Koki Tanaka
Provisorische Studien (Arbeitstitel)
23.06.-27.08.2017
Koki Tanaka im Interview
Über die Ausstellung
Kann man gemeinsam einen Soundtrack komponieren und diesen zu fünft auf einem Piano spielen? Kann man zu siebt einen Protestsong schreiben? Der japanische Künstler Koki Tanaka schafft Situationen – man könnte auch von Versuchsanordnungen sprechen –, die dazu einladen, sich gemeinsam an unmöglich scheinenden Aufgaben zu erproben. Seine Arbeiten kreisen immer wieder um die Frage: Was können wir auf welche Weise gemeinsam erreichen?
In Provisorische Studien (Arbeitstitel), Tanakas erster Einzelausstellung in Österreich zeigt das Kunsthaus Graz Projekte, die um Kollektivität und die Möglichkeiten eines gemeinsamen Handelns kreisen, darunter auch eine neue filmische Arbeit, die den Protest von Menschen gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf in den späten 1970er-Jahren zum Ausgangspunkt nimmt. Tanakas Interesse hat nicht zuletzt auch zu tun mit dem großen Erdbeben und der Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 bzw. den nachfolgenden kollektiven Aktionen in Japan, mitunter auch stillen Protesten, gegen Atomkraft.
Für alle Projekte gilt: Die Mitwirkenden müssen sich untereinander austauschen, Gemeinschaftssinn und Kreativität entwickeln und zugleich neue Regeln des Verhandelns und der Zusammenarbeit ausloten. Neben dem Interesse an kollektiven Formen des Protests interessiert den Künstler auch das Erinnern, die identitätsstiftende Funktion von im Gedächtnis eingebrannten, gemeinsam erlebten Ereignissen und ihre Aktualisierung für die Gegenwart.
Biografie
Koki Tanaka, * 1975 in Tochigi, lebt und arbeitet in Kyoto, Japan. Seine Arbeiten werden weltweit ausgestellt, u. a. im Hammer Museum, Los Angeles; Van Abbemuseum, Eindhoven; ICA, London; Skulpturen Projekte Münster 2017; Liverpool Biennale 2016, Taipei Biennale 2006, the Gwangju Biennale 2008. Größere Bekanntheit in Europa erreichte er mit seiner Ausstellung im japanischen Pavillon und dessen besonderer Erwähnung bei der 55. Biennale von Venedig. 2015 wurde er von der Deutschen Bank zum Künstler des Jahres ernannt.
Rundgang für Eilige

Vieles im Leben lässt sich nur durch Teamwork erreichen. Zugleich kann es aber auch mühsam sein, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Bevor eine Gruppe gemeinsam handelt, muss erst ein gemeinsamer Weg gefunden werden. Unterschiedliche Meinungen prallen aufeinander. Dieser Vorgang ist spannend, aber auch langwierig. Manchmal erscheint es uns daher einfacher, wenn eine einzige Person den Ton angibt und bestimmt, was zu tun ist. Das bedeutet allerdings, dass alle anderen ihr Recht auf Mitsprache aufgeben.

Kann in einer Gruppe von Menschen jeder zu Wort kommen?
Werden die Interessen aller gehört?
Werden sich jemals alle einig sein?
Koki Tanaka ist davon überzeugt: Demokratische Zusammenarbeit braucht viel Zeit. Sie ist ein scheinbar endloses Unterfangen, denn auch das gemeinsame Ziel kann sich verändern: Was wollen wir überhaupt gemeinsam erreichen? Wenn wir zusammenarbeiten, bleibt daher vieles vorläufig, provisorisch. Zusammenarbeit ist ein Vorgang mit offenem Ausgang.

Das Atomkraftwerk in Zwentendorf ist einzigartig: Es wurde fertig gebaut, ging aber nie in Betrieb. In den 1970er-Jahren protestierten zahlreiche Menschen gegen die Inbetriebnahme. 1978 kam es schließlich zu einer Volksabstimmung: 50,47 Prozent sprachen sich gegen die Inbetriebnahme aus.
Menschen, die an den Protesten gegen Zwentendorf teilnahmen, treffen in diesem Projekt auf junge Menschen von heute. Sie sollen einen neuen Protestsong schreiben. Es ist eine Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Generationen. Wer kann was zum Ergebnis beitragen? Wer lernt hier von wem? In einem Punkt sind sich alle einig: Die Nutzung von Atomkraft ist ein Thema, das uns alle angeht.

