27. Januar 2017 / Walter Feldbacher

Landesaufnahme(n): Straden und der „Dschungel-Express“ – eine tragische Eisenbahngeschichte aus dem südoststeirischen Vulkanland

Konservieren & Restaurieren | Museum für Geschichte

Das Projekt „Landesaufnahme“ zur Erhebung analoger fotografischer und audiovisueller Bestände in steirischen Gemeindearchiven und Museen ist nun abgeschlossen. Dabei konnten nicht nur Daten bezüglich Umfang und Materialität bzw. Inhalt und Motiv dieser Bestände gesammelt werden, geblieben sind vor allem wunderbare Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen aus den regionalen Archiven und Sammlungen sowie Kooperationen zwischen diesen Institutionen und den Multimedialen Sammlungen.

So ist auch dieser Beitrag zur Gleichenberger Bahn entstanden. Die Historikerin und Amtsleiterin der Marktgemeinde Straden, Dr. Christa Schillinger, hat recherchiert und erzählt ein Kapitel lokaler Eisenbahngeschichte aus dem südoststeirischen Grabenland (heute Vulkanland). Gottfried Aldrian vom Technischen Eisenbahnmuseum in Lieboch (TEML) wurde hierzu in seinem Archiv fündig und steuerte interessante fotografische Dokumente bei:

Bereits im Jahr 1865 wurden aus wirtschaftlichen Interessen erste Bemühungen zur Errichtung einer Eisenbahn für die Oststeiermark unternommen.

Es ging zum einen um die Verbindung von Hartberg ins Raabtal, zum anderen um die Weiterführung durch das „Grabenland“ ins Murtal und in die Windischen Bühel. Während der Ausgangspunkt Hartberg unumstritten war, ritterten im Raabtal die Städte Feldbach und Fehring um die Bahnlinie. Im Süden konkurrierten die Städte Radkersburg und Pettau/Ptuj.

Photochromiekarte, Albin Sussitz (Graz), Vogelschau ins „Grabenland“ und untere Murtal zwischen Mureck und Radkersburg, 1913/14, Archiv MG Straden

Photochromiekarte, Albin Sussitz (Graz), Vogelschau ins „Grabenland“ und untere Murtal zwischen Mureck und Radkersburg, 1913/14, Archiv MG Straden

1873 wurde die Raaberbahn oder Ungarische Westbahn eröffnet. Die Südbahn zwischen Spielfeld und Radkersburg ging 1885 in Betrieb. Damit waren die zwei Hauptachsen gegeben, es kam aber in der Folge zu verschiedenen Initiativen für unterschiedliche Lokalbahntrassen.

Eine wichtige Rolle spielte dabei der Kurort Gleichenberg und der Mineralwasserversand der Johannisbrunnen-Heilquelle in Hof bei Straden.

Postkarte (Lithografie), Kunstanstalt Karl Schwidernoch, Wien-Leopoldstadt, Straden - Johannisbrunnen, 1898, Archiv MG Straden

Postkarte (Lithografie), Kunstanstalt Karl Schwidernoch, Wien-Leopoldstadt, Straden – Johannisbrunnen, 1898, Archiv MG Straden

Die Grenznähe sprach damals gegen die Trassenführung Fehring–Radkersburg. 1886 wurde daher in Feldbach bereits die 30 Kilometer lange „Talbahn“ Feldbach–Gleichenberg–Unterpurkla vorgestellt. Im Gebiet der heutigen Marktgemeinde Straden waren Haltestellen in Stainz bei Straden, Hof-Johannisbrunn und Radochen vorgesehen.

Postkarte, Blick auf Straden in Richtung Bad Gleichenberg, um 1965, Archiv MG Straden

Skizze zur geplanten Erweiterung der Gleichenberger Bahn, Technisches Eisenbahnmuseum Lieboch (TEML)

1890 begannen die technischen Vorarbeiten für eine normalspurige Lokalbahn von der Station Feldbach der ungarischen Westbahn über Gleichenberg zur Station Purkla der Linie Spielfeld–Radkersburg. Dazu gab es aber starke Widerstände des Fuhrgewerbes, die die Strecke bedienten und neben den Kurgästen im Sommer auch Mineralwasser und die Post beförderten.

Es bildeten sich in weitere Folge örtliche oder regionale Eisenbahnausschüsse, die von 1907 bis 1909 vor Ort sogenannte „Eisenbahntage“ mit Begehungen und Enteignungsverhandlungen abhielten. Daran nahmen Vertreter der Bezirksvertretungen der Gemeinden und der Landesregierung sowie Abgeordnete teil, die naturgemäß von unterschiedlichen Interessen geprägt waren. Der Mühlenbesitzer Rupp in Halbenrain war trotz Verwandtschaft gegen die Bestrebungen des Kaufmannes Friedl in Straden, die Bahnlinie in Purkla an die Südbahn anzuschließen.

