Vitrine 8

Spiel-Räume

Schladmingerin, um 1870

 

Bis vor Kurzem trug diese Figurine ein schwarzseidenes, nach hinten gebundenes Kopftuch, wie es in Oberösterreich, im Salzkammergut und im oberen Ennstal ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts üblich war. In der rechten Hand hielt sie ein Gebetbuch. Zusammen mit den vom Museum in den 1910er-Jahren und zuvor angekauften Kleidungsstücken – einem Wollrock mit seidener Schürze, einem gemusterten Leibkittel und einem samtenen Spenser – zeigte sie eine wohlhabende Frau in Kirchtagsgewand.

Seit 2022 trägt die Schladmingerin eine modische Haube in Farben und (nicht offiziellem) Logo des Volkskundemuseums, in der linken Hand hält sie einen Energielieferanten in Form eines Energy Gels. Es sind Objekte der Gegenwart, die auf Wandel und Transformationen in Mode und Lebensstil verweisen. Ihr Gesicht, ein Spiegel, lädt dazu ein, sich in die Augen zu schauen: Wo zwischen Tradition und Moderne würden Sie sich selbst verorten?

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Text

Birgit Johler

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Ennstaler Einleger, um 1840

 

Rätselhafte Figurine

Die Figurine des Ennstaler Einlegers hat in der jüngeren Forschungsgeschichte immer wieder Fragezeichen hervorgerufen. Als einzige Figurine ist ihr Körper aus Pappmaché – mit Ausnahme der aus Zirbenholz gearbeiteten Hände, Füße und dem Kopf. Auch das bearbeitete Gesicht unterscheidet sich von den anderen Figurinen: Es zeigt tiefe Falten und ist weniger modellhaft.

Als Figur erzählt der Ennstaler Einleger von Alter, Armut und Fürsorge: Ältere Dienstboten, die nicht mehr arbeiten und deswegen nicht mehr auf dem Hof verbleiben konnten, zogen in die Gemeinde, in der sie das Heimatrecht besaßen. Hier waren sie nicht immer gern gesehen, mussten die Bauern den „Einlegern“ doch je nach Größe ihres Hofes eine bestimmte Anzahl von Tagen Unterkunft und Verpflegung bieten oder auch mit Kleidung versorgen. Diese war oft abgetragen und schäbig. Die Kleidung der Einleger-Figurine wurde vom Museum zwischen 1913 und 1932 von Händlern aus Mariazell, dem Tauerngebiet und Schladming angekauft.

Die Figurine wurde von Hans Mauracher gefertigt. Geramb sei, so erinnerte sich Sepp Walter, Leiter des Volkskundemuseums von 1963 bis 1980, von dieser Figur nicht überzeugt gewesen. Er wünschte sich vielmehr stilisierte, weniger ausdrucksstarke Gesichter, wie sie Alexander Silveri liefern sollte.

Bildinformationen

Figurine

Hans Muracher

Entstehungszeit

zwischen 1937 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Text

Birgit Johler

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Bäuerin aus den Tauern, um 1870

 

Wer ist die Frau auf dem Foto?

Mit dieser Figurine wollte Viktor Geramb eine „sonntäglich gekleidete Bäuerin aus den steirischen Tauern“ darstellen. Sie trägt einen seidenen Leibkittel, ein Hemd aus feinem Leinen und einen sogenannten „Reindlhut“ aus Hasenhaarfilz. Geramb beschrieb diese niedere Hut-Art als seit etwa 1840 in der Steiermark nachweisbar. Auch diese Kleidungsteile wurden zu unterschiedlichen Zeiten und von unterschiedlichen Verkäufer*innen erworben. Der Hut etwa wurde 1915 aus Judenburg für die Sammlung angekauft.

Nach der Bäuerin, so der Museumsleiter Geramb, habe der Künstler auch den Kopf geschnitzt. Im Archiv des Volkskundemuseums sind zwei Aufnahmen einer Frau erhalten, die auf der Rückseite mit „Silveri“ beschriftet sind. Aufgenommen von vorne und auf Augenhöhe sowie von der Seite erinnern sie an anthropologische Fotografien der 1930er-Jahre. Jedenfalls geben sie Hinweise auf die Arbeitsweise des jungen Bildhauers, der das Medium der Fotografie als Vorlage nutzte. Über die Frau sind jedoch keine Informationen überliefert – was der fotodokumentarischen Praxis der frühen Ethnografie entspricht.

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

„Model von Silveri“, Foto: unbekannt, wohl 1930er-Jahre, Volkskundemuseum/UMJ

Text

Birgit Johler

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