In der Hektik des Alltags finden wir oft nicht ausreichend Zeit, um uns für das zu engagieren, was uns am Herzen liegt. Lassen sich Alltag und politisches Engagement verbinden?
Koki Tanaka legt in einer Galerie in Tokio Stoff auf. Der Stoff hat die Farbe Gelb – sie steht für den Widerstand gegen die Nutzung von Atomkraft. Wer möchte, kann sich ein Stück davon abschneiden und es bewusst als Zeichen gegen Atomkraft tragen. Das Tragen des gelben Stoffes wird zum stillen Protest. Politischer Protest kann viele Formen annehmen. Er kann laut oder leise sein, schrill oder zurückhaltend, er kann ein „Event“ sein oder eine alltägliche Handlung.

Koki Tanaka lädt vier Musiker und eine Musikerin dazu ein, gemeinsam ein Musikstück zu komponieren und es dann gemeinsam auf dem Klavier zu spielen. Zwar sind die fünf Personen es gewöhnt, zu komponieren und zu musizieren. Doch hier sind sie vor eine neue Herausforderung gestellt: Sie müssen auf die Arbeitsweise der anderen eingehen und eventuell ihre eigene verändern. Zum Schluss gibt es nicht einen Autor oder Interpreten, sondern mehrere.
Sind sie alle mit dem Ergebnis zufrieden?

Ist Zusammenarbeit etwas, das wir jeden Tag aufs Neue üben müssen? Diese Ausstellung lädt nicht nur zum Schauen ein, sondern fordert Sie auch zum Tun auf: Können Sie sich vorstellen, die Aufgaben der „Daytime Task“ zu erfüllen? Wie würde sich Ihr Alltag dadurch verändern?
Schließen Sie sich dem Gespräch an, das unmittelbar neben Ihnen stattfindet. Malen Sie sich den Unterschied zwischen Arbeitsteilung und gemeinschaftlichem Arbeiten aus. Verbinden Sie Gegensätze und Gemeinsamkeiten miteinander.

1985 versammelten sich Tausende Schülerinnen und Schüler auf den Straßen von Liverpool: Die Jugendlichen protestierten dagegen, als billige Arbeitskräfte ausgenutzt zu werden. Jahrzehnte später stellen dieselben Personen ihren Protest von damals nach. Was hat sich verändert? Sind ihre Anliegen von damals heute noch aktuell?
Der Blick zurück macht manche stolz: Sie kämpften für ein Mitspracherecht bei Entscheidungen, die ihre eigene Zukunft betrafen.
Was hat sie damals dazu gebracht, sich politisch zu engagieren?
Bildergalerie
Presseberichte
"Was wie eine symbolische Geste wirkt, gerät zu einer zwischen Nostalgie und Selbstbefragung pendelnden Widerstands-Archäologie."
Japaner erinnert an Anti-Zwentendorf-Bewegung
Salzburger Nachrichten, Martin Behr, 24. Juni 2017
"Wie auch der ebenfalls im Film zu sehende Protestmarsch in Liverpool erweisen sich die Arbeiten Tanakas als Allegorien politischen Handelns infolge der Bildung von Kollektiven."
Allegorien und eine etwas andere Möbelschau
Kleine Zeitung, Wenzel Mraček, 24. Juni 2017
"Bei dieser Kunst geht es nicht um ein abgeschlossenes Werk, und ich glaube es geht auch nicht darum, in einem aktionistischen Sinn ein soziales Ziel zu erreichen. Die Aktionen und ihre Dokumentation ermöglichen ein Bewusst- oder Innewerden."
Heinz Wittenbrink on Graz, Journal, Am Glacis, 25. Juli 2017
Kunsthaus Graz
Lendkai 1
8020 Graz, Österreich
T +43-316/8017-9200
info@kunsthausgraz.at
Öffnungszeiten
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Führungen
Termine finden Sie im Kalender oder nach Voranmeldung
Kunsthauscafé
Mo-Sa 9-24 Uhr
So, Feiertag 9-20 Uhr
Snackkarte
info@kunsthauscafe.co.at
T +43-316/714 957
Ausnahmsweise geschlossen:
>> Lesen Sie dazu die Blogbeiträge von Barbara Steiner:
> Ihr 1. Treffen mit Koki Tanaka bei der Liverpool-Biennale 2016
> Koki Tanaka und Zwentendorf