Postkarte, Johannisbrunnen (Füllgebäude mit Servitutsbrunnen), um 1960, Archiv MG Straden

Postkarte, Johannisbrunnen (Füllgebäude mit Servitutsbrunnen), um 1960, Archiv MG Straden

Postkarte, Purkla mit Bahnstation, Foto Bund (Radkersburg), um 1965, Archiv MG Straden

Postkarte, Purkla mit Bahnstation, Foto Bund (Radkersburg), um 1965, Archiv MG Straden

Die untersteirischen Vertreter des Landtages und der Besitzer des Schlosses Poppendorf, Stadler von Wolffersgrün, verlangten neben der Erschließung des „fruchtbaren Stradener, Poppendorfer und Gnaser Tales sowie Gleichenberg“ auch die der Windischen Bühel über St. Leonhard/Lenart.

Die Bewilligung für den Streckenabschnitt Feldbach–Gleichenberg–Radkersburg erfolgte kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Der erste Bauabschnitt verband den Bahnhof Feldbach mit dem Kriegsgefangenenlager in Mühldorf bei Feldbach.

Nach Kriegsende 1918 waren nicht nur die untersteirischen Pläne vom Tisch, sondern auch die Weiterführung von Gleichenberg nach Purkla. Landtagsbeschlüsse zur Weiterführung der begonnenen Arbeiten scheiterten an der Finanzierung. Der Bahnbau wurde schließlich im Rahmen einer Völkerbundanleihe zur Belebung der Wirtschaftsstruktur und Senkung der Arbeitslosenzahlen bewilligt, wobei aber nicht auf das bestehende Projekt zurückgegriffen wurde.

KB008061,Wurm Franz (Feldbach), Feldbach: Spatenstich zum Bau der Gleichenberger Bahn durch Bundespräsident Michael Hainisch, 1926, Multimediale Sammlungen/UMJ

KB008061,Wurm Franz (Feldbach), Feldbach: Spatenstich zum Bau der Gleichenberger Bahn durch Bundespräsident Michael Hainisch, 1926, Multimediale Sammlungen/UMJ

Parteipolitische Überlegungen führen schließlich zum Bau der sogenannten „Gnaser Schleife“, eine Verlängerung der Strecke von 8 auf 21 Kilometer. Eine wesentliche Rolle spielten dabei der Landes- und Bundespolitiker Ing. Franz Winkler, eng mit Gleichenberger Interessen verbunden, sowie der Abgeordnete Hans Roth aus Obergnas.

Bahnbauarbeiten: aus Festschrift 75 Jahre Steiermärkische Landesbahn Feldbach-Bad Gleichenberg 2006, S. 11, Fotograf Franz Hoppichler (Bad Gleichenberg)

Bahnbauarbeiten: aus Festschrift 75 Jahre Steiermärkische Landesbahn Feldbach-Bad Gleichenberg 2006, S. 11, Fotograf Franz Hoppichler (Bad Gleichenberg)

unbekannter Fotograf, Bauarbeiten an der Gleichenberger Bahn, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Bauarbeiten an der Gleichenberger Bahn, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Bauarbeiten an der Gleichenberger Bahn, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Bauarbeiten an der Gleichenberger Bahn, TEM Lieboch

Leider fanden dabei die geologischen Untersuchungen von Dr. Artur Winkler-Hermaden, dem Besitzer von Schloss Kapfenstein, wenig Beachtung. An der Gemeindegrenze Trautmannsdorf–Bad Gleichenberg wurde am 31. Mai 1927 mit den Bauarbeiten begonnen, die von schweren Mängeln in der Bauaufsicht gekennzeichnet waren. Dort ereignete sich am 29. November 1927 durch Rutschungen ein schwerer Unfall, bei dem 12 Arbeiter verschüttet wurden. Acht Arbeiter kamen dabei ums Leben, darunter auch zwei Männer aus der Pfarre Straden.

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

Franz Gangl aus Wieden-Klausen und Grassl Anton aus Radochen waren auch Mitglieder der 1926 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr Wieden-Hart. Am dortigen Rüsthaus befindet sich noch heute eine Gedenktafel. Die angeklagten Ingenieure konnte kein Verschulden nachgewiesen werden. Sie wurden freigesprochen.

Gedenktafel an der Unfallstelle, rechts Gedenktafel der FF Wieden-Hart, Fotos Christa Schillinger

Gedenktafel an der Unfallstelle, rechts Gedenktafel der FF Wieden-Hart, Fotos Christa Schillinger

Schon damals war klar, dass aufgrund von Kostenüberschreitungen durch Sicherungsarbeiten in Erdrutschzonen eine Weiterführung undenkbar war.

Am 15. Juni 1931 konnte die eingleisige, elektrifizierte Strecke über Gnas und den Frachtenbahnhof Maierdorf nach Gleichenberg eröffnet werden. Auf ihrer Streckenlänge von 21 km überwindet sie Steigungen bis zu 42 Promille. Sie ist damit nicht nur steiler als die Semmeringbahn, sondern zählt zu den steilsten Adhäsionsstrecken in den Alpenländern mit einer Fahrgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde. Von der Bevölkerung auch „Dschungel-Express“ genannt, führt die Gleichenberger Bahn (Steiermärkische Landesbahn) über Hügel und Täler, durch Felder, Wiesen und Wälder des Vulkanlands.

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