum und taucht immer wieder auf. Die Stimme spricht über das Gehen, über Wissen und Unwissen. Will sie uns verunsichern, uns von unserem Weg abbringen? 2014 starteten Ruth Anderwald + Leonhard Grond ein Forschungsprojekt: „Der Taumel – eine Ressource“. In diesem Projekt sind Künstlerinnen und Künstler, zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, auf der Suche nach Antworten: Was bedeutet künstlerisches Arbeiten? Und braucht es dazu den Taumel?

Installation auf der Needle

Ann Veronica Janssens: MUHKA, Anvers, 1997

 

Wie fühlt es sich an, die Orientierung zu verlieren? Durch den Nebel können wir uns nicht im Raum zurechtfinden. Wir sehen nicht, ob sich etwas in ihm befindet oder nicht. Wir wissen nicht, wann wir an die Grenzen des Raums stoßen. Wir sind verunsichert und verwirrt. Wir taumeln. Finden wir Strategien, uns durch den Raum zu bewegen?  

 

Die Installation ist im Kunsthaus Graz im Februar und April jeden Dienstag von 11–12 Uhr, mittwochs bis sonntags von 16–17 Uhr und im Mai jeden Sonntag während der Öffnungszeiten zu sehen.  

Aus dem Programm

Mi 08.02.

18:00

Teboho Edkins. Filmscreenings: Initiation und Gangster Backstage

Veranstaltung, Kunstgespräch> Kunsthaus Graz

Veranstaltung, Kunstgespräch

> Kunsthaus Graz

Fr 10.02.

10:00-19:00

Veranstaltung, Symposium

> Kunsthaus Graz

Di 14.02.

15:00-16:00

Führung, Schule

> Kunsthaus Graz

Mi 22.03.

Veranstaltung, Film

> Kunsthaus Graz

Sa 25.03.

11:00-12:00

Führung

> Kunsthaus Graz

Weitere Termine

Bildergalerie

Zum Nachhören

Kunsthaus Graz

Lendkai 1
8020 Graz, Österreich
T +43-316/8017-9200
info@kunsthausgraz.at

 

Öffnungszeiten


Di-So, Feiertag 10 - 18 Uhr

Führungen
Termine finden Sie im Kalender oder nach Voranmeldung

Kunsthauscafé
Mo-Do 9-24 Uhr
Fr, Sa 9-2 Uhr
So 9-20 Uhr
Snackkarte
info@kunsthauscafe.co.at
T +43-316/714 957

 

 

24. bis 25. Dezember 